Nightwish / Dark Passion Play
Dark Passion Play Spielzeit: 75:45
Medium: CD + Bonus-CD
Label: Nuclear Blast, 2007
Stil: Symphonic Metal, Power Metal, Gothic Metal

Review vom 08.02.2008


Boris Theobald
Es ist, als ob man gerade einen spektakulären Fantasy-Film gesehen hätte. Nein, eigentlich fühlt man sich, als ob man ihn wirklich erlebt hätte, nach 75 Minuten "Dark Passion Play". Schon der Vorgänger "Once" setzte 2004 Maßstäbe. Unglaublich, aber wahr: 2007 klingen die Finnen noch gigantischer, epischer und dramatischer. Der Orchesteranteil ist nochmals erhöht worden und verschmilzt mit Heavy Metal zu Nightwish. Prachtvolle Streicher-Klangteppiche, monumentale Blechbläser und zauberhafte Harfenklänge - alles ist (natürlich) echt, eingespielt von einem 78-köpfigen Orchester. Dazu kommen Ehrfurcht erregende Akzente im "Carmina Burana"-Stil des 42 Stimmen starken Opernchores und die Backup Vocals eines 12-stimmigen Gospelchores. Gegenüber dem Vorgängeralbum hat man die Zahl der Mitwirkenden damit nochmals aufgestockt - und das hört man eindrucksvoll.
Bandchef Tuomas Holopainen wird als Keyboarder im Studio (fast) nur noch für Klavier und mysteriös klingende Effekte gebraucht. Eine der wenigen typischen Keyboard-Hooklines bestimmt noch das Instrumentalstück "Last Of The Wilds". Sein wichtigster Input ist das geniale Songwriting. Es will einfach keine Langeweile aufkommen, nicht einmal bei den einfühlsam zart startenden Balladen "Eva" und "Meadows Of Heaven", die schließlich zum Ende hin noch gewaltig an wehmütiger Power zulegen. Auch "For The Heart I Once Had" wirkt anfangs balladesk. Zwischen Strophe und Refrain liegen aber ganze Welten. Völlig unerwartete lyrische Breaks und plötzliche monumentale Ausbrüche fesseln beim Zuhören und beflügeln die Fantasie. Es ist, als folge man einem Flusslauf durch idyllische Auen und Furcht einflößende, zerklüftete Felslandschaften.
Für die Band bislang ungewohnt ist ein Longtrack wie "The Poet And The Pedulum", der gleich als erstes Stück auf "Dark Passion Play" mächtig Eindruck hinterlässt. Von geheimnisvoll anmutenden Kopfstimmen-Passagen und Flüster-Breaks über breitwandigen, hochdramatischen Orchesterbombast bis hin zu druckvollem Speed Metal und nicht zuletzt wunderschönen Gesangsmelodien, bietet der 14-Minüter in einer großartigen Dynamik voller Wechsel all das in XXL, was die anderen Stücke auf kleinem Raum vereinen. Einen super Einstand feiert dabei Sängerin Anette Olzon, die den Platz der eigentlich als unersetzbar eingeschätzten Tarja Turunen einnimmt. Der Gesang ist nun weniger opernhaft, 'normaler'. Olzon klingt aber überraschend und erfrischend individuell - das ist kein 08/15-Gesang!
Sie hat viele starke Auftritte und besticht mit toller Technik in ruhigen Breaks und kommt gleichzeitig auch gegen die Kraft des Orchesters an. Beim schleppenden, düsteren Mid-Tempo-Track "Shara" überzeugt sie mit schwierigen orientalischen Stimm-Spielereien. Herausragend ist auch "Amaranth", dessen majestätisch schöne Chorusmelodie durch gedoppelte Vocals in überirdische Sphären gehoben wird. Wie gewohnt, haben Nightwish mit Basser Marco Hietala eine weitere Stimme, die exzellent als Kontrast eingesetzt wird, wenn es 'böse' klingen soll. Mal übernimmt er nur den Chorus ("Bye Bye Beautiful"), mal shoutet er nur die Strophe ("Master Passion Greed"), dann überrascht er mit ruhigem Leadgesang beim Mittelalter- und Folk-angehauchten "The Islander". Und den Chorus von "7 Days To The Wolves" singen er und Olzon im prachtvollen, klanggewaltigen Duett.
Ein tolles Extra ist schließlich die Bonus-CD, die das gesamte Album in der Instrumentalfassung enthält. Und die kann sich hören lassen - ein detailliertes und pompöses Orchesterwerk, bei dem hervorstechende Riffs, Grooves und Doublebass keine Fremdkörper sind. "Dark Passion Play" ist ein Album der Superlative, ganz großes Kino für die Ohren, ein Referenzwerk für orchestralen Bombast Metal, bei dem kein Millimeter an Klangraum ungenutzt bleibt. Der Wechsel am Mikrofon ist zwar ein großer Schnitt, doch erstens ist Anette Olzon eine sympathische neue Stimme für Nightwish und zweitens zeigt sich, dass die wichtigsten Trademarks der Band - für manche überraschend - eben NICHT mit Tarja Turunen von Bord gingen. Nein, sie wurden sogar ausgebaut.
Nightwish zeigen sich als unverwüstliche Festung.
Line-up:
Anette Olzon (vocals)
Emppu Vuorinen (guitar)
Marco Hietala (bass, vocals)
Jukka 'Julius' Nevalainen (drums)
Tuomas Holopainen (keyboards)
Tracklist
01:The Poet And The Pendulum
02:Bye Bye Beautiful
03:Amaranth
04:Cadence Of Her Last Breath
05:Master Passion Greed
06:Eva
07:Sahara
08:Whoever Brings The Night
09:For The Heart I Once Had
10:The Islander
11:Last Of The Wilds
12:7 Days To The Wolves
13:Meadows Of Heaven
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