Die langen Haare sind längst ab - aber die Nelson-Brüder rocken kein bisschen weniger als vor 20 Jahren! Oder sogar noch mehr ... ?!
1990 war "After The Rain" erschienen, eines der legendärsten Glam Metal-, Melodic Rock- oder was-auch-immer-Scheiben. Millionenfach wechselte das Teil den Besitzer, es gab eine Welttournee und bei MTV lief der US-Nummer-1-Hit "(Can't Live Wothout Your) Love And Affection" rauf und runter. An die Erfolge konnten die Nelsons nie wirklich anknüpfen - klar, denn Nelson wurden groß, just als der Melodic Rock klein wurde. Sie ließen sich aber nie unterkriegen. Schließlich gilt es auch, die Familientradition zu pflegen.
Opa Ozzie Nelson war schon erfolgreicher Big-Band-Leader, Papa Rick(y) Rock'n'Roll- und Country-Musikant und Teenie-Idol der 60er. Ihm zu Ehren spielten sie sogar eigens das Album "Like Father, Like Sons" ein. Auch schon wieder zehn Jahre her. 2010, akkurat zum 20-jährigen Jubiläum von "After The Rain", geben die Nelson-Zwillinge, mittlerweile Anfang 40, ein sensationelles Lebenszeichen in Form eines neuen Studioalbums ab.
Schon der Opener "Call Me" ist eine hochdosierte Glücksinjektion direkt in die Blutbahn. Singende Sologitarren sorgen für leidenschaftlich-verzerrte Gesichtszüge beim Luftgitarren-Zupfen, während bereits die Background-Vocals eine überwältigende, positive Stimmung verbreiten. Von dem hochemotionalen, immer nach oben zu streben scheinenden Leadgesang ganz zu schweigen. Matthew und Gunnar sind zwei so fantastische Sänger - wenn diese klaren Stimmen so richtig aufdrehen, allein, gedoppelt oder in Poser-rockig angehauchten, zügellos abgehenden Call-And-Response-Refrains ... es wird einem ganz heiß und kalt. Vorausgesetzt, man ist völlig vernarrt in die Seelen-streichelnde Stimmung von Bands wie Tyketto, House Of Lords, Cinderella, Giant ... und Nelson!
Der Name gehört in die Reihe. Und dass sie es so 'spät' nochmal schaffen, ihre Klasse zu unterstreichen und ihren Namen in die Analen des Melodic Rocks einzubrennen, verdient allergrößten Respekt. Wenn die beiden Jungs die Kehle ölen und dieser Doppelgesang im Chorus rauskommt, dann bekommt man Gänsehaut, und zwar mitten im Gesicht. Nelson stehen hier auf einem Level mit Gruppen wie den Damn Yankees. Und ganz da oben ist viel Platz. Auch für Weltklasse-Melodien, die im nächsten Takt immer genau das tun, was man sich so sehr von ihnen wünschen würde, aber es selbst noch gar nicht weiß, bis es schon passiert ist. Höher, klarer, kraftvoller! Diese Songs erzeugen Energie. Und diese Energie ist regenerativ - per Play-Taste zu erneuern und endlos zu vervielfachen.
Hatte eigentlich außer mir noch jemand Angst vor Schnulzen? "Lightning Strikes Twice" ist hier ein Angst-Killer vor dem Herrn. Nach "Call Me", das früher genau so ein Hit geworden wäre wie "(Can't Live Without Your) Love And Affection" - da leg ich mich fest! - folgt mit "Day By Day" ein lupenreiner Hard Rocker. Heulende Sologitarren über kugelrunden Hard Rock-Riffs und Freudenschreie, bevor der Lead Gesang einsetzt - auf der Platte, wohlgemerkt ... nicht nur im Wohnzimmer, wo der Hörer sich mit der Luftgitarre am Anschlag über das Parkett hüpft. Übertreibungen? Tatsachenberichte! Spätestens bei der Cow Bell im Chorus ist es vorbei mit Stillsitzen!
Nach diesen vier Minuten Volldampf legen die Nelsons nochmal nach, noch dynamischer! "Ready Willing And Able" ist Rock'n'Roll pur! Es kommt einem vor, als ob sie alles ausleben würden, was sie früher nicht durften - damals, als Nelson ihr zweites Album aufnahmen und das Label es nicht veröffentlichte, weil es 'zu hart' war. Tatsache. Hier zelebrieren die Jungs glücklich machende Trotzreaktionen. In Richtung aller Major Labels dieser Welt, und in Richtung all jener, die einer waschechten Melodic Rock-Band vorschreiben wollen, wie sie zu klingen hat. Egal ob damals oder heute.
Melodisch und trotzdem hart & heavy - Mr. Big lassen grüßen; klangliche Vergleiche sind stellenweise angebracht. Trotzdem haben Nelson mit "To Get Back To You" zu allem 'Überfluss' auch noch eine der schönsten Rockballaden geschrieben, die ich seit langem gehört habe. Melancholisches Klavier, elegische Streicherklänge, Herz-zerreißende Vocals zu magischen Harmonien, und dazu Steve Lukather als Solo-Gitarrist ... dieser Song steht Genre-Klassikern wie "High Enough" ( Damn Yankees), "When I See You Smile" ( Bad English), "Miles Away" ( Winger) oder "I Remember You" ( Skid Row) in nichts nach.
Beim Einverleiben von "Lightning Strikes Twice" kramt man lange Zeit unbenutzte Superlative aus dem Hinterstübchen. Und "After The Rain" aus dem Plattenschrank, um festzustellen, dass die Neue keinen Deut schwächer ist. Sie wird sich nicht so gut verkaufen, das ist leider schon vorher klar. Denn die Radiostationen werden auch weiter die ganze Zeit nur Bon Jovi dudeln statt auch mal einem unbändigen Treiber wie "When You're Gone" oder eine leidenschaftlich kribbelnde, supersehnsüchtig-intensive Gitarren-Power-Dreivierteltakt-Ballade wie "Take Me There". Wer einen größeren Horizont hat oder haben will, hört und liebt die neue Nelson.
Line-up:
Gunnar Nelson (lead vocals, guitar)
Matthew Nelson (lead vocals, bass)
With:
Gary Corbett (piano, keyboard)
Brian Burwell (drums)
David Morgan (paino, background vocals)
Steve Lukather (guest guitar - #6)
Tracklist |
01:Call Me (4:14)
02:Day By Day (4:09)
03:Ready Willing And Able (4:10)
04:How Can I Miss You? (4:58)
05:You're All I Need Tonight (4:07)
06:To Get Back To You (5:51)
07:When You're Gone (5:33)
08:Take Me There (4:40)
09:Come (3:32)
10:In It For The Money (4:29)
11:Change A Thing (3:40)
12:Kickin My Heart Around (4:38)
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Externe Links:
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