Nazareth / Loud'N'Proud
Loud'N'Proud Spielzeit: 51:09
Medium: CD
Label: Salvo Music (Soulfood), 2010 (1973)
Stil: Rock


Review vom 16.03.2010


Markus Kerren
Zu meiner großen Freude sind mittlerweile endlich auch die Alben des schottischen Urgesteins Nazareth an der Reihe, nach und nach hörbar remastert und mit Bonustracks angereichert wieder auf den Markt zu kommen. Und das war auch allerhöchste Zeit! Nicht nur, dass die Band dies absolut verdient hat, sondern auch, weil der Sound der ersten CD-Ausgaben ja nun wirklich nicht optimal war.
Die ersten Jahre im Business waren ziemlich hart für die Band. Das Quartett musste sehr schnell lernen, dass man auch in diesem Feld weit mehr benötigt, als 'lediglich' ein guter Musiker, Komponist und/oder Texter zu sein. Ohne die richtigen Leute am richtigen Ort zu haben, geht nämlich meistens nicht sehr viel. Nazareth hatte nach den ersten beiden ziemlich erfolglosen Alben ("Nazareth" von 1971 und "Exercises" von 1972) das große Glück, dass sich der Deep Purple-Bassist
Roger Glover an ihren Konzerten begeistern konnte und außerdem der Meinung war, dass der Band im Studio bisher einfach nicht der richtige Sound angerührt wurde. Er wollte Nazareth produzieren. Die erste Zusammenarbeit erschien in Form des Albums "Razamanaz" (1973) und war ein absoluter Überraschungserfolg.
Die Business-Maschine in Form von schlauchender Promotion und nicht enden wollenden Tourneen lief an und die Plattenfirma forderte schon sehr bald das nächste Album ein, um den aktuellen Erfolg auch geschäftlich voll auszunutzen. Bei dem ganzen Stress ist es umso erstaunlicher, was für eine Granate "Loud'N'Proud" dann dennoch geworden ist. Aufgrund des prallvollen Terminkalenders waren zwar nur fünf der acht Tracks Eigenkompositionen, aber die Band zeigte auch hier, was für ein feines Händchen für Coverversionen sie hatte. Aber der Reihe nach, denn das Album startet mit drei Eigenkompositionen.
Das prachtvolle "Go Down Fighting" macht den Anfang und umgehend bemerkt der Hörer den stark verbesserten Sound. Man kann jedes Instrument glasklar heraushören, allerdings fällt auch auf, dass Dan McCaffertys übermächtiges Organ (wohl schon bei der Originalaufnahme) in Form von Halleffekten deutlich gefiltert wurde. Dennoch kommt seine Stimme immer noch mit einer wahnsinnigen Kraft und Intensität aus den Boxen. "Not Faking It" steht dem harten Rock und der Eingängigkeit seines Vorgängers in nichts nach und verfügt darüber hinaus noch über einen hammermäßig eingängigen Refrain. Bei "Turn On Your Receiver" wird das Tempo etwas zurück genommen und die erneut sehr eingängige Midtempo-Nummer hätte sich bestens als zweite Single-Auskopplung geeignet.
Der erste Coversong ist der Band Little Feat gewidmet. Witzig ist, dass sich die Lowell George-Komposition "Teenage Nervous Breakdown" fast ein bisschen wie eine Annäherung an den damals so angesagten Glam Rock anhört. Dennoch unverkennbar auch hier der Groove des Gespanns Pete Agnew/Darrell Sweet, die relativ simpel gehaltene und trotzdem so effektive Gitarre von Manny Charlton und, man kann es nicht oft genug wiederholen, diese raue und dennoch vor Feeling nur so berstende Stimme von McCafferty. "Freewheeler" kann wie "…Breakdown" die Qualität der ersten drei Tracks der Scheibe nicht ganz halten, geht aber immer noch als cooler Rocker durch.
