Als »Musik für Vegetarier« hat unser Ulli "Postcards", das zweite Album des Kölner Duos Mrs. Greenbird, bezeichnet. Wer um Ullis Verhältnis zum Sonntagsbraten weiß, kann sich in etwa denken, wie seine weitere Meinung zu "Postcards" einzuschätzen ist. Mein erster Gedanke nach einer kurzen Hörprobe war »Schrubber raus und lalala« - schöne Hausputzmucke und zack war die Scheibe auf dem Weg zu mir...
...was soll ich sagen? Wochen später... und die Bude blitzt und funkelt immer noch nicht in allen Ecken und Enden. Der erste Eindruck nach "Everyone's The Same" hat getäuscht. Hätte ich nach dieser Nummer mit etwa einer Stunde beschwingt leichtem Geträller gerechnet, zeigt die ganze Scheibe doch ein differenzierteres Bild. Beschwingt ist sie durchaus durchgehend und wirklich schwere Kost auch nicht, selbst wenn die Stimme der Sängerin Sarah Nücken wohl nicht nur die RockTimes-Redaktion polarisiert.
Klar spielt sie mit ihrem Gesang ziemlich stark mit dem Kindchenschema. Doch während mich das beispielsweise bei Oberquiekse Cindy Lauper ganz schön nervt, finde ich es bei Mrs. Greenbird ganz okay. Denn sie variiert in ihrem Gesang (zwar subtil, aber durchgängig) und Steffen Brückner setzt ein Stück weit einen Gegenpol. Der könnte, meiner bescheidenen Meinung nach, sogar noch etwas stärker ausgebaut werden, um ein neutraleres Fundament für Sarahs sehr markante Vocals zu bauen. Das ist aber ein Stück weit auch Geschmackssache. Und da unterscheidet sich der von Musikkritikern und TV-/Radiopublikum teilweise ja doch beträchtlich...
Betrachtet man die Bandgeschichte, dann finden sich mit der Casting Show "X Factor" und Vorabend-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" Indizien, dass sie die Position als Publikumslieblinge nicht unbedingt verschmähen. So überrascht es denn auch nicht weiter, dass sich stilistisch deutlich der Pop durchzieht. Trotzdem dudelt hier kein vollkommen seichter und platter Brei aus den Boxen, denn es gesellt sich neben folkigen Zügen auch ein ziemlich deutlicher Country-Einschlag dazu. Nicht weiter verwunderlich, dass die Scheibe in Nashville aufgenommen wurde, oder? Dieser Einfluss kommt bei Nummern wie "Good Ole Ricky" oder "Planets" sehr deutlich zum Tragen. Insgesamt ist die Platte sauber produziert, abwechslungsreich und allein schon durch den Gesang mit hohem Wiedererkennungswert ausgestattet. Nicht gar zu weichgespült und glattgebügelt, sondern durchaus mit Eckchen und Käntchen.
Aber da schwingt noch was anderes mit, ganz subtil, und lange Zeit war ich mir gar nicht sicher, was es ist. Ob das, was ich vermute, nun wirklich Intention der beiden Musiker ist oder vielleicht zu sehr meine Interpretation? Doch mit jedem Hören und vor allem Blick auf die Texte, wird mein Gefühl immer stärker, dass bei Sarah und Steffen eine eher subtile Ironie mitspielt. Dass dieses ganze Kindchen- und Vintageimage mit einem ganz kräftigen Augenzwinkern verstanden werden darf. In der koffeinschwangeren Liebeserklärung "Insomniac" ebenso wie der unendlichen Reise im gefalteten Papierschiffchen rund um die Welt und wieder zurück des Titeltracks, von der sie "Postcards" an die Freunde schicken.
Ganz sicher nicht jedermanns Sache, ganz bestimmt auch bei mir nicht in Dauerrotation, aber checkts ruhig mal an, wenn euch die beiden nicht ohnehin schon aus Funk und Fernsehen bekannt sind. Oder euch dort demnächst über die Füße laufen, bei der Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest beispielsweise. Oder vielleicht doch zum Frühjahrsputz? So richtig schön 'vintage-shabby-oldschool' mit Schrubber und Ata?? Ich werd' dann nochmal 'nen Versuch starten... mit ganz viel Augenzwinkern!
Line-up:
Sarah Nücken (vocals)
Steffen Brückner (vocals, guitars)
Shannon Forrest (drums, percussions)
Tony Lucindo (bass)
Tim Lauer (piano, mellotron)
Jason Mowery (mandolin, Dobro)
Jerry Mcpherson (electric guitar)
Marshall Altman (backing vocals, claps, stomps - #2)
Tracklist |
01:Dark Horses
02:Everyone's The Same
03:Shine Shine Shine
04:Lucky One
05:Insomniac
06:Postcards
07:Planets
08:Mr. Werewolf
09:Hole In Your Heart
10:Good Ole Ricky
11:Slow Me Down
12:Take My Hand
|
|
Externe Links:
|