Ach, du Schreck, was ist das denn? Mythen In Tüten war eine Band aus Hannover und wir haben es hier mit einer weiteren Ausgrabung des Labels Sireena Records zu tun. Gegründet wurde die Truppe im Jahr 1979 von Emilio Winschetti und blieb bis auf die ständig wechselnde Position am Bass bis zu ihrer Auflösung etwa fünf Jahre später stabil. Die erste Single erschien 1981 und im Folgejahr wurde dann das hier vorliegende Debüt-Album, "Die neue Kollektion", nachgeschoben, dem bei dieser Wiederveröffentlichung noch die Songs der einzigen drei Singles der Band beigefügt wurden.
Laut Promozettel gelten die Mythen als Vorreiter der Neuen Deutschen Welle und… ja, viel mehr fällt mir zu dem Stil auch nicht ein. Eigentlich ist an dieser Scheibe alles minimalistisch. Der Sound, der Inhalt der Texte, das spielerische Können (bzw. das, was hier gezeigt wird) und auch die Arrangements. Gleich zu Beginn 'glänzt' der Titelsong mit Rumtata-Rhythmus und einem Keyboard-Sound, der sich verdächtig stark nach Bontempi-Orgel anhört… das kann ja heiter werden…
Oder war das nur Spaß? Nee, denn mit "Hochkant" geht es hochkantig so weiter, wie es begonnen hat. Zumindest musikalisch. Denn die Texte können nicht ernsthaft in der Absicht entstanden sein, hier etwas Gehaltvolles abzuliefern. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass sich die Hannoveraner tatsächlich einen großen Spaß gemacht und selbst dabei halb totgelacht haben. Beispiel gefällig? »…und dann hab' ich die Heike gesehen, die wohnte in der Geibelstrasse, sie hatte zwar nicht die optimalen Masse, aber dafür wohnte sie in der Geibelstrasse…« ("Südstadt-Spatz") oder »…wir machen's digi-digi-digital, und nicht mehr so analog, wir sind so digi-digi-digital und nicht…« usw. usw. …
Einigermassen amüsant ist die Nummer "Tortellini", die eine Parodie des Songs "Mussolini" von DAF (Deutsch Amerikanische Freundschaft) darstellt. Hier ist der Sound auch mal etwas dichter, der Text natürlich wieder, wie es sich für eine Parodie gehört, hanebüchener Unsinn (»…tanz den Tortellini, dann den Makkaroni, und jetzt den Spaghetti…« usw.). Über den Wortwitz der Texte kann man sich allerdings streiten. Bei mir zündet der Humor der Norddeutschen zumindest nicht wirklich. Der Gesang wird sehr emotionslos sowie eintönig vorgetragen, wirkt mit zunehmender Spieldauer dadurch immer langweiliger. Puh, das ist schon starker Tobak…
Das fehlende spielerische Können hatte ich schon angesprochen und man hat tatsächlich oft das Gefühl, es mit einer Schülerband zu tun zu haben. Aber - und jetzt kommt das große 'Aber', woran es tatsächlich überhaupt nichts zu meckern gibt, ist der Saxophonist in Gestalt von Ingo Erlhoff, der eine durchaus ansprechende Leistung bietet und die Stücke mit seinem Spiel wenigstens einigermaßen interessant gestaltet
Ich weiß auch nicht, die NDW hatte ich größtenteils ja aus meinem Langzeitgedächtnis verbannt, und dennoch fallen mir spontan mindestens eine Handvoll Bands von damals ein, die deutlich mehr drauf hatten. Dass Minimalismus ganz hervorragend funktionieren und auch sehr witzig sein kann, wurde durch das erste Album von Trio bewiesen. Diesem Debüt von Mythen In Tüten folgte wohl noch ein weiteres Album, bevor sich die Band dann wieder auflöste. "Die neue Kollektion" kann ich maximal den hartgesottenen NDW-Fans empfehlen, die auch vor dem Makaberen nicht zurückschrecken… Schade, aber mehr fällt mir zu dieser Scheibe wirklich nicht ein.
Line-up
Ingo Erlhoff (Saxophon)
Rüdiger Klose (Schlagzeug)
Emilio Winschetti (Gesang)
Felix Wolter (Bass)
Lutz Worat (Tasteninstrumente, Synthesizer)
Mit:
Conny Brait (Chor - #2)
Maike Klatte (Chor - #2)
Christine Heise (Akkordeon - #8)
Angelika Malworm (Gesang - #6)
Tiny Trash (Gesang - #5,19)
Jürgen 'Lem' Kirtschig (Bass - #19,20)
Tracklist |
01:Die neue Kollektion
02:Hochkant
03:Südstadt-Spatz
04:Fotoapparat
05:Schöne Schuhe
06:Mäzen
07:Sansibar
08:Herbst
09:Tortellini
10:Geruchsinn
11:12 Finger
12:Doppelgänger
13:Digital
14:Zeitsprung
15:Ich glaube dir alles
16:Lady Di
17:Sasibar
18:Nüsse
19:Liebe im Funkhaus
20:Das erste Mal
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