Bob Dylans "The Ballad Of Hollis Brown" steigert sich gar in einen psychedelischen Rausch und ist ganz sicher einer der ungewöhnlichsten Songs, den Nazareth jemals aufgenommen hat.
Ja, was will man zu "This Flight Tonight", dem Joni Mitchell-Cover, noch sagen, was nicht schon tausendfach vorgekaut wurde? Mir fällt dazu lediglich ein, dass ich einmal mehr feststellen musste, was für eine hammergeile Nummer das eigentlich ist. Was übrigens auch die Komponistin so sieht/sah, die in einem Interview sogar einmal (scherzhaft) abstritt, dass der Song von ihr ist und die Nummer offiziell zu einem Nazareth-Track erklärte. Ein tolles Kompliment aus berufenem Munde. Die 'rollende' Rhythmus-Abteilung und die den Sound bestimmende Gitarre bauen diese knisternde Spannung wie breite Atmosphäre auf, die sich dann im göttlichen Gesang entlädt und das Stück damals vollkommen zu Recht zu einem Riesenhit werden ließ. Mich haut diese Nummer nach wie vor um.
Und schließlich ist da noch mein Geheimtipp der Scheibe, "Child In The Sun", die so genannte Ballade. Freunde, ich kann machen was ich will (oder nicht will), dieses Teil verpasst mir bei jedem einzelnen Durchlauf eine Gänsehaut nach der anderen. Pete Agnew singt hier den ersten Vers zu der gezupften Elektrischen, bis sich ein starkes, kurzes Solo (geiler Gitarrensound!) reindrängelt. Und direkt anschließend gibt mir dann der Gesang McCaffertys den absoluten Rest. Diese Stimme, dieses Feeling, die Power, die Melodiosität… zum Sterben schön! In meiner ganz eigenen Rangfolge können die späteren (ohne Zweifel superstarken) Überhits "Love Hurts" und "Dream On" an der Geilheit dieses Tracks nicht mal kratzen.
Als Bonustracks gibt es schließlich noch vier Stücke, die für eine BBC-Radio-Session aufgenommen wurden. Einmal mehr "Turn On Your Receiver", dazu "Too Bad Too Sad", "Bad Bad Boy" und "Razamanaz" vom gleichnamigen Vorgänger-Album. Eine angenehme Ergänzung und die Band ist bestens eingespielt, wenn sich diese Versionen auch nicht allzu sehr von den Original-Studioaufnahmen unterscheiden.
Es gibt ganz bestimmt nicht wenige Rockfans, die "Loud'N'Proud" bereits im Schrank stehen haben. Ich kann diese neue Version, die im LP-Replika-Design mit schönem Booklet daherkommt, dennoch absolut empfehlen, da sie vom Sound her einfach wesentlich besser ist. Und besonders wenn man wie ich das Album schon länger nicht mehr angehört hat, dann eröffnet sich hier plötzlich wieder ein ganz neuer Kosmos und man begreift erst so richtig, warum man Nazareth eigentlich immer schon geil fand!
Zeitgleich mit "Loud'N'Proud" sind übrigens auch "Rampant" (1974) und "Hair Of The Dog" (1975) in überarbeiteter Form und neuem Gewand erschienen. Ein Fest für jene, die bereits Fans sind und die zarteste Versuchung für alle, die es noch werden wollen!
Line-up
Dan McCafferty (lead vocals)
Manni Charlton (guitars, background vocals)
Pete Agnew (bass, vocals)
Darrell Sweet (drums & percussion, background vocals)

mit:
Roger Glover (percussion - #5)
Tracklist
01:Go Down Fighting
02:Not Faking It
03:Turn On Your Receiver
04:Teenage Nervous Breakdown
05:Freewheeler
06:This Flight Tonight
07:Child In The Sun
08:The Ballad Of Hollis Brown
09:Turn On Your Receiver (BBC Session)
10:Too Bad Too Sad (BBC Session)
11:Razamanaz (BBC Session)
12:Bad Bad Boy (BBC Session)
Externe Links: