Jetzt weiß ich, an wen und was mich diese Gitarre, diese Stimme und diese Stimmung erinnern: Filmkiste, Bad Steben, Freitagabend, irgendwann Anfang der 80er Jahre, Lee Clayton, "I Ride Alone" mit der blonden Karola aus Callesgrie und der schnuckeligen, nicht ganz so blonden Guddi aus Longbeach hinten am Treseneck …
Allerdings ist die Scheibe im Player nicht von 1978, sondern von 2006 und wurde mir erst jüngst vom RockTimes-Näschvill-Volksmusik-Außendienstler Daniel empfohlen. Danke, Kollege, für den sehr angenehmen Flashback!
Und natürlich reitet da auch nicht mehr Lee Clayton, sondern wohl eher das Produkt eines seiner langen Trecks, die er nicht ohne Grund gern allein unternommen hat. Tyler McCumber heißt der Typ aus dem Süden des Lone Star States und der ist, zusammen mit seiner Truppe, auch wesentlich lockerer drauf, als der alte Wolf. Was da jetzt aus den Boxen dröhnt, ist wohl lupenreiner 'Red Dirt', wenn ich die Diktion richtig verstanden habe.
Das hat ein ordentliches R'n'R-Grundgerüst, scheppernde Gitarren, allerlei Zubehör aus dem Americana-Laden, ab und zu ein bisschen Landluft, eine Mieze, die öfters mal mitsingt (und sicher wie die Guddi ausschaut) und dann das kratzige Organ des gar nicht mehr so jungen Bandchefs, der seine fast komplett selbst geschriebenen Songs klasse raushaut. Der hat genau das richtige Timbre für den Job und dazu eine 1A-Mannschaft. Produziert wurde das Album von Mike McClure (einer der Rädelsführer der 'Rote Dreck-Fraktion'), der auch diverse Gitarren und backing vocals beisteuerte. Zehn klasse Songs, grandios in Szene gesetzt.
Wenn ich die Augen zumache, dann bin ich zwar nicht wieder in der 'Kiste'. Aber irgendwo in einem verräucherten Honky Tonk zwischen Jenseits und Nirgendwo und die Jungs spielen auf. Saturday night, die Bude ist gerammelt voll und es dampft gewaltig. Das Bier ist dünn, eiskalt im weißgefrorenen Krug aus dem Gefrierschrank, billig die Drinks und die fetten Hamburger sind noch größer als die Schnitzel bei uns in den Touristenkneipen. Unter all den Wampen fällt mein fränkischer Bierbauch ausgesprochen flach aus und die Mädels, na ja, sind auch nicht mehr die Jüngsten. Auf der Tanzfläche wackeln die Paare zum "Music Man". Ich versteh kein Wort von seinem Slang, aber wenn Tyler singt »My name is Bojack Bloomes and I come from the whiskey hills …« dann stoße ich mit dem schwitzenden Redneck neben mir an. Und bei »I'll be here when ever you want me near, I'll be here from now on« drück auch ich mir eine Träne aus dem Auge und nick ihm mit Dackelblick zu. Und fall endgültig in die üppige Auslegware der Bedienung.
Die Band hat eingepackt, die Tanzfläche klebt vom verschütteten Bier, den Erdnussschalen und Kippen, es gibt nix mehr zu trinken, also Zeit zu gehen. Heim in mein einsames Arbeitszimmer. I write alone …
Eine wirklich tolle Scheibe, die alles hat, was man von dieser Art von Musik erwartet. Midtempo-Rocknummern, bei denen die Gitarren heulen, New Country-Balladen, die grad noch die Schmalzkurve kriegen, melancholisch angehauchte, halbakustische Workingclass- und natürlich auch ein paar Love-Songs. Ein Album, das sicher nicht nur mir schöne und leicht wehmütige Gefühle beschert. Aber obwohl Tyler McCumber durchaus mit den Klischees spielt, seine Songs haben es in sich und er entpuppt sich auch als wacher Erzähler, der weiß, was "Uncle Sam's Gun" auf der Welt so alles anrichtet.
Der Sound ist knackig, die Stimmen und die Instrumente kommen sauber aus den Speakern, da gibt es auch nichts auszusetzen. Nur die Spielzeit ist etwas knapp und die Verpackung sehr billig ausgefallen - das Blättchen dünnes Papier als Cover ist schon lowest budget! Aber das nehm ich gern in Kauf, wenn der Inhalt so spitzenmäßig ausfällt!
Line-up:
Tyler McCumber (singer, songwriter, rythm guitar)
Trey McNiel (electric and acoustic guitar)
Mike McClure (electric, acoustic, baritone guitars, vocals)
Travis Linville (acoustic, electric guitars, dobro, mandolin, banjo, harmonica)
Tom 'Tiny' Skinner (bass)
Eric 'Truckin' Waldo' Hansen (drums)
Kevin Webb (slide, steel guitars)
Camille Harp (vocals)
Chris Wiser (b3 organ)
Tracklist |
01:White Trash Farm
02:Music Man
03:Someone New
04:Windmill
05:Hollis, Oklahoma
06:Catch Me
07:Ghost
08:Belong To Another
09:Uncle Sam's Gun
10:Lemons
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