Mick Pointer & Special Guests gaben ihr erstes Deutschlandkonzert im Rahmen der "25th Anniversary Script For A Jester's Tear"-Tour in Erfurt.
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Es stellt sich bei jedem wahren Musikliebhaber ein gewisses Magengrummeln und schizophrenes Gefühl ein, bei der Vorstellung an die Wiederauferstehungen bestimmter musikalischer Meilensteine aus der Geschichte der populären, insbesondere progressiven Musik.
Sind es finanzielle Nöte, sind es kreativlose Zeiten, die effizient überbrückt werden müssen, oder ist es einfach Freude am Spiel bzw. Enthusiasmus, solche musikalische Monumente wieder auf eine Konzertbühne zu hieven?
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Ich glaube im Fall des Arena-Schlagzeugers und Ex-Gründungsmitgliedes der britischen Neo Prog-Legende Marillion, Mick Pointer, ist es völlig legitim, deren Erstlingswerk "Script For A Jester's Tear", das vor ein Vierteljahrhundert für Furore sorgte und heute als Manifest bzw. Initialzünder vieler Neo Prog-Bands gilt, einer Frischzellenkur zu unterziehen und einer nachgewachsenen Hörerschaft näher zu bringen.
Um Marillion ist es ja mittlerweile etwas ruhiger geworden, und trotz damaliger Vorwürfe, sie hätten sich maßlos bei den musischen Vätern Genesis der Gabriel-Ära bedient, werden ihre nachhaltig brillanten Kompositionen fünfundzwanzig Jahre nach Beginn dieser Erfolgsgeschichte mehr als deutlich.
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Für die livehaftige Umsetzung dieses Vorhabens hat sich Mick Pointer einige illustre Progmusiker mit ins Boot geholt: Neben dem Meister selbst präsentieren sich Pendragon-Saitenvirtuose Nick Barrett, Credo-Keyboarder Mike Varty, Arena-Tieftöner Ian Salmon und last, but not least Fish-Klon Brain Cummings aus Liverpool, dessen Arbeitsplatz sonst in der Coverband Carpet Crawlers zu finden ist.
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Zu Letzterem sei gleich angemerkt: Wen vor dem Konzert eine gewisse Skepsis diesbezüglich umfing, wurde während der Show komplett eines Besseren belehrt. Trotz einiger weniger stimmlichen Schwächen ("Forgotten Sons"), verkörperte dieser hingebungsvoll die Rauheiten und theatralischen Gesten des kriegsbemalten, jungendlichen Schotten, setzte pathetisch mitreißende Akzente im Spiel der Akteure.
Fast schon suggestiv wurden die Original-Klangtexturen ausgelotet, eine brisante Mischung
aus Wildheit und Wohlklang kontrapunktisch mit beängstigend authentischer Präzision dargeboten.
Die als Gestaltungsmittel eingebauten Kostüme und Maskeraden waren dabei wohl konformes, unterhaltsames Beiwerk.
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Zum Höhepunkt bzw. zur Zugnummer der insgesamt zweistündigen Aufführung, avancierte
letztendlich das zwanzigminütige "Supper's Ready"-Plagiat "Grendel", welches studiotechnisch nie als sonderlich aufregend galt, aber in der konzertanten Umsetzung doch große Momente bescherte.
Die tatsächliche Besonderheit und Begeisterung für Marillion-Fans besteht halt darin,
dass diese Komposition, übrigens erstmalig veröffentlicht auf der Mini-Vinylscheibe
"Market Square Heroes" 1982, zu Lebzeiten nie live auf einer europäischen Bühne zu erleben war. Klar erlag man hierbei schnell der liebhaberischen Versuchung, die Gesamtszenerie sentimental überzubewerten, es wurde aber mit soviel Leidenschaft performt, dass man zumindest um den Schmackes des Ensembles nicht bangen musste, und das Plädoyer für den frühen Neo Prog dankbar annahm.
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Fakt ist: Trotz lascher Besucherzahlen, woran ein zu hoher Eintrittspreis wohl nicht ganz unschuldig war, wurden die Konzertbesucher an diesem Abend im Erfurter HsD mit einer souveränen und perfekten Show beglückt.
Zufriedene Gesichter bescheinigten den Zuspruch bzw. den Erfolg, und erhoben die Erkenntnis, dass sich angesichts des Jungsporns Brian Cummings alternde Sangesmeister wie Fish zukünftig dicker anziehen müssen.
RockTimes bedankt sich für die freundliche Unterstützung bei Winfried Völklein (WiV Entertainment) und dem Team des Erfurter HsD.
Bilder vom Konzert
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