Ollie Vee / Lonesome Girl
Lonesome Girl Spielzeit: 32:59
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2013
Stil: Rockabilly, Rock'n'Roll

Review vom 21.05.2014


Markus Kerren
Als mir der Name Ollie Vee neulich vom CD-Cover ins Auge sprang, bin ich erstmal zusammengezuckt, weckte er doch ganz spontan Assoziationen zu einem gewissen Oli P., diesen, äh... Sänger. Ihr wisst schon, der, der vor so einigen Jahren mal unbedingt jedem, der es hören oder auch nicht hören wollte, erzählen musste, dass er fliegende Fortbewegungsmittel aus Stahl in seinen Innereien hatte. Aber gut, ein Blick aufs Line-up sorgte dann erstmal wieder für Beruhigung und so, wie die Jungs von Ollie Vee (nee, ist auch kein einzelner Typ, sondern ein Bandname) durch die Gegend laufen, war sehr schnell klar, dass es sich hierbei um eine Rock'n'Roll- bzw. Rockabilly-Kapelle handeln musste.
Tatsächlich. Und was für eine! Ollie Vee taucht bis zu den Haarspitzen in die fünfziger und frühen sechziger Jahre ein, spielt stilgetreuen Rock der damaligen Zeit und klingt auch so. Speziell auf Letzteres hat das zum Zeitpunkt der Einspielung als Trio bestehende Ensemble - das sich mittlerweile mit dem 'festen' Schlagzeuger Adam Perzia zum Quartett gemausert hat - sehr viel Arbeit verwendet. Die insgesamt dreizehn Tracks wurden direkt in ein Aufnahme-Mischpult aus den Sechzigern eingespielt. Und wenn man den Aussagen der Musiker glauben darf, dann erstens live und dazu allermeistens als 'first take'.
Was den Hörer hier erwartet, ist eine Zeitreise in die Fünfziger, ein (wenn man mal von der Geburt des Rock'n'Roll absieht) musikhistorisch doch etwas unterbewertetes Jahrzehnt. Sehr konsequent wird hier entweder gerockt, mal ein Instrumental im Shadows-Stil (nur mit deutlich mehr Twang und Surf-Attitüde) gebracht oder diese und jene Schnulze zum Besten gegeben, dass es den seligen Roy Orbison wahrscheinlich auch jetzt noch am Ohrläppchen juckt. Denn hier und da singt Jesse Adamson genau in diese Richtung, was zu gespaltenen Meinungen führen dürfte. Das ist grundsätzlich gut und okay, nur wenn die Tonlage etwas zu hoch wird, könnten sich die Geister scheiden.
Ein richtig cooles Instrumental ist "New Boots", das nicht nur mit feinem Sound, sondern auch klasse Melodien punkten kann. Was sich allerdings auch für das gesamte Album sagen lässt: Neben den unbestrittenen musikalischen Qualitäten wurde auch sehr viel Wert auf die Arrangements gelegt, sodass das Wort 'Langeweile' im Duden von Ollie Vee schlicht und ergreifend gar nicht existiert. Der Titeltrack beispielsweise ist eine klasse Ballade, die mit spitzenmäßiger Gitarrenarbeit versehen wurde, die praktisch einen Song im Song darstellt. Man kommt gar nicht umhin, das Kopfkino in Gang zu schmeißen, in einen typischen Ice Cream Parlour der Fünfziger (selbstverständlich MIT Jukebox) abzutauchen und seinen ganz eigenen Film ablaufen zu lassen.
Nachdem sich Ollie Vee durch ein Dutzend Tracks gespielt hat, tritt beim Rausschmeißer "Bruised" der Gast Stuart Elliott mit einem Saxofon auf den Plan, der mit seinem Solo das Sahnehäubchen zu dieser Nummer beisteuert. Was mich nicht nur bei diesem Track erstaunt feststellen lässt, wieviel Melancholie und Schmerz in solchen, oft doch eher flott gebrachten Stücken steckt. Wobei das bei gut gemachter Country-Musik ja ganz ähnlich ist. Die Grundaussage bzw. die Seele eines Titels vermag sich gerne auch mal sehr gekonnt und effektiv zu verstecken. So gut, dass man sie vielleicht nie entdeckt, schafft man es nicht, sich einen Zugang dazu zu verschaffen.
Wer mit Rockabilly sowie der Musik der fünfziger Jahre überhaupt nichts anfangen kann, der sollte eher die Finger von Ollie Vee und deren Debütalbum "Lonesome Girl" lassen. Wer aber von den Stray Cats schon mal was gehört hat und ganz gut fand, sollte unbedingt auch mal die hier besprochene Band aus Kanada anchecken. Ein waschechter Trip in ein längst vergangenes Jahrzehnt ist garantiert. Mit nicht mal 33 Minuten Laufzeit ist die Platte ein bisschen kurz geraten, aber McFly hätte sie auch gemocht, da bin ich mir sicher!
Line-up:
Jesse Adamson (rhythm guitars, lead vocals)
Johnny Vassos (lead guitars, background vocals)
Howard Linscott (double bass, background vocals)

With:
John Collin (percussion)
Stuart Elliott (saxophone - #13)
Tracklist
01:Ruby Red
02:Looking For A Fast Time
03:Party Fools
04:Underneath The Sparks
05:Paper Hearts
06:Hip Shakin' Baby
07:New Boots
08:Shinin' Bright
09:Right Out Of The Pictures
10:Luck Like Me
11:Lonesome Girl
12:Last Night
13:Bruised
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