Dass sich alle Dinge des Lebens im Laufe der Zeit verändern und sich mehr oder weniger weiterentwickeln ist ja jedermann bekannt, und nicht umsonst haben sich berühmte Personen wie Bob Dylan auch schon songmäßig mit diesem Thema beschäftigt und ihre Gedanken dazu der Nachwelt erhalten. In den meisten Fällen nimmt man diese Dinge ganz einfach so hin, ohne sich darüber großartig Gedanken zu machen. Das ist eben mal so und einfach nicht zu ändern! Nur wenn Gegenwart und Vergangenheit unmittelbar aufeinander prallen, kann man schon mal ins Grübeln kommen.
So geschehen am heutigen Freitagabend beim Konzert von Nine Below Zero in der Bluesgarage. Circa 90 Minuten vor Beginn der Veranstaltung erreichte ich den Ort des Geschehens und sah...-...nichts. Gähnende Leere auf der Bühne. Keine Amps, Monitore, Mikros und Instrumente. Auch vom Schlagzeug keine Spur. Sofort kamen mir die endlosen Aufbauarbeiten und stundenlangen Soundchecks der siebziger Jahre in den Sinn, und in meinen Ohren hallte das monotone und nicht enden wollende 'One-Two, One-Two, One-Two', gefolgt von dem hundertfachen Anschlagen jedes einzelnen Schlagzeugteiles, um den perfekten Sound hinzubekommen. Das konnte zeitlich aber ganz schön knapp werden.
Doch nun war ich mal von Anfang an dabei und konnte mitverfolgen, wie alle diese Abläufe im 21. Jahrhundert erledigt werden. Binnen weniger Minuten stand das gesamte Equipment, und der ganze Soundcheck war innerhalb von einer Viertelstunde gegessen und absolut perfekt. Die jüngeren Leute wissen gar nicht, wie gut sie es heute haben, dass diese ganze Nerverei vor einem Konzert nicht mehr vorhanden ist.
Doch nun zum Gig selbst. Um 21.20 Uhr begann der zweiteilige 'geile Nachmittag' mit Nine Below Zero. Für mich wieder eine Premiere in meinem Konzertleben, denn obwohl die Band schon weit über zwanzig Jahre existiert, bot sich bisher noch keine Gelegenheit, sie live zu erleben. Natürlich war ich besonders gespannt auf Gerry McAvoy (bass, vocals) und Brendan O'Neil (drums), die ja über Jahre hinaus die Rhythmussektion von Rory Gallagher bildeten. Und sie spielten wie aus einem Guss. In seiner bekannten Art powerte McAvoy seine Läufe aus den Boxen und war in der Bühnenmitte ständig in Bewegung, wobei er sein intensives Spiel durch eine wildverzerrte Mimik unterstrich.
Stoisch ruhig, fast in bester Charlie Watts-Manier, werkelte O'Neil an seiner Schießbude, wirkte fast teilnahmslos und verbreitete trotzdem eine unglaubliche Energie. Kahl rasiert, mit Sonnenbrille und im schwarzen Anzug, also ganz der 'Blues Brother', spielte Mark Feltham das Mississippi-Saxophon. Dabei raubte er den Zuhörern durch seine enorme Geschwindigkeit schier den Atem, bewies aber bei den schweren Bluesklängen auch genau das richtige Timing. Ein wahrer Meister seines Fachs und zudem noch mit einer sehr guten Stimme ausgestattet, was er mehr als einmal unter Beweis stellte. Komplettiert wurde Nine Below Zero durch den inzwischen 'erblondeten' Dennis Greaves an der Gitarre. Zuhause in allen musikalischen Bereichen, rackerte er sich ab, egal ob er die Solistenparts übernahm, oder die Band nur leise begleitete. Er beherrschte alle Stilrichtungen ganz nach Belieben.
