Odin's Court / Turtles All The Way Down
Turtles All The Way Down Spielzeit: 61:12
Medium: CD
Label: ProgRock Records, 2015
Stil: Prog Metal

Review vom 12.6.2015


Boris Theobald
Matt Brookins mag es 'groß'. Drum hat der Mr. Mastermind von Odin's Court aus Maryland mit dem nunmehr fünften Album seiner Band auch ein Konzeptalbum entworfen. Er hatte auch lange Zeit, seine Ideen gedeihen zu lassen. Schließlich waren nach demn Konzeptwerken Deathanity (2008) und "Human Life In Motion" (2011) die beiden letzten Veröffentlichungen eher spezieller Natur. Auf "Appalachian Court" hatte man bekannte Stücke im Klanggewand akustischer Instrumente neu arrangiert. Und "The Warmth Of Mediocrity" (2013) beinhaltete den neuen Titeltrack, üderdies aber ebenfalls Neuauflagen aus dem Bandrepertoire. Bei denen durfte sich die Stimme des frisch hinzugestoßenen Leadsängers Dimetrius LaFavors warm singen.
Nun gibt es also wieder komplett frischen Nachschub ... nicht nur, dass es sich bei "Turtles All The Way Down" um ein Konzeptwerk handelt - das Konzept ist auch, passend zu Matt Brookins Vorliebe, ein 'großes'. Größer geht gar nicht. Die ersten äußeren Anzeichen: Er hat das Album in drei Sektionen unterteilt, nämlich 'Universe' (Tracks 1 bis 5), 'Life' (Tracks 6 bis 11) und 'Everything' (Tracks 12 und 13). Matt Brookins philosophiert in den Lyrics, die ausnahmslos aus seiner Feder stammen, über das große Ganze. Wie und warum ist das Universum entstanden? Und wo ist unser Platz darin? Ist unser Schicksal vorbestimmt?
Musikalisch stellt Herr Brookins seine großen Fragen auf, nun ja, großartige Art und Weise. Odin's Court wenden sich wesentlich stärker als früher klassischen (Prog-)Metaleinflüssen der 80er Jahre hin. Wir hören Gitarren, die im Vergleich mit vielen anderen aktuell agierenden Prog Metal-Truppen extrem wenig computerperfektioniert, sondern beinahe schamlos authentisch wirken. Dimetrius LaFavors Gesang ist waschechter Metal mit scharfkantigen Höhen - nicht sonderlich 'einzigartig', aber cool. Die immer mal wieder zur Verstärkung antretenden Keyboards klingen retro - eben nicht nach sauberen Streichern, sondern nach Keyboards. So fühlt man sich hin und wieder an
Thought Chamber oder frühe Enchant erinnert ...
... und das bezieht sich erstens auf quirlig-antreibende und hochmelodische Riffings wie in "Insomnia". Zweitens auf anspruchsvolle Spannungsbögen, bei denen kompliziert-schöne Melodien zelebriert statt in schnell verdauten Refrains verschleudert werden, wie in "And The Answer Is..." und "...But What's The Question". Und drittens auf - nennen wir es: 'instrumentale Dramaturgien', wie in "Life's Glory" mit Akustik-Passagen, elektrisch verzerrten Chords, melodiösen Lead-Gitarren über beidem und einem bombastischen Finale mit Keyboardunterstützung. Übrigens: Zwischendurch mal simpel tut auch gut. "The Warmth Of Mediocrity" ist enorm eingängig, fast schon eine 'Hymne'. "(A Song For) Dragons" ist so eine Art Halbballade - anfangs nur mit Akustikgitarre und Klavier, später elektrisch unterstützt und hochatmosphärisch. Bei beiden wird durch die warmen, auffällig tiefen Backing Vocals ein butterweicher Klang kreiert.
Erwähnt werden muss noch die hervorragende Gitarrenarbeit von Bandboss Matt Brookins (das Outro-Solo in "(A Song For) Dragons"!) und Rick Pierpont (das Outro-Solo in "Death Of A Sun" !!! Gänsehaut). Ihr Zusammenspiel ist einfach klasse, wenn einer rifft und einer frickelt - um der Melodie, nicht eines Technikweltrekords wegen. Die proggig-verzwickten Drives sind klasse. Und die punktuell immer mal wieder auftretenden Double Leads. Wenn beide Gitarren derart 'singen', erinnert das erfrischend an glanzvollste Queensrÿche-Zeiten - "The Depths Of Reason", ein Instrumentalstück, toll. Mit dem Siebzehneinhalbminüter "Box Of Dice (Does God Play?)" beweisen Brookins & Co. schließlich, wie 'groß' sie eigentlich können - wenn sie Zeit und Platz haben: prima Longtrack mit feinen Instrumentalpassagen und lyrischen wie dramatischen Momenten mit Gesang. Auch Brookins selbst taucht als Lead-Sänger auf und shoutet mit seiner Nummer eins am Mikro im Call-and-Response-Modus.
"Turtles All The Way Down" ist ein klasse Album für Freunde des urig-zeitlosen Prog Metals, die durchaus gern ein bisschen länger am Gehörten knabbern möchten. Das passt ja dann auch prima zum 'großen' Thema des Konzeptwerks. Und wieso heißt das eigentlich so, wie es heißt? Einem Mythos zu Folge ist die Erde eine Scheibe, getragen von einer riesigen Schildkröte. Aber worauf steht wiederum diese Schildkröte? Na klar, auf einer noch größeren Schildkröte. Und so weiter. 'Turtles all the way down' - Schildkröten bis ganz nach unten. Wo auch immer 'unten' ist ... klingt ganz schön archaisch. Aber mal ganz ehrlich - sind wir eigentlich schon sooo weit über die Schildkröten-Theorie hinausgekommen?
Line-up:
Matt Brookins (electric & acoustic guitars, keyboards, back & lead vocals, bass, programming, drums, percussion, sound effects)
Rick Pierpont (electric guitars, backing vocals)
Dimetrius LaFavors (lead vocals)

Additional Musicians:
John Abella, Nicki Brookins, Matt Knight (additional vocals - #6,11,13)
Jeff Sauber (drums, percussion)
Seth Jackson (bass)
Craig Jackson (bass - #13)
Savino Palumbo (keyboards - #13)
Tracklist
01:Turtles All The Way Down, Pt. 1 (3:14)
02:And The Answer Is... (4:23)
03:...But What's The Question? (4:55)
04:Insomnia (3:40)
05:The Depths Of Reason (3:12)
06:Turtles All The Way Down, Pt. 2 (1:41)
07:The Warmth Of Mediocrity (4:11)
08:(A Song For) Dragons (4:59)
09:The Death Of A Sun (5:01)
10:Back Where The Daffodils Grow (2:19)
11:Life's Glory (4:31)
12:Turtles All The Way Down, Pt. 3 (1:40)
13:Box Of Dice (Does God Play?) (17:24)
Externe Links: