Da sich Finnland immer mehr zum Lieferanten für erstklassige Rockmusik entwickelt und die oberen Plätze der Verkaufscharts dominiert, war es nur eine Frage der Zeit, dass Negative, die derzeitigen Shootingstars, mit ihrem neuen Album Anorectic im Gepäck, bei uns Station machen.
Im gut besuchten Auditorium und mit deutlicher Schlagseite zugunsten der weiblichen Besucher wurde der Blick auf eine mit Zirkusdeko ausgestattete Bühne gelenkt, farblich passend zum Clownkonterfei ihres aktuellen Longplayers.
Negative, die auch eine optische Wohltat für die Sehnerven darstellen und damit schon in die Kategorie Rockstar eingruppiert werden können, starten mit "Glory Of The Shame" als Opener zu einem Salto Mortale der in Rock gepressten Melancholie und Dynamik. Larry Love an der Leadgitarre krallt sich die Saiten und verpackt sie in eine Starkstromladung aus purem Rock, begleitet von Sir Christus als Twin Guitar-Set. Jonne Aaron im schwarzen Outfit und Rock über der Hose (Erinnerungen an Gunners-Frontmann Axl Rose werden geweckt), dirigiert mit seiner Bühnenpräsenz die ihn umgebenden Mitmusiker.
"Bleeding" von ihrem Erstlingswerk "War Of Love" kommt übergangslos mit schnellem Intro und superb aufeinander eingestimmten Gitarren. Bassist Antti verarbeitet satte Basslinien, die im Zusammenspiel mit den Keyboardsounds von Snack, eine wohltuende Klanggranate entfalten. Jonne sorgt durch perfekt intonierte Gesangsbögen für das Klangkünstleräquivalent.
Schon jetzt herrscht der musikalische Ausnahmezustand. Frenetisch applaudierende Zuhörer verwandeln die Halle in ein Tollhaus. Mit der zartbitteren Halbballade "Swans" bringt der blonde Rockmatador weitere Sound-Juwelen zum Vorschein. Berührend, schmachtend, aber nie überzuckert, eingebettet in Gitarrenkaskaden und drumming a GoGo.
Jay an den Fellen, ein Arbeiter in der Höllenglut des Rock'n'Roll.
Jonne kommt bei "Reflections" langsam, mutiert dann aber zum definitiven Rock'n'Roll-Tier, flankiert von Larry, dessen Gitarreneruptionen teilweise von Slash inspiriert klingen, jedoch eigenständig und unprätentiös mit Herzblut gespielt. Die komplette Truppe ist in glänzender Spiellaune. Frontshouter Aaron kommuniziert mit dem Publikum und die Sidemen sind in ständiger Bewegung.
"Misty Morning" und "Naive" entfalten sich zu rhythmisch akzentuierten, modernen Rocksongs mit überzeugenden Gitarrenriffs. "Frozen" kommt mit unterkühlten Vokalparts, hypnotisch und gefühlvoll; zeigt das Potenzial und gleichzeitig die enorme Bandbreite dieser Truppe, mit Querverweisen auf diverse Stilelemente. Kraftvoll pendelt Jonne Aarons Stimme zwischen betörend und schwer, hin und her.
Nachdem die Vollgasfraktion von Anfang an in den Hochgeschwindigkeitsrausch versetzt wurde, war es an der Zeit die Hymne für die einsamen Herzen zu zünden. "Song For The Broken Hearted" mit sentimentalen Pianoklängen und einer Stimme, die emotional eindringlich und dann romantisch rauh sich in die Herzen der wartenden Fans schlich. Was ist ein Konzert ohne das geniale Neil Young-Cover "My My", das in dieser Version zu den absoluten Highlights gezählt werden kann. Kochend heiß serviert mit Gitarrenarbeit de Luxe und charismatischer Stimme verziert, definitiv nicht mehr zu toppen.
Mit "Lost Soul" kam der anfangs noch sehr stark vertretene Gothic-Einfluss ins Spiel. Midtempo Klänge trafen auf die dunklere Gesangslage des Stimmakrobaten.
Die Rockmaschine läuft auf Vollast. Die Band hämmert in bester Combat-Stellung Songgranaten wie "One Last Shot" und "Planet Of The Sun" aus ihren Instrumenten. Knallhart klingende Riffs im Duett mit der unglaublichen Rockröhre des finnischen Vorzeigevokalisten.
Ein Rockzirkus wie er besser nicht sein könnte. Als "L.A. Feeding Fire" los kracht, kennt die Menge keine Grenzen mehr, ein Energievulkan tobt über die Bühne, Gitarrensalven detonieren, die Stimmbänder werden bis an die Grenze ausgelastet , eine Performance der allerersten Garnitur, die Rockrakete hebt ab.
Refrains kommen als Echo vom Publikum zurück. Als der Single-Hit "Moment Of Our Love" ertönt, kann der Leadsänger nochmals die enorme Bandbreite seiner Stimme ausfahren. Mit "Embracing Past" endet der erste Teil des Sets, der anschließend mit den Zugaben "Until You're Mine" und "In My Heaven" sein Ende findet.
Negative haben die in sie gesetzten Erwartungen nicht nur erfüllt - sondern noch übertroffen.
Mit einem Konzert, intensiv, packend und euphorisierend, das gibt uns den Glauben in 'Rock and Roll will never die' wieder. Allein dafür gebührt den sympathischen Skandinaviern Dank und nach diesem gelungenen Stage Act bleibt nur noch ein Wunsch offen:
See you again in 2007.
Playlist
Glory Of The Shame
Swans
Bleeding
Reflections
Misty Morning
Naïve
Frozen To Lose It All
Song For The Broken Hearted
Hey Hey My My
Lost Soul
One Last Shot
Planet Of The Sun
LA Feeding Fire
Moment Of Our Love
Embracing Past
Zugabe:
Until Your're Mine
In My Heaven
Veröffentlichungen
War Of Love
Sweet & Deceitful
Anorectic
Bilder vom Konzert
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