Eine Progressive Metal-Band verdient sich ihre Anerkennung vor allem dann, wenn sie es schafft, ein markantes individuelles Markenzeichen zu etablieren. Oder zumindest, wenn sie irgendetwas, was nicht alle können, sehr gut tut. Auffällig: Neverdream aus Italien haben einen Saxofonisten im Line-up. Da dies ziemlich speziell, aber auch leider nicht mehr so ganz einzigartig ist, hat man sich offenbar entschlossen, auch sonst noch ziemlich gut zu sein. So präsentieren die Römer auf ihrem dritten Studioalbum eine gute Stunde modernen, druckvollen und atmosphärischen Prog Metal, der nicht selten an edle Vorbilder wie Pain Of Salvation erinnert.
"Said" ist ein Album, dessen vielschichtigen, überwiegend dunkel geprägten und nachdenklichen Stimmungen mit der tiefgängige Thematik der Texte einhergehen. Es handelt sich um ein Konzeptwerk, das sich ausschnitthaft mit dem Schicksal Afrikas beschäftigt. Die einzelnen Stücke greifen historische sowie zeitlose Ungerechtigkeiten auf oder konzentrieren sich auf symbolträchtige Biografien. So geht es um den Bürgerkrieg im Kongo, um die Kolonialisierung im 19. Jahrhundert, Deportation und Sklaverei früher und die Ignoranz der Industrieländer heute, um die Tragödie der Kindersoldaten und um die Schicksale und Lebensleistungen Muhammad Alis und Nelson Mandelas.
Die musikalische Umsetzung ist Prog Metal für Wiederholungshörer, eine Platte mit tiefgründigen Songstrukturen - ein 'normaler' Song der Marke Neverdream braucht schon so seine acht Minuten, um all seine Verästelungen auszubreiten. Was nicht heißen soll, dass die Band in ihrer 'Verkopftheit' all zu genussfeindlich daherkommen würde. Neverdream können durchaus auch 'in-your-face'. Zu bewundern bei den Schwerkraft verstärkenden Mid-Tempo-Nackenbrecherriffs in "Kinshasa" und "Voodoo". Die Entwicklung dahin kann sich aber schon mal eine Weile hinziehen - Minuten, in denen die Band rhythmisch komplex und technisch treffsicher Wohlbefinden in Kopf und Bauch generiert.
Die instrumental vertrackte Finesse erinnert ebenso an Dream Theater wie die einfach dazu gehörenden Bremsvorgänge in atmosphärisch betontere Gefilde. Wilde Frickeleien, bedrohliche und zugleich technisch begnadete Up Tempo-Tiefton-Riffereien gehören ebenso zum Klangbild der Band wie psychedelisch introvertiertes In-sich-Kehren, das an hypnotische Momente bei Bands wie Opeth oder Porcupine Tree erinnert. Die Wechsel kommen abrupt auf den Hörer zu, und doch sind die Elemente des meist unruhig-melancholisch angehauchten Musik-Mosaiks feinsinnig miteinander verwoben.
Einen Höhepunkt stellt sicherlich "Amistad" dar, das aus all diesen akustischen Schattierungen einen mitreißenden Gefühls-Cocktail mixt und mehr als drei kurzweilige bis hypnotisierende Minuten lang auf einen traumhaft schönen, atmosphärischen Refrain hinarbeitet. Der allein rechtfertigt schon fast den Kauf des ganzen Albums und entschädigt auch für ein paar Längen hier und da in ein paar anderen Stücken, wobei allerdings jedes einzelne Momente hervorbringt, die im Ohr bleiben. Diese Momente können auch schon mal ruhige sein, wie der melancholische Refrain von "God's Mistake", und zu jenen Momenten zählen ganz sicher auch die Saxofon-Soli. Diese Klänge erinnern unweigerlich an "Promised Land" von Queensrÿche, wo Geoff Tate zum Saxofon greift - auf "Said" natürlich ausgedehnter und technisch aufwändiger; aber dank ähnlich gelagerter, eindringlich spannungsgeladener und düsterer Atmosphären durchaus miteinander vergleichbar.
Ganz und gar nicht ins Ohr gehen will der durchweg episch aufgebaute Schluss-Viertelstünder "The Long Walk To Freedom". Aber das sei der Band auch zugestanden - ganz am Ende goldrichtig parkt man hier noch mal ein sperriges Stück Prog-Feinkost, in das man sich über zahlreiche Hördurchläufe genüsslich reinarbeiten kann. Aber auch sonst ist "Said" ein Album mit Langzeitwirkung - eine dieser Platten, die 'wachsen' - und verdient 8 von 10 RockTimes-Uhren.
Line-up:
Giorgio Massimi (vocals)
Giuseppe Marinelli (guitar)
Mauro Neri (keyboard)
Federico Criscimanni (bass)
Fabrizio Dottori (sax, programming)
Gabriele Palmieri (drums, backing vocals)
Tracklist |
01:Kinshasa (8:16)
02:God's Mistake (7:37)
03:Secrets (8:03)
04:Black Mirror (8:41)
05:Voodoo (9:18)
06:Amistad (7:35)
07:The Long Walk To Freedom (15:33)
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