Kaum zu zählen, wie viele Weihnachtsplatten jedes Jahr auf den Markt geworfen werden. Es gibt wohl kaum einen Künstler/eine Band, die nicht mit diesem Fest Euros in die eigene Kasse spülen möchte. Viele dieser Veröffentlichungen sind peinlich, einige bleiben im Sieb des guten Geschmacks hängen und wenige sind dazu angetan, für richtig gut befunden zu werden, besonders, wenn sie aus dem Blues kommen.
Dazu gehört definitiv auch "I'll Be Home For Christmas" vom 1956 in New Orleans geborenen Kenny Neal. Der Louisiana- und Swamp-Blueser zählt zur ersten Riege der Region, zu dessen Blues-Aushängeschildern natürlich auch Larry Garner gehört. Kenny Neal sorgte bereits mit seinem Debütalbum "Bio On The Bayou" (1987) für Aufsehen bei den Kritikern und auch folgende Veröffentlichungen zeigten kaum Schwachstellen. Besondere Erwähnung verdient Kenny Neals Platte "A Tribute To Slim Harpo And Raful Neal". Bei Raful Neal handelt es sich um Kenny Neals Vater. Der Protagonist arbeitete unter anderem zusammen mit Tab Benoit, Joe Louis Walker, James Cotton, Rufus Thomas oder Lazy Lester.
Die elf festlichen Songs auf "I'll Be Home For Christmas" sind eine ausgewogene Mischung von Eigenkompositionen, Klassikern und moderneren Liedern. Mit diesem standfesten, dreibeinigen Christbaumständer darf man sich zumindest von den Verpackungsinformationen her auf Blues der guten Sortierung freuen.
Wie zum Fest üblich, versammelt sich die Familie, legt die Geschenke unter den schön geschmückten Tannenbaum und singt die Klassiker der Jahreszeit. Mit Blick auf das Line-up hat der Protagonist auch, aber nicht nur entweder Geschwister oder seine Kinder im Studio versammelt, um dem Album einen familiären Touch zu geben. Die Neals haben für den Hörer die passenden Geschenke parat, um für gute Blues-Laune unter dem Christbaum zu sorgen. Syreeta Neal singt in vier Lieder, unter anderem das abschließende "Silent Night".
Okay, wer mit Weihnachten, aus welchen Gründen auch immer, nichts am Hut hat, ist "I'll Be Home For Christmas" so überflüssig wie Eiskratzer für Inuit.
Mit vorliegender Platte hat man eine schöne Advents- und Weihnachtszeit. Was man aus den Fremdkompositionen herausgepresst hat, ist bester Blues, bei dem man bei aromatischen Düften aus der Küche oder vom weihnachtlich-rotbäckigen Apfel kuschelig unter der flauschigen Decke liegen kann.
"I'll Be Home For Christmas" ist keine normale Weihnachts-CD, wenn die "Silver Bells" im Kerzenschein grooven und "Winter Wonderland" zum Piano-Sound lecker swingt. Wie ein roter Faden ziehen sich kleine Textänderungen durch das Nadelgrün der Songs. Hier wird nicht Parson Brown, sondern Clarence Brown, ebenfalls ein Musiker aus Louisiana erwähnt.
In "Merry Little Christmas" (auch "Have Yourself A Merry Little Christmas") wird Syreeta Neal nur von Joel Joseph am Piano begleitet. Klasse! Aber die Vocals sind meiner Meinung nach etwas zu süß. Dieses Duo kommt nochmals zum Zuge. Bei "O Come All Ye Faithfull" hat man wohl zu viel Ehrfurcht vor dem Original gehabt. Daraus hätte man mehr machen können. Mit dem von Kenny Neal geschriebenen Titelstück "I'll Be Home For Christmas" ist man aber wieder voll in der Blues-Schnee-Weihnachtsspur. Der Bandleader spielt neben der Gitarre auch Harp. Sehr schönes Lied, mit dessen atmosphärischem Schmelz das Messer quasi durchs Marzipanbrot gleitet. Klasse, dieser Song!
Von "Merry Christmas Baby" gibt es gleich zwei verschiedene Versionen, von denen die zweite die Christbaumspitze bildet. Da rockt es mit Kenny Neals hier ziemlich rauen Stimme und man liebäugelt mit Darnell Neals Basslinien. Die zweite Ausgabe, also erste Version ist dann eher gemächlicher, im balladesken Bereich angesiedelt und aus meiner Sicht die bessere Interpretation, denn besonders im instrumentalen Teil bringt man die Christbaumkugeln zum Blinken und Leuchten. Perfekt!
Bei "Silent Night" hält man sich nicht lange auf und schneidet den Weihnachtsbraten mit scharfer Klinge. Bei Groove und Glühwein wird mit dieser Version ein besonderes vierundzwanzigstes Türchen im Adventskalender geöffnet und schon sind besinnlich- wie thermisch-weihnachtliche Blues-Tage vorbei. Mit Kenny Neals "I'll Be Home For Christmas" macht sich der Blues-Fan ein schönes Geschenk oder man schenkt einem Blues-Fan diese Platte mit einem Küsschen unterm Mistelzweig. Frohe Weihnachten, Merry Christmas, Joyeux Noël.
Line-up:
Kenny Neal (vocals, guitar, harmonica)
Darnell Neal (bass, rhythm guitar)
Frederick Neal (piano, organ)
Syreeta Neal (vocals)
Kenny Neal Jr. (bass, drums)
Bryan Morris (drums)
Vestie Jackson (rhythm guitar)
Joel Joseph (keyboards)
Tracklist |
01:Christmas Comes But Once A Year (5:21)
02:Silver Bells (4:31)
03:Winter Wonderland (3:08)
04:Merry Little Christmas (2:51)
05:Please Come Home For Christmas (3:27)
06:I'll Be Home For Christmas (5:06)
07:Merry Christmas Baby #2 (3:46)
08:Lonesome Christmas (6:34)
09:Merry Christmas Baby #1 (6:05)
10:O Come All Ye Faithful (3:41)
11:Silent Night (3:37)
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