"Ana!" - So ist das aktuelle Live-CD/DVD-Paket von Ana Popovic nicht ohne Selbstvertrauen betitelt. Nach meinen Erfahrungen auf der Ruf-Blues-Caravan-Tour Anfang des Jahres auch keineswegs zu Unrecht. Die Sängerin, Gitarristin und Songwriterin aus Ex-Jugoslawien mit derzeitigem Wohnsitz in den Niederlanden bewies dort schon eindrucksvoll, dass sie als Künstlerin und Interpretin gereift ist und nunmehr über eine beachtliche Bühnenpräsenz verfügt. Eben jener, in Verbindung mit einer äußeren Erscheinung, die nicht unbedingt als unattraktiv zu bezeichnen ist, und einer relativ großen musikalischen Bandbreite dürfte es zu verdanken sein, dass sich am 19.11. im Bremer Meisenfrei die (männlichen!) Massen drängelten, wie ich es bis dato noch nie erlebt hatte.
Der Club ist an diesem Abend proppevoll und ich muss unwillkürlich an einen Ausspruch meiner Redaktionskollegin denken, die sich vor kurzem einfach nur wunderte: "Wat finden die nur alle an dieser Hühnerbrust?"*gg*
Es dauert nach dem Beginn des Konzerts nicht lange und auch meine Begleiterin wundert sich konsequenterweise ob der vielen von männlichen Konzertbesuchern geäußerten Vorschusslorbeeren: "Na, so toll sieht die nun auch wieder nicht aus."
Das nenne ich wahre weibliche Solidarität im Geiste und drückt doch nur einen Teil der gespaltenen Meinung bezüglich Ana Popovics aus. Denn auch ihre Musik an sich blieb und bleibt nicht ohne kontroverse Diskussion, das haben die vergangenen Jahre seit ihrem vielbeachteten Debüt "Hush" von 2001 deutlich gezeigt. Genauso wie (Generations-)KollegInnen wie beispielsweise Aynsley Lister, Joe Bonamassa, Sue Foley, Susan Tedeschi, Colin James oder Bernard Allison sitzt sie zwischen allen Stühlen, ist für die einen nicht bluesig und/oder authentisch genug, für die anderen lässt sie den straighten Rock vermissen und alle sind ob ihrer jazzigen, souligen und funkigen Einflüsse etwas irritiert.
Wer sich nun aber diesem schubladisierten Denken entzieht, kann mit Frau Popovic durchaus seine, musikalisch gesehen, helle Freude haben.
Das beweist auch dieser Abend vor gutgelauntem Publikum, wo wohl einige Frauen nur deswegen mitgekommen sind, um 'ihre' Männer im Zaum zu halten, so jedenfalls gestaltet sich mein Eindruck. Vielleicht habe ich ja aber auch nur Vorurteile im Kopf, denn warum sollten die Leute unabhängig von ihrem Geschlecht nicht einfach nur wegen der Musik und der dazugehörigen Musikerin gekommen sein?
Und das völlig zu Recht, denn Ana Popovic und ihre beiden niederländischen Mitstreiter Fabrice Ach (bass & backvoc.) und Denis Palatin (drums) entfachen immerhin einen sehr schmackhaften Cocktail aus Blues/Rock/Jazz/Funk/Soul, wirken dabei als Trio perfekt eingespielt und erweisen sich dabei an ihren Instrumenten als absolute Vollprofis. Unbestreitbar steht dabei Ana Popovic im Vordergrund, die irgendwie, ich kann es nicht anders beschreiben, ausgesprochen sexy mit ihren Fender-Strats umgeht. Vielleicht liegt es daran, dass diese vergleichsweise zierliche und immer noch 'jungmädchenhaft' wirkende Künstlerin unerwartet hart in die Saiten greifen kann und dabei eine eher vom Jazz stammende Finesse an den Tag legt, wie sie nicht all zu häufig vorzufinden ist. Zusätzlich schlängelt sie ihren nicht wirklich völlig verdeckten Körper grazil um das Instrument, was physiognomisch gar nicht möglich ist und doch wirkt es genau so!
Und nicht zuletzt verfügt sie über eine überraschend dunkel gefärbte Stimme, die inzwischen sehr kraftvoll zum Einsatz kommt, ohne dass aus ihr eine große Sängerin geworden wäre. Aber Frau Popovic setzt mittlerweile ihr Organ charismatisch und mit Wiedererkennungswert ein, das wiegt gesangstechnische Defizite locker auf.
Zusätzliches Feuer bringt sie ins Spiel, wenn das Röhrchen über den Finger gestreift und wie der Teufel geslidet wird. Fabrice und Denis puschen das Ganze noch weiter hoch und schwups - die Hütte brennt!
Das Programm setzt sich größtenteils aus der Eingangs erwähnten Live-CD/DVD zusammen. Neues Material ist in Arbeit und dürfte im Frühjahr 2006 das Licht der Welt erblicken.
Insgesamt gesehen ein wunderbarer und hin- wie mitreißender Abend. Einziges Manko ist für mich das Fehlen jeglicher Tasteninstrumente, die ansonsten Ana Popovics Sound um einige interessante Facetten bereichern. Allerdings verdichtet sich dieser dadurch auch und kommt im Vergleich mit den bisherigen Live-Dokumenten um einiges rockiger rüber.
Das ist dann letztlich, wie eigentlich immer, eine Geschmacksfrage.
Ich persönlich freue mich jedenfalls schon auf neue Taten der scharfen 'Hühnerbrust'.
Bilder vom Konzert
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