Der Band schien das Konzert viel Spaß zu machen, und so sprang der Funke schnell auf die Zuhörer über, die die Musiker immer wieder anfeuerten und auch nicht mit Zwischenapplaus geizten. So kam es immer wieder zu freundlichen Zwiegesprächen zwischen den Musikern und den Leuten vor der Bühne. Irgendwie lag eine Vertrautheit in der Luft, obwohl Nine Below Zero vor sechs Jahren zuletzt in Isernhagen aufliefen. Keine Spur von Distanz zwischen Künstlern und Fans. Die Engländer sind eben ein sehr höfliches Volk!
Musikalisch bot die Band ein sehr vielseitiges Set. Rock'n'Roll, Sixties-Beat, Blues und Boogie, alles war vertreten. Dabei standen Songs der beiden Alben "Headstuff" und "On The Road Again" im Vordergrund. Schon gleich der Opener "Guitar Man" zeigte auf, wo es bei diesem Set langgehen sollte, nämlich direkt in die Beine. Zugleich gab es das erste Solo an der Leadgitarre, dem noch viele andere folgen sollten.
Eine besondere Stärke von Nine Below Zero war und ist immer noch die hervorragende Interpretation von Coversongs, die von der Band nach wie vor fantastisch umgesetzt wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob Chuck Berry ("Movin'"), Jimmy Rodgers ("Walking By Myself") oder Muddy Waters ("I Got My Mojo Working") die Urheber waren. Allen Titeln drückten Nine Below Zero ihren ganz eigenen Stempel auf. Selbst Soul-Brother Ray Charles wurde entsprechend gewürdigt, wenngleich wesentlich rockiger als im Original.
Natürlich durften intensive und lang ausgedehnte Soloeinlagen von Mark Feltham und Gerry McAvoy nicht fehlen. Dabei verlieh der Harmonika-Mann diesem Teil des Auftritts mit seinem "Amazing Grace" fast einen folkloristischen Touch. Etwas ungewöhnlich aber durchaus hörenswert. Tieftöner- Gerry legte die volle Energie in seinen Alleingang und ließ die ganze Bluesgarage minutenlang in ihren Grundmauern erbeben. Sofort fielen mir dabei wieder die 'alten Zeiten' ein, in denen Bands wie Mountain und Steamhammer für solche Ausflüge an der Bassgitarre bekannt waren. Apropos Steamhammer: "Riding On The L & N" war auch im Programm und rockte durch den Saal, konnte aber mit dem Original nicht mithalten. Aber dieses Schicksal teilt der Song mit allen anderen Coverversionen. Nie wurde die Klasse des Originals erreicht!
Für mich am Stärksten waren jedoch die reinen Bluesstücke. "Heart Going Up, Heart Coming Down" oder auch B.B. Kings "Last Night I Lost The Best Friend" stellten alles andere in den Schatten und ließen Nine Below Zero förmlich explodieren. Diese Männer haben eben auch den Blues im Leib. Gott sei Dank!
Der Zugabenteil begann dann mit dem etwas überflüssigen "Wooly Bully". Aber gut, dieses Tribute an Sam The Sham & The Pharaos bot sich natürlich an, um das Publikum zum Mitsingen und -tanzen zu bewegen. Und dann kam er doch noch! Der Überflieger-Song. Fast hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben, doch nach den ersten drei Tönen verfiel ich fast in einen tranceartigen Zustand. "On The Road Again" beherrschte die letzten zehn Minuten dieses Konzertes. Und wie! Alan 'Blind Owl' Wilson hätte seine helle Freude an dieser Version gehabt. Wie magisch pulsierte dieser hypnotische Bass durch den Raum, sich immer und immer wiederholend. Darüber legte sich die Mundharmonika von Mark Feltham, und selbst der Gesang ähnelte dem Original von Canned Heat mit seiner hohen Stimme.
Völlig geschafft und noch immer unter dem Eindruck dieser letzten Zugabe verließ ich die Bluesgarage mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht.
Mein besonderer Dank für diesen Abend geht heute an Ramona vom
Bluesgaragen-Team und an das Konzertbüro Andy Lösche für die freundliche Unterstützung.
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