Steve Marriott / The Astoria Memorial Concert
Astoria Memorial Concert
Als Steve Marriott am 20. April 1991 durch tragische Umstände ums Leben kam, war man sich noch gar nicht bewusst, welche riesige Lücke da gerissen wurde. Steve, einer der ersten großen Stars, (als der Kopf der 60er Mod-Legende Small Faces und Antreiber sowie richtungsweisender General von Humble Pie) einer, der ganze Musikstile fast im Alleingang definierte, aber auch einer, der in den meiner Ansicht nach musikalisch miserablen Spät-80er Jahren von der Industrie aufs Abstellgleis geschoben wurde und sich nicht zu Schade war, nach Superstardom wieder höllische Club-Touren zu unternehmen.
Auf den Tag genau 10 Jahre nach seinem Tod hat sich die Creme de la Creme aus alten und neuen Stars des englischen Rock im Londoner Astoria Theatre zusammengefunden, um in einem Memorial Concert seiner zu gedenken. Fast 4 Jahre nach diesem Ereignis wurde nun die DVD veröffentlicht, und man möchte hinzufügen: Das wurde aber auch Zeit!
Die renommierte Londoner Underground Band The Mods eröffnet das Konzert, unterstützt von Steve Ellis, bekannt von der 60er Band Love Affair. Und was die da abziehen, hat jeden Respekt verdient. "Song Of A Baker" und "Afterglow" (das hier Steve's Witwe gewidmet ist), beide vom Small Faces-Knaller "Odgen's Nut Gone Flake" aus 1968 lassen mich zum ersten Mal wehmütig werden. Herrje, ist das alles tatsächlich schon 37 Jahre her? Welch herrliche Musik, und wie hervorragend dargeboten!
Dann betritt die 'House Band' die Bühne, bestehend aus Zak Starkey (der Who-Drummer und Sohn von Ringo Starr) Rabbit Bundrick von Free an den Keyboards, Bobby Tench und Bucket Colwell an den Gitarren und Rick Wills am Bass. Auch die bestreiten ein großartiges Set, mit jeweils verschiedenen Leuten am Mikrophon. Herausragend die Performance von Debbie Bonham, der jüngeren Schwester des 1980 verstorbenen Led Zeppelin-Drummers. Die Songs, die sie sich da ausgesucht hat, passen wie die Faust aufs Auge und sie werden der 'Soul-Sister'-Philosophie des Steve Marriott allemal gerecht: "I Can't Stand The Rain", "Groovy" und vor allem "Black Coffee", dem die Gitarristen einen Groove angedeihen lassen, dass es eine wahre Freude ist.
Was zu Steve's Lebzeiten undenkbar war, hier zu seinen Ehren ist es geschehen: Nach der House Band erscheinen Humble Pie in Originalbesetzung, also das erste mal, dass Steve's Gitarrenbrüder, die nacheinander mit ihm durch's Leben wanderten, gemeinsam als Humble Pie auftreten. An Clem Clempson haben die Probleme miteinander wohl weniger gelegen als am Bandgründer Peter Frampton. Die Geschichte könnt ihr hier nachlesen.
Anerkennend und ohne Verwunderung kann man Clempson und Frampton bescheinigen, dass sie fast sowas wie ein ideales Gespann sind, eine Abstimmung mit aller Präzision, als wären sie ein eingespieltes Team. Womit beide wiedermal ihre herausragenden künstlerischen Qualitäten bewiesen haben. Und immerhin waren 30 Jahre vergangen, als Frampton das letzte Mal mit Greg Ridley und Jerry Shirley spielte. Dieser Auftritt von Humble Pie an diesem Abend ist eine Klasse für sich! "Natural Born Bugie" (ich schwöre, das heißt eigentlich "Boogie"...) und "I Don't Need No Doctor" zeigen den Coverbands dieser Welt, wo der Hammer hängt, auch die anderen drei Songs ihres Sets kommen locker und wie von selbst aus den Instrumenten.
Midge Ure bestreitet eine kurze, aber herzzerreißende akustische Version von "My Mind's Eye" - ein gewagter Schritt direkt nach dem Humble Pie-Power Rock. Und er schafft es, die Menge hinter sich zu sammeln, am Ende singen alle mit. Nach dem Schotten kommen dann mit Kenney Jones und Ian McLagan Steve's alte Small Faces-Mitstreiter auf die Bühne, unterstützt von Noel Gallagher und Paul Weller. Sehr schön, dass sie auch weniger bekanntes Material vortragen.
Die Zugabe wird dann von einer Art 'Allstar'-Band des Abends bestritten, und sowohl "Tin Soldier" als auch "All Or Nothing" sind nicht nur gerne wieder gehört, sie versetzen mich in eine eigentümliche Stimmung, als fließe mein Leben an meinem geistigen Auge vorbei. Dieses Konzert ist für Leute meiner Generation sicher auch eine emotionale Angelegenheit. Auf der anderen Seite steht aber auch Dankbarkeit, das alles zu seiner Zeit selbst miterlebt zu haben.
Die Extras runden diese DVD perfekt ab - eine kleine Dokumentation, Interviews, die Vorbereitungen des Konzerts, eine interessante und kurzweilige Angelegenheit. Sehr sympathisch ist, dass die Einnahmen komplett der "Small Faces 'Kinder-in-Not' Stiftung" zufließen. Soziales Gewissen und Verantwortung mit Vorbildfunktion! Damit erwirbt man mit dem Kaufpreis nicht nur das Produkt, sondern auch das Wissen, dass mit dem Geld eine äußerst sinnvolle Sache unterstützt wird.
Mit Steve Marriott hat die Rockwelt einen ihrer ganz Großen verloren - das macht auch dieses Konzert mit seiner Musik wieder drastisch deutlich. Wir bräuchten viel mehr von seiner Sorte. Diese DVD ist ein absoluter Kauftipp!
Technik: Dolby5.1/Stereo2.0 - Bild: Breitband, Kein Regionalcode (überall abspielbar)


Spielzeit: 120 Min., Medium: DVD, Sound Discs/Virgin, 2005
Tracks:
1: Sha la La La Lee 2: Understanding 3: Song Of A Baker 4: Afterglow 5: Phone Call Away 6: Big Train 7: Fool For A Pretty face 8: I Can't Stand The Rain 9: (If You Think You're) Groovy 10: Black Coffee 11: Itchycoo Park 12: My Way Of Giving 13: 30 Days In A Hole 14: Four Day Creep 15: Natural Born Bugie 16: Hallelujah I Love Her So 17: Shine On 18: I Don't Need No Doctor 19: My Mind's Eye 20: Become Like You 21: I'm Only Dreaming 22: Get Yourself Together 23: Here Comes The Nice 24: Tin Soldier 25: All Or Nothing
Extras:
1. Concert Retrospective - Mini Documentary & Interviews With Ian McLagan And Kenny Jones 2: Beyond The Stage - Behind The Scenes Footage
Manni Hüther, 11.04.2005