Dass zu einem 'runden' Jahrestag eine Neuauflage eines 'Klassikers' erscheint, ist längst keine Sache mehr, um die ein großes Aufhebens gemacht werden müsste. Die Gründe für solches Tun sind sicher unterschiedlich, finanzielle Absichten oftmals natürlich auch eine legitime Triebfeder.
Van Morrison steht wohl nicht in dem Verdacht, sein zweites Soloalbum von 1968 nach 40 Jahren aus kommerziellen Gesichtspunkten am 7. und 8. November 2008 erstmals komplett live aufgeführt zu haben, um es nun auf verschiedenen Medien zu präsentieren. "Astral Weeks" wird, obwohl seinerzeit ein ziemlicher Flop, heute regelmäßig zu den 'Meisterwerken' der Rockgeschichte gezählt und in diversen Polls gelistet. Morrison hatte sich damit von seiner bisherigen Ausrichtung (R&B mit Them, kraftvolle Singer/Songwriterei mit folkloristischem Popappeal auf dem Debütalbum) gelöst und erstmals sein ureigenes Ding gemacht. Stilschranken gab es danach ebenso wenig für ihn, wie Beschränkungen durch Plattenindustrie oder Publikumsgeschmack.
"Astral Weeks" entstand in wenigen Tagen mit Begleitmusikern, die zum Teil aus der New Yorker Jazzszene stammten und denen Morrison nur Anhaltspunkte für eine eher improvisierte Ausarbeitung seiner Vorgaben lieferte. Das Ergebnis war eine Produktion, die in der Popmusik bislang so wohl noch nie zu hören war. Initiiert von einer frühen Esoterikschwärmerei des Nordiren waren Einflüsse aus der eigenen keltischen Folkmusik, Blues, Jazz und kammermusikalische Formen eingeflossen, die Fans und Kritikern gleichermaßen Probleme bereiteten. Allerdings hatte Morrison schon solche Reputation als Künstler, dass sich die Ablehnung in der Fachwelt doch weitgehend zurückhielt. Wird heute erzählt. Es könnte natürlich auch sein, dass er einfach noch zu unbekannt war, als dass sich jemand ernsthaft mit dem spinnerten Paddy beschäftigt hätte. Aber genau dieses weitgehend unverstandene Spiel mit den bis dato kaum zu vereinbarenden Genres wurde später gefeiert. Morrison schwelgte erstmals in seiner typischen Art zwischen den Welten, damals allerdings noch eingeengt von Plattenspielzeiten und einem mehr als kargen Budget.
Für "Astral Weeks Live At The Hollywood Bowl" konnte er einige der seinerzeit mitwirkenden Musiker mit auf die Bühne bringen. Geprobt wurde den Veröffentlichungen nach nur kurz und erneut ließen seine sonst punktgenauen Anweisungen viel Raum für Individualität. Der Geist der 'Transzendenz' sollte sich auch live über die Performer ergießen.
Nun, wie zu erwarten, klingen die Stücke denn auch eher nach früher als nach 2008, mit viel gutem Willen auch zeitlos. Van Morrison in Top-Form und für seine Verhältnisse richtiggehend aufgekratzt, umschmeichelt von einem gewichtigen Aufgebot an akustischen Instrumenten; reichlich Streicher, Gitarren, Sax, Cembalo, Flügel und der wieder dominierenden Flöte. Was vor 40 Jahren zu ungewohnt war, irritiert heute natürlich niemand. Es crossovert ja überall und selbst mit etabliertem Jazz könnte man keinen Mainstreamhörer mehr erschrecken. Aber von Durchschnittsansprüchen ist der 'Belfast Cowboy' bekanntlich immer meilenweit entfernt. Dass er Titelumstellungen/-erweiterungen vorgenommen hat, das werden ihm höchstens erzkonservative Puristen vorwerfen. Der "Lion"-Doppelsong und "Common One" sind neu im Kontext. Das Konzept ist soweit stimmig und ufert auch nicht übermäßig aus. Der mittlerweile 63-jährige Maestro hat die Fäden in der Hand und seine Mitstreiter entfalten sich im Glanz der musikalischen Wiedergeburt. Alles, was das Ursprungswerk ausgemacht hat und was auch die nachfolgenden typischen Alben von 'Van the Man' kennzeichnet, findet sich hier und ließ das Fan-Publikum in der kalifornischen Filmstadt offenbar verzückt zurückhören.
Nun, dass ich, trotz großer Empfänglichkeit für Van Morrison'sche Mystik und seine große Zeichensetzung in der zeitgenössischen Musik nicht in einen Jubelgesang ausbreche, hat mehrere Gründe. Zum einen konnte mich das Ausgangsalbum bis heute nicht so packen und zum anderen zieht sich das Ganze dann doch reichlich dahin. Selbst die hochkarätige Vorlage hatte wohl nicht genügend Substanz für eine 70-minütige folkloristische Jamsession. Zu viel wiederkehrende Flötenpassagen, zu viel säuselnde Streicher, zu viel hymnische Melodramatik - einfach auf Dauer zuviel der Schwelgerei. Dabei fängt das Album mit dem bluesigen, federnd gelagerten Titelstück wirklich spannend an; Morrison klingt während des gesamten "In The Beginning"-Parts sehr inspiriert, obwohl auch hier schon Längen kaum zu überhören sind. Die Aufmerksamkeit steigt noch einmal mit Beginn von Teil II. Bei "The Way Young Lovers Do" wechseln jazzige Passagen mit einer eingängigen Hookline. Aber selbst "Madame George" schwächelt zum Finale. Die Zugaben hätte es nicht unbedingt gebraucht, zumal nunmehr die musikalischen Unsauberkeiten zunehmen. "Common One" mit seinem 'Call & Response' geht sogar ziemlich in die Hose.
"Astral Weeks Live At The Hollywood Bowl" - der Titel sagt alles. Ein schönes Live-Remake made in Hollywood. Sicher für seine Fans ein weiteres starkes Live-Album des sperrigen Nonkonformisten und Exzentrikers, der sich nicht nur auf dem Coverfoto ungewohnt entspannt zeigt (dafür sind die beiden Innenfotos Schrott). Ob "Astral Weeks" sein Meisterwerk war, ist Ansichtssache und ob es jetzt durch die Aufführung nach 40 Jahren populärer wird, lässt sich abwarten. So oder so, den irischen Querkopf wird's nicht groß jucken. Er macht's dieser Tage noch mal, wird sich wieder wie neugeboren fühlen und die Standing Ovations genießen. Und anschließend in die alte Brummeligkeit zurückkehren.
Zur jetzt erschienenen CD ist eine gleichnamige DVD angekündigt. Das Album ist auch als Doppel-LP erhältlich, darauf findet sich noch eine Version von "Gloria".
Tracklist |
In The Beginning
01:Astral Weeks/I Believe I've Transcended
02:Beside You
03:Slim Slow Slider/I Start Breaking Down
04:Sweet Thing
Afterwards
05:The Way Young Lovers Do
06:Cyprus Avenue/You Came Walking Down
07:Ballerina
08:Madame George
Bonus
09:Listen To The Lion/The Lion Speaks
10:Common One
|
|
Externe Links:
|