Gram Parsons
Das kurze Leben eines ignorierten Visionärs
Wieviel hat uns der Mann gegeben? Was für einen überdimensionalen Einfluss hat Gram Parsons auf die Musikszene gehabt?
Und mir kommen fast die Tränen, wenn ich bedenke, wie wenig er dafür zurückbekommen hat. Meiner Meinung nach ist die Frage durchaus berechtigt, ob Bands wie die Eagles, Poco und viele mehr überhaupt stattgefunden hätten, hätte Parsons nicht dieses monströse und die genannten Bands in den Schatten stellende Fundament gelegt.
Denn gesegnet mit einer engelsgleichen Stimme, die in so mancher Textzeile fast zu brechen droht, verlieh er seinen stilneuen Songs diese aussergewöhnliche Atmosphäre, pendelnd zwischen 'jungem Gott' und dahinsiechender Seele.
So ganz nebenbei übernahm er kurz nach seinem Einstieg bei den Byrds das Ruder, warf Roger McGuinn's Pläne für ein neues Album über den Haufen und führte die Band durch die Aufnahmen und die Veröffentlichung des Albums "Sweetheart Of The Rodeo", welches heute als absoluter Meilenstein der Musikgeschichte und Geburt des Country-Rock gilt.
Oder nehmen wir nur mal die Rolling Stones. Songs wie "Honky Tonk Women" (wie auch die Led It Bleed-Version "Country Honk"), "Dead Flowers", "Wild Horses" oder "Sweet Virginia", um nur einige zu nennen. Gram's (der für einige Jahre ein enger Freund von Keith Richards war) Einfluss ist einfach nicht wegzudiskutieren.
Dabei war seine Vision bzw. Idee, die er selbst als 'Cosmic American Music' bezeichnete, sehr einfach. Oder aber auch So einfach, dass sie für alle anderen bis zu dem Zeitpunkt einfach nicht ersichtlich war. Salopp gesagt, man hatte wohl vor lauter Bäumen den Wald nicht gesehen.
Gram Parsons hat einfach zwei Geschwister, den Erstgeborenen 'Country' und das Nesthäkchen 'Rock', die sich seit ihrer Geburt noch nie begegnet waren, wieder zusammengebracht. Eine Familienzusammenführung sozusagen. Und die Geschwister hatten sich sehr lieb und kamen prima miteinander aus, wie das in funktionierenden Familien ja nunmal so ist.
Aber da die Geschichten mit dem guten Ende meistens in Märchenbüchern stehen, wartete in dieser, aus dem Leben gegriffenen, Story das Böse gleich um die Ecke.
Es gab viele böse, gemeine und drohende Stimmen, vor allem aus dem Freundeskreis des grossen Bruders Country, die eifersüchtig waren und wütend, ihren Kumpel auf einmal teilen zu müssen. Und das auch noch mit, in deren Worten, 'langhaarigen, drogensüchtigen und stinkenden Pennern'.
Kurz gesagt: Hippies.
Vielleicht war Gram Parsons aber auch nur zu überstürzt an die Sache herangegangen. Vielleicht hätte er die 'Stänkerer' langsam auf seine Idee vorbereiten sollen. Aber wie macht man das nun wieder? Wenn man eine Vision hat und weiss, dass sie gut ist, dann haut man sie raus. Das ist Rock'n'Roll und genauso sollte gute Musik auch sein.
Selbstverständlich hatte der grölende Mob wieder mal die Oberhand und trotz mehrerer hervorragender Alben war Gram's Erfolg, zumindest in finanzieller Hinsicht, nicht der Rede wert.
Naja, für das Scheitern gab es sicherlich auch noch einen zweiten Grund.
Gram war zwar in eine reiche Familie hineingeboren worden und war deshalb materiell immer bestens versorgt, musste als Kind jedoch den Selbstmord seines Vaters und als Teenager den durch Alkoholismus verschuldeten Tod seiner Mutter verkraften. Das war schon starker Tobak und geht wohl an niemandem, reich oder arm, spurlos vorbei.
Nicht zuletzt deswegen war Gram Zeit seines Lebens labil, flatterhaft und unsicher. Unter anderem was seine Liebesbeziehungen betraf, so dass er auch von dort keine Kraft tanken konnte. Harte Drogen und Unmengen Hochprozentiges, die am Anfang die Lösung versprachen, liessen dann aber den imaginären Totengräber immer hastiger und atemloser schaufeln.
Kokain und Heroin stifteten ihn immer häufiger dazu an, statt eines guten, konzentrierten Konzertes oder Studiosession lieber im narkotischen Sumpf zu versinken.
Was wäre wohl alles noch passiert bzw. zu erwarten gewesen, wenn er einen stärkeren Willen und aufweisbare Erfolge wie die anfangs erwähnten Eagles aufzuweisen gehabt hätte?
Wir werden es nie erfahren. Selbst wenn sich viele Mythen und Geschichten um seinen Tod im Herbst 1973 in einem einsamen Motel-Zimmer in der Wüste 'Joshua Tree' ranken, ist die bittere Wahrheit meiner Meinung nach die, dass sein Hang zu Nadeln ausschlaggebend gewesen sein dürfte.
Man kann es gar nicht oft genug sagen: Was der Mann uns hinterlassen hat, ist allererste Sahne. Nicht umsonst 'God's own Singer' genannt, sollte jeder, der gute Musik liebt und Gram Parsons bisher nicht 'begegnet' ist, seine Solo-Alben "G.P.", "Grievous Angel" und "Live 1973", sowie "Safe At Home" (The International Submarine Band) und das Flying Burrito Brothers Album "The Guilded Palace Of Sin" anchecken. Es lohnt sich.
Und Emmylou Harris, die Anfang der 70er Jahre vollkommen unbekannt in Bars vor 30 Leuten gespielt hat und von ihm entdeckt wurde, spielt seine Songs auch heute noch. Für Emmylou eine Liebe für's Leben (die Aufarbeitung ihrer Geschichte mit Gram hat sie auf ihrem 1985'er Konzeptalbum "The Ballad Of Sally Rose" vertont).
Gram fühlte sich leider mehr zur dunklen Seite, dem Tod, hingezogen. Aber vielleicht wollte er ja einfach nur zurück in die Geborgenheit seines Vaters (und Kriegshelden) und seiner einst stattlichen und stolzen Mutter Avis, deren Verlust er nie verkraftet hatte.
Rest in peace, Gram.


Kurzbiografie: Gram Parsons - Das kurze Leben eines ignorierten Visionärs
Markus Kerren, 03.11.2005
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