Wir schreiben das Jahr 1977 - als eine Band mit ihrem verrücktem Outfit erstmals in der Heavy-Szene gesichtet wurde. Zitat: "Sie sahen wie tuntige Kannibalen einer Comic-Strip-Parodie aus und wollten mit ihrem monströsen Aussehen schocken und provozieren". Die Rede ist von Twisted Sister, die mit einer Sound-Mischung aus New York Dolls, Judas Priest und AC/DC sowie einer Live-Bühnenshow a la Kiss die verschiedenen Strömungen harter Musik der 80er zu einer Einheit bündelten.
Doch bereits nach fünf Studioalben lösten sich Twisted Sister Ende 1987 offiziell auf und jeder der Musiker stellte seine musikalischen Fähigkeiten anderen Formationen zur Verfügung.
Einer der 'Verdrehten Schwestern' - nämlich Gitarrist Eddie Ojeda, konnte jetzt bei 'Black Lotus Records' einen Plattenvertrag ergattern.
Mit "Axes 2 Axes" legt er also sein erstes Solo-Scheibchen vor, auf dem nicht nur Eddie selbst, sondern auch solch illustre Gäste wie Ronnie James Dio, Joe Lynn Turner und - da schau her - auch die 'Oberschwester' der Verdrehten - nämlich Dee Snider im Studio vorbeischauen, um das Mikro gekonnt zu schwingen.
Außerdem spielt Eddie Ojeda, getreu dem Albumtitel, sämtliche Lead- und Rhythmus-Parts an der Gitarre selbst ein und bei dem McCartney / Lennon-Cover "Eleanor Rigby" übernimmt er sogar den Bass.
Kein Geringerer als Joe Franco drischt auf die Felle, lediglich am Bass gibt es ab und zu Besetzungwechsel.
Eines muss man dem Eddie lassen, er kann nicht nur als Riffmeister brillieren, auf dem Silberling beweist er eindrucksvoll, dass er außerdem auch eine ausdrucksstarke Stimme hat.
Klar könnte man meinen, der Griffbrettschwinger einer Band liefert als Solist vermutlich ein reines Instrumental-Album ab, aber weit gefehlt. Lediglich die Titelnummer "Axes 2 Axes" sowie "Crosstown" und "Funky Monkey" sind reine Instrumental-Stücke, wobei hier nicht nur der Axtman sein Können beweist. Auch Drummer Joe Franco gibt ein eindrucksvolles Lehrstück in Sachen Doubelbass-Drums und feuert aus allen Rohren.
Dass die Protagonisten ihr Handwerk also beherrschen, müssen sie niemandem beweisen. So ist ihre Spielweise auch völlig unbekümmert, voller Elan - die Nummern strotzen vor Kraft.
Sei es nun der wuchtige Opener "Tonight", der gleich zum gepflegten Headbangen einlädt und schon mal die Gehörgänge ordentlich durchputzt, oder das mit sparsam eingefügten Gitarrensoli gewürzte "Pleace Remember", es geht einfach nur die Post ab.
Das bereits erwähnte Cover "Eleanor Rigby", man was für ne geile Version und wenn dann noch die charismatische Stimme von Dee Snider einfällt, hält einem nichts mehr im Sessel.
Ein Highlight ist für mich das düstere, mit metallischen Tunes versehene "Evil Duz".
Joe Franco's präzises Drumming und Chris MaCarvill's fließende Bassläufe sorgen für ein solides Rhythmus-Fundament, auf dem Eddie Ojeda die Gitarren Iommi-like ordentlich sägen lassen kann. Dazu röhrt Nick 'the mix' Copriano wie ein brünftiger Hirsch. Die Backingvocals übernimmt natürlich wieder Eddie Ojeda. Wirklich eine tolle Nummer!
Aber auch die beiden Balladen "Senorita Knows" und "Living Free", die man wirklich in die Kategorie 'Plüsch' einordnen kann, fügen sich nahtlos in das Album.
Und dann kommt "Living Free"! Mir war sofort nach den ersten Takten klar: jetzt legt der als Gastsänger angekündigte Joe Lynn Turner los. Der Titel passt einfach zu ihm, wie die Faust aufs Auge. Dazu die hervorragende Gitarrenarbeit mit dermaßen klasse Soli, dass es einem die Tränen in die Augen treibt, sowie passende Rhythmus-Grooves lassen die Rezensentin vor Freude im Dreieck springen.
"Living Free" könnte locker aus Turners Album The Usual Suspects stammen.
Eddie Ojeda hat mit "Axes 2 Axes" ein wirklich feines Teil abgeliefert, dass den Hard Rock Fan bestens bedient. Das Album ist wunderbar abwechslungsreich, nicht nur der Gastsänger wegen, die Songs gehen sofort ins Ohr und bleiben darin haften.
Lediglich die Gesamt-Spielzeit hätte ruhig etwas mehr hergeben können, gerade bei so einem feinen Album. Aber oftmals ist weniger ja sogar mehr.
"Axes 2 Axes ist mit 8 RockTimes-Uhren locker dabei.
Spielzeit: 38:50, Medium: CD, Black Lotus Records, 2005
1:Tonight 2:Axes 2 Axes 3:Please Remember
4:Eleanor Rigby 5:Evil Duz (What Evil Knows) 6:Crosstown 7:Senorita Knows 8:Love Power 9:Funky Monkey 10:The Reason 11:Living Free
Ilka Czernohorsky, 13.11.2005
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