Ozzy Osbourne / Scream
Scream Spielzeit: 49:08
Medium: CD
Label: Sony Music, 2010
Stil: (Heavy) Metal

Review vom 31.07.2010

           
Marius Gindra                 Boris Theobald
Eine Platte, zwei Sichtweisen.

Marius fängt an:
HOSSSSSSSSSA!!!!!!!! Der selbsternannte 'Prince Of Darkness' und Mitbegründer der einzig wahren Musik dieses Planeten wirft nach drei Jahren einen neuen Lappen auf den Grill. Um es hier gleich vorweg zu sagen: Es ist auch der mit weitem Abstand mieseste seiner über 40 Jahre andauernden Musikerkarriere, namentlich den einfallslosen Titel "Scream" tragend.
Warum das so ist? Hört euch den Anfang des grausamen, wunderbar ätzend modernen Openers "Let It Die" an (»I'm A Rockstaaaaaaaaaaaaar!«). Ohje! Hätten wir nicht gedacht, wenn du uns das nicht mitgeteilt hättest, lieber Ozzy! Und ihr wisst, von was ich hier rede! Als alter Fan des einstigen Idols respektiere ich wirklich viel, aber dieser aufgeblasene, getriggerte und besch...eidene Digital-Sound bringt meine Banger-Seele nur noch zum Bluten.
Das angeblich erste Album mit klarem Kopf soll es sein... Na dann, gute Nacht! Ich kann meine Enttäuschung über den wirklich traurigen Abgang der ehemaligen Kultfigur von Millionen rebellierenden, halbstarken Mittelklasse-Kids gar nicht richtig in Worte fassen und war schlicht und ergreifend einfach nur verdammt froh, als ich die quälenden 48 Minuten dieses drittklassigen Rammstein-Abklatsches überstanden hatte. Es war mein erster und wohl auch für immer einziger Hördurchlauf.
Eine MTV-Sendung, bei der man sich selbst auf niedrigstem Niveau zum Affen aller Trendopfer machte, hat wohl noch nicht gereicht. Nein, eine Platte, die diesen kilometertiefen Fall unterstreicht, musste auch noch nachgereicht werden. Vielleicht ist eine Sabbath-Reunion nur noch der einzige Schritt in die richtige Richtung. Wer weiß?!
Ozzys Stimme wurde manchmal gar durch Effekte verzerrt. Traurig, dass gerade ER das nötig hat! An allen Ecken und Enden wird man mit überflüssigen Samples und einfach nur dämlich klingenden Overdubs terrorisiert.
So! Mehr Worte kann und WILL ich hier auch gar nicht verlieren, es macht einfach keinen Sinn!
2 von 10 RockTimes-Uhren, ich bin heute mal gutmütig! Mach's gut, Ozzy. Viel Spaß in der Rente!
Boris legt nach:
Grenzdebil und alterssenil präsentiert sich der '?$!&/§ Prince Of Darkness' seit Jahren in den Medien. Wie viel davon Show ist, und wie viel wirklich ernst, das weiß höchstens Sharon ... aber rein musikalisch betrachtet pfeift Ozzy Osbourne im Jahre des Herrn (oder wessen auch immer) 2010 keineswegs aus dem letzten Loch. Im Gegenteil - "Scream" ist ein ziemlich prächtiges Powerpaket im Spätsommer seiner Karriere geworden.
Play ... ein paar Effekte, dann Basslines, ein Mal links und ein Mal rechts angetäuscht, und dann ab durch die Mitte! Gleich ein heavy Gitarrensolo in Größe XS zur Begrüßung. Dann ein doomig-düsteres Riff mit kleinen Kunstpausen, die das Ganze noch böser machen. Und dann der Zeremonienmeister mit Computer-verzerrtem Sprechgesang, der prima zur übersauberen High-End-Produktion inklusive vieler muskalischer Mystery-Effekte und der damit einhergehenden 'modernen' Anmutung passt.
Und es kommt, was kommen muss: ein typischer Fäuste-in-die-Luft-Ozzy-Chorus mit leicht leiernder und supereingängiger Melodie, und viel schwermetallischer Schubkraft. Dazu noch ein instrumentaler B-Part im Judas Priest-Stil, der klingt wie der Soundtrack zu zu nem Überholduell zweier Sattelschlepper bergab auf 15 % abschüssiger Straße bei Tempo 150. "Let It Die" - was will man mehr von einem Opener?
