My Dying Bride / Evinta
Evinta Spielzeit: Evinta I (45:24), Evinta II (41:43), Evinta III (41:47)
Medium: 3-Fach-CD
Label: Peaceville/Edel, 2011
Stil: Ambient Doom

Review vom 06.07.2011


Andrea Groh
»Evinta. Ein Projekt mit einem 15 Jahre andauernden Entstehungsprozess. Eine schwelende Idee, die erst jetzt zum Leben entbrannte. Neun Alben voller Dunkelheit erschaffen ein Neues, um 20 Jahre MDB zu markieren. Musik arrangiert zu einem Geräusch der Vergangenheit des Schmerzes. Endlich erlaubt uns das 20jährige Jubiläum die Musik in der Form zu veröffentlichen, auf die sie verzweifelt, klagend gewartet hat. Genießt die Dunkelheit.«
Das verkünden My Dying Bride nach 20 Jahren 'Doom And Gloom'. Grund für die Band, dies auf ihre eigene besondere Weise zu feiern. Außerdem Grund, zurückzublicken.
My Dying Bride wurden 1990 in Halifax, England, gegründet und gelten neben Paradise Lost und Anathema zu den Wegbereitern und Erneuerern der Doom/Death-Szene. Allen dreien ist gemeinsam, dass sie neue Impulse in die Musik einbrachten und ihren Stil über die Jahre stark weiterentwickelten.
Die Besonderheit der 'Sterbebräute' (der Name steht für das Traurigste, was die Band sich vorstellen kann) ist die Verwendung einer Violine, und dies bereits in der Anfangszeit, als die Musik noch stark im Death Metal verwurzelt war.
Dies war auch das, was mich beeindruckte als ich sie mit "Symphonaire Infernus Et Spera Empyrium" kennenlernte, mit einem Videoclip zum Titelsong der ersten EP von 1992, der düstere Szenen, okkulte Symbole und Typen mit Doc Martens zeigte. Vorher gab es noch das Demo "Towards The Sinister" und die Single "God Is Alone". Ebenfalls 1992 folgte der erste Longplayer "As The Flower Withers".
Richtig umgehauen hat mich allerdings erst der Nachfolger "Turn Loose The Swans" von 1993, welche zu meinen sogenannten 'Inselplatten' bzw. All-time-favorites zählt. Diese Klasse erreichten My Dying Bride (meiner Meinung nach) danach nie mehr ganz, obwohl sie noch einige gute Scheiben herausbrachten, die teilweise allerdings ein wenig experimentell ausfielen und damit nicht allen alten Fans zusagten.
Damit es hier nicht zu lang wird, will ich nur die Titel der Longplayer aufzählen (und die EPs, Complations, Videos und DVDs weglassen): "The Angel And The Dark River" (1995), "Like Gods Of The Sun" (1996), "34.788%...Complete" (1998), "The Dreadful Hours" (2001), "Songs Of Darkness, Words Of Light" (2004), "A Line Of Deathless Kings" (2006) und "For Lies I Sire" (2009).
Das ist tatsächlich Einiges, auf das man zurückblicken kann.
Manche Bands hätten das mit einem weiteren Sampler getan oder alte Songs neu mit Orchester aufgenommen. My Dying Bride wählen einen anderen Weg: Auf "Evinta" befinden sich neue Songs, welche allerdings alte Melodien mit verarbeiten. So hat man immer wieder ein vertrautes Gefühl, meint etwas zu erkennen, doch nur für einen Moment. 'Klang das eben nicht nach "Sear Me"?' - fragt man sich - schon ist der Eindruck wieder weg. Gerade "Sear Me" ist ein gutes Beispiel, wie stark sich ein Song verändern lässt, wenn man die Version auf "As The Flower Withers" mit "Sear Me MCMXCIII" von "Turn Loose The Swans" vergleicht.
Doch die Briten gehen auf "Evinta" noch einen Schritt weiter: Rock- oder Metalmusik bzw. für diese Stile typische Instrumente sucht man hier vergebens. Sänger Aaron Stainthorpe agiert ohne die übliche Bandbesetzung, stattdessen hat er Gastmusiker dabei, die Keyboard (Johnny Maudling dürfte manchen vielleicht von Bal-Sagoth bekannt sein), Viola und Cello bedienen, zudem eine Opernsängerin. Diese zeigt den ganzen Gothic-Trällerelsen, dass zwischen ihr und Damen wie Tarja, bzw. Möchtegern-Tarjas doch Welten liegen. Denn Lucie Roche, so der Name der Dame, kann wirklich was - das muss man zugeben, selbst wenn man diesen Gesangstil jetzt nicht unbedingt mag.
Allerdings finde ich, dass sie Aaron etwas zu sehr in den Hintergrund drängt - er war und ist für mich das Herz von MBD. Oder drücken wir es anders aus: Die Musik ist die Kulisse, die den Rahmen schafft für sein Acting, seine Theatralik. Dieser Vergleich mit der Filmwelt drängt sich durch die klassischen Instrumente stärker als je zuvor auf: Über weite Strecken hat "Evinta" etwas von einem Soundtrack und wirkt in den Instrumentalpassagen am besten, finde ich.
Funktioniert das denn, die Musik so umzusetzen? Und ob! Es erfordert allerdings eine gewisse Offenheit und Toleranz, denn wie bereits erwähnt: Gitarren oder Ähnliches gibt es hier gar nicht. "Evinta" ist mutig, emotional beeindruckend und einzigartig, aber auch sperrig.
Aufgeschlossene My Dying Bride-Fans (oder nun neugierig gewordene) können sich dieses besondere Jubiläumswerk in zwei Fassungen in den Schrank stellen:
Einmal als Doppel-CD im Schuber, das Booklet enthält Texte, Fotos und Erläuterungen zur Diskographie - also auch schon gut aufgemacht - und als Deluxe-Edition: Diese enthält neben den beiden CDs der Normalfassung noch eine dritte und ein 64 Seiten starkes Buch, welches von MDB inspiriert wurde.
Line-up:
Aaron Stainthorpe (vocals)

Session Members:
Johnny Maudling (keyboards)
Lucie Roche (soprano vocals)
Alice Pembroke (viola)
Johan Baum (cello)
Tracklists
Evinta I:
01:In Your Dark Pavilion (10:04)
02:You Are Not The One Who Loves Me (6:48)
03:Of Lilies Bent With Tears (7:11)
04:The Distance, Busy With Shadows (10:47)
05:Of Sorry Eyes In March (10:34)
Evinta II:
01:Vanité Triomphante (12:21)
02:That Dress And Summer Skin (9:39)
03:And Then You Go (10:47)
04:A Hand Of Awful Rewards (10:21)
Evinta III:
01:The Music Of Flesh (07:05)
02:Seven Times She Wept (4:06)
03:The Burning Coast Of Regnum Italicum (11:50)
04:She Heard My Body Dying (08:31)
05:And All Their Joy Was Drowned (10:15)
 
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