North Atlantic Oscillation / Grappling Hooks
Grappling Hooks Spielzeit: 49:21
Medium: CD
Label: Kscope Music, 2010
Stil: Rock

Review vom 09.03.2010


Joachim 'Joe' Brookes
Die North Atlantic Oscillation ist ein Klimaphänomen zwischen isländischen Tiefs und einem Hochdruckgebiet bei den Azoren.
Diese Situation beeinflusst deutlich die Wetterlage über dem Nordatlantik und bei westlichen Strömungsverhältnissen auch das europäische Wetter.
North Atlantic Oscillation (NAO) ist einen relativ neue Band, die ihr Basiscamp in Schottland hat.
Musikalisch nicht unbeleckt, trafen Ben Martin sowie Sam Healy aufeinander und mit vielen musikalischen Gemeinsamkeiten gründete man ein Duo. Sam und Ben verbrachten mächtig viel Zeit im Proberaum.
Dann trat man mit Konzerten an die Öffentlichkeit und spielte zusammen mit Gruppen wie Stardeath, Everything Everything oder Explosions In The Sky.
Der Bandname soll ein Hinweis auf die Musik der mittlerweile zum Trio aufgestockten Gruppe sein. NAO steht für warm/kalt, rau/sanft sowie andere denkbare Kontraste.
Wie sich der Dreier mit dem Bassisten Bill Walsh anhört, kann durch das Debütalbum "Grappling Hooks" in Erfahrung gebracht werden.
Elf 'Enterhaken' werden dem Hörer angeboten, um Freund mit der britischen Band zu werden. NAO ist alternativ poppig, macht auf Hardcore Rock (The Flaming Lips) und zeigt der experimentellen Musik nicht die kalte Schulter.
Der Sortierer hat da so seine Schwierigkeiten und vielleicht wollen es die drei Musiker ganz schlicht, wenn man liest, dass sie einfach nur Musik machen.
Das Trio ist beim Label Kscope Music mit Steven Wilson, Anathema und The Pineapple Thief in bester Gesellschaft.
Um die Gitarre, den Bass und das Schlagzeug baut die Band einen mehr oder minder hohen Berg an Sounds auf. Die werden durch Synthesizer, Keyboards und allerlei Programming erzeugt.
Die in sich schlüssigen Songs auf dem Album sind ausgereifte Früchte der Arbeit im Studio und pendeln zwischen gut sortiertem Bombast und intimen Perlen der Marke XTC. Letzteres findet sich in dem langen Stück "Ritual". Es ist eine Sonaten-affine Ballade der verträumten Art mit verschleiertem Gesang und vordergründiger Pianobegleitung. Minimalistisch beginnend, nimmt zur Hälfte der Spielzeit das Schlagzeug seine Arbeit auf. Bevor es dann durch die Gitarren heftiger wird, findet man sich im Eingangsthema wieder. Am Ende ist der Gesang hymnisch und der Schlusspunkt wird sehr abrupt gesetzt.
Melodien von Ohrwurmcharakter werden sowohl mit beruhigenden wie auch aufwühlenden, zum Teil psychedelischen Momenten in Kombination gebracht. Mal stehen die Synthesizersounds vorne, dann bekommen wieder die Gitarren den Zuschlag. NAO spielt wie ein aufschäumendes Meer und im nächsten Schritt folgt Gemächlichkeit.
Die künstlich erzeugten Klänge regen die Phantasie an. In "Audioplastic" gibt man einem dumpfen Bass Xylofonsounds zum Nachbarn und die vertrackten Drums werden von einem verfremdeten Saxofon begleitet. Zum Schluss vermengt sich alles in einer kurzen, aber geordneten Konfusion. Wohl gemerkt, hier handelt es sich um nur einen Song.
Die Band will ja Kontraste.
Nach Aufregung folgt Beruhigung. "Ceiling Poem" wäre ein rezeptfreier Tranquilizer. Allerdings findet der Hörer kaum einen durchgängig kompakten Track mit einer Thematik. So ist es eben auch mit dieser Nummer. Die balladesken Chiffontücher werden oft von bedrohlichem Hardcore Rock wie wild durcheinander gewürfelt. Solche Anmerkungen sollen allerdings bitte nicht als negative Kritik ausgelegt werden.
Der Gesang wird häufig als Klangelement instrumentalisiert. Da versteht der Hörer nicht so sehr, worum es North Atlantic Oscillation in ihren Texten geht. Interessieren würde es einen schon, was die Quintessenz des Tracks "Alexanderplatz" ist.
Erst den Hörer einlullen und dann dem Song mit einem Ruck die Tapete heruntergerissen.
Zum Vorschein kommt das raue, durch nichts zusammengehaltene Innenleben von scheinbar blank liegenden Nervensträngen... so etwas geht in fünf Minuten ab und heißt "77 Hours". Im Untergrund treibt ein Bass den Groove durch die Kammer der verzerrt kalten Gitarrenriffs und nach einem infernalischen Intermezzo geht es von vorne los. Immer wieder werden süße Piano- sowie Keyboardklänge eingeworfen und abermals wird das Stück "Star Chamber" abgebrochen.
North Atlantic Oscillation macht keine gewöhnliche Musik.
Das Trio fordert den Hörer. Die Briten gehen einen Weg, der sich wohlwollend von vielen anderen Gruppen abhebt. Im Sinne der Namensgebung serviert man ein in sich stimmiges Musikkonzept.
Was mag da wohl bei der konzertanten Umsetzung passieren?
Line-up:
Sam Healy (vocals, guitar, keyboards, synthesizer, saxophone, percussion)
Ben Martin (drums, percussion, programming)
Bill Walsh (bass, synthesizer bass, vocals)
Tracklist
01:Marrow (2:07)
02:Hollywood Has Ended (4:58)
03:Cell Count (4:59)
04:Some Blue Hive (4:54)
05:Audioplastic (4:26)
06:Ceiling Poem (4:12)
07:Alexanderplatz (3:40)
08:77 Hours (5:11)
09:Star Chamber (3:14)
10:Drawing Maps From Memory (3:48)
11:Ritual (7:11)
12:Untitled [Hidden Track] (0:44)
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