Das sind so die Teile, für die es eigentlich einen Warnhinweis braucht. 'Vorsichtig öffnen, keine Belüftung' oder so. Irgendwas, ohne das man in den USA die Band verklagen könnte, wenn es zu spät ist und man nicht aufgepasst hat. Okay, es IST zu spät - das Teil rotiert im CD-Spieler, die Hütte wackelt und "Let's Get Serious" lässt das Blut wallen und die Haare fliegen. Ein Brett! Outlouds drittes Album stellt noch mal alles in den Schatten, was die Griechen um Firewind-Axter Bob Katsionis und US-Sänger Chandler Mogel bisher im Angebot hatten. Ein halbes Jahrzehnt lang haben sie schon klasse Album und EPs unter die Headbanger gebracht, aber dieses Mal ist ein klarer Kandidat für das 'Album des Jahres' rausgekommen. So viel vorab. Ach so, wir wollten ja auch wissen, wie die Scheibe nun klingt ...
Röhrende Gitarren starten den Opener - und dann ein Double-Bass bei Tempo 220 bpm. Das gehört definitiv zum Abgefahrensten, was einem im Bereich AOR/Melodic Rock so unterkommen kann, was Nile-Drummer und Gast auf dem kompletten Album George Kollias hier abzieht. Mit einem eingefadeten Scream beamt sich dann Chandler Mogel in die Szenerie; mein lieber Herr Geschreiverein, ist der gut! Das ist ja längst keine Überraschung mehr - aber es ist immer wieder erstaunlich, wie dieses Markenzeichen Outlouds wirkt: der ungeheuer intensive Gesang. Der löst etwas aus - dem Mann glaubt man jede Silbe, die er singt! Es geht zwar um Frauen und ums Musik Machen. Aber wenn er sie in einem Song anböte - ich würde ihm auch sofort seine Oma abkaufen. "Death Rock!" heißt der Opener übrigens - mit Ausrufezeichen!
»It's time to lock and load and then explode
We're gonna lay it on the line
You shoot that starting gun and then we run
Leaving everything else behind«
Zugegeben: Outloud brauchen keine große Poesie, um Outloud funktionieren zu lassen. Und es funktioniert prächtig, mit weiteren Markenzeichen, die immer wieder glänzen und beeindrucken: Heavy Gitarren, die in Solopassagen auch schon mal in gedoppelter Form für Gänsehaut sorgen. Angedeutete 80er-Jahre-Keyboards - aber wirklich sehr sparsam und nur sehr punktuell - die zeigen, wo die Musik, die man liebt und zelebriert, ihren Ursprung hat. Rhythmische Abwechslung und technische Finesse. Und: Hymnen, Hymnen, Hymnen. Nix Abgenutztes, alles frisch und euphorisierend, dynamisch und äußerst ansteckend.
Dabei offenbart "Let's Get Serious" eine angenehme Bandbreite unterschiedlicher Herangehensweisen. Es gibt simpel gestrickte Ohrwürmer wie "All In Vain" - aber gewürzt mit coolen Verzögerungen und sonstigen Spielchen der Rhythmusfraktion; außerdem zeigt Chandler Mogel hier seine brillanteste Leistung und singt alles in Grund und Boden (erinnert mal kurz an Mike Vescara zu seinen besten Zeiten bei Yngwie). Und es gibt auch einen Song 'mit Doktorhut' wie "A While To Go", prallvoll mit Breaks und Frickeleien und Wechseln ... so ein bisschen im Stile von Bands wie Mr. Big, die mit extrem hohen handwerklichen Ansprüchen Musik mit extrem hohem Spaßfaktor machen.
Endgültig austoben können sich die Jungs dann beim Titeltrack "Let's Get Serious", der erstaunlicherweise ein Instrumentalstück ist - eine gelungene Überraschung. Mit dieser sehr kurzweiligen Nummer zeigt man exemplarisch alles, für was man steht. Bei aller handwerklichen Klasse und für das Genre außergewöhnlichen Heaviness 'singen' die Gitarren auch noch 1-A-Melodien vor sich hin. Mit "Toy Soldiers" haben Outloud laut eigenem Bekunden den bislang härtesten Song ihrer Karriere abgeliefert - 'the Motörhead tune' soll das Ding in der Demoversion geheißen haben. Hat Karacho und ist ein bisschen böse, oh ja. Auf der anderen Seite steht mit "It Really Doesn't Matter" 'natürlich' auch was Ruhiges. »Yep. The ballad of the album ...«
... gibt Bob Katsionis in den Liner Notes zu (aber keine schlechte). Und in diesem Zusammenhang glaube ich, dass einige andere Tracks dieses Albums bei anderen Bands auch zu Balladen geworden wären - aber nicht bei Outloud. "I Was So Blind", "Like A Dream" und "Another Kind Of Angel" (mit megaquirliger Keyboard-Hook - mal was anderes) machen einen mit ihren großartigen Melodien ganz wuschig. Aber dennoch ist gehörig Druck im Kessel, und vor allem auch Dynamik und Geschwindigkeit! Outloud machen Tempo, Tempo, Tempo. Noch'n Markenzeichen.
Dann covern sie noch "Enola Gay", die 1980er-Nummer von Orchestral Manoeuvres In The Dark (natürlich in äußerst Outloudischer Form!) und erstaunen noch einmal beim Blick auf die Song Credits: Bei "One More Time" hat man mit Phoebus zusammengearbeitet. Dieser ist ein sehr erfolgreicher Songschreiber im folkloristisch angehauchten Pop- bis 'Schlager'-Bereich und in seiner griechischen Heimat sehr prominent. So eine Art Dieter Bohlen aus Athen. Der Chorus des Songs stammt von ihm - beinahe ein bisschen barock, diese Melodie-Kaskaden ... nicht übel.
Ein klasse Teil, dieses Album. Jetzt fehlt nur noch der Warnhinweis. Wobei ... "Let's Get Serious" ist ja auch schon eine Aus- und eine Ansage!
Line-up:
Chandler Mogel (vocals)
Bob Katsionis (lead guitars & keyboards)
Jim Scordilis (guitars)
Sverd (bass)
Special Guest:
George Kollias (all drums)
Mike Orlando (guitar solo - #11)
Tracklist |
01:Death Rock! (5:25)
02:I Was So Blind (4:21)
03:One More Time (4:15)
04:Bury The Knife (6:05)
05:Like A Dream (4:15)
06:It Really Doesn't Matter (3:57)
07:A While To Go (4:31)
08:All In Vain (3:45)
09:Another Kind Of Angel (5:09)
10:Let's Get Serious (5:16)
11:Toy Soldiers (3:20)
12:Enola Gay (2:58)
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