Mit dem ziemlich fixen "Let Me Hear You Scream", dem bombastisch und hypnotisch nach vorn stampfenden "Crucify" oder dem überdurchschnittlich fiesen "Fearless" sind weitere Stücke dieses ordentlichen Kalibers am Start. "Diggin' Me Down" zuigt mit einem gewissen Ü-Faktor zudem davon, dass das Songwriting innerhalb kompakter Parameter alles andere als 08/15 ist.
Überdies sei "I Want It More" - vielleicht das stärkste Stück der Platte - als melodisch überaus wertvoll herauszuheben. Ein Sonderlob geht besonders hier auch an die kreativen Gitarren, die weitaus mehr als den begleitenden Pflichtpart erfüllen, sondern pausenlos mit kreativer Eigendynamik parallel zur Gesangs-Melodie umherwirbeln.
Dieses Lob geht an den 'Neuen'. Supermegaschweinebacke Zakk Wylde ist schließlich nicht mehr dabei. Und sein griechischer Nachfolger Gus G. (Firewind) feiert einen formidablen Einstand, schreddert beachtlich durch die Akustik. Und es ist durchaus erstaunlich, wie viel Raum Gus G. für seine stets sehr kompakten, aber zahlreichen Solo-Einlagen bekommen hat. Zu 'ersetzen' ist Zakk Wyldes unnachahmliche Präsenz zwar nicht - aber es ist eine positive Überraschung, wie die Lücke gestopft wurde!
Dank Gus G.s Frickeleinlagen und des insgesamt doch beachtlichen Härtegrades werden auch alle Popmusik-Mädels, die sich das Album nur gekauft haben, weil sie merkten, dass der Assi von MTV auch Musik macht, das Album schreiend aus dem Fenster werfen (huhuhuaaaargh!). Besonders böse, dunkel und bedrohlich kommt übrigens "Soul Sucker" aus den Boxen gewummert - eines von vielen Beispielen doomiger Einflüsse, die es ohne das Vorbild Iommis kaum geben würde und die Ozzys Black Sabbath-Vergangenheit immer wieder durchschimmern lassen.
Akustik-Kitt ist auf "Scream" nicht auszumachen - es ist kein Song für den Papierkorb dabei, wenngleich das Kult-Niveau vergangener Perlen auch nie ganz erreicht wird. Aber sogar die 'Balladen', die man dank diverser Heavy-Ausbrüche und Solo-Attacken nur teilweise als solche bezeichnen kann, sind richtig stark und meilenweit von Peinlichkeiten wie "Dreamer" entfernt. Das atmosphärische "Life Won't Wait" ist kein "Mama I'm Coming Home", aber knapp dahinter.
Keine Ahnung, wie der alte Ozzy die Scheibe eingesungen hat - wegen seiner jüngst publik gemachten Schreib- und Leseschwäche vielleicht Zeile für Zeile. Und bestimmt wurde an der Stimme auch technisch ganz schön rumgefeilt. Aber Ozzys Gesang ist schön knatschig wie eh und je. Und das Album "Scream" ein starkes, 8 von 10 RockTimes-Uhren wertes Stück düsteren Heavy Metals, wie er modernerweise unter raffinierter Nutzung vieler Produktions-Tricks klingen kann.
Wer "Scream" verschmäht, weil früher alles besser und 'truer' und unverfälscht war, der versäumt nicht nur ein gutes Album, sondern gesteht auch keinem Künstler zu, sich zu bewegen und zu entwickeln. Zu verhindern wäre das nur, wenn sich jeder Künstler mit Ende 20 die Kugel geben würde. Unabhängig davon, dass 'klassisch' immer noch megascharf klingt und der lupenreine Heavy Metal im 80er-Sound niemals sterben darf - wenn das Genre sich nicht zeitgleich auch bewegen würde, dann wäre es früher oder später mausetot.
Line-up:
Ozzy Osbourne (vocals)
Gus G. (guitars)
Rob 'Blasko' Nicholson (bass)
Tommy Clufetos (drums)
Adam Wakeman (keyboards)
Tracklist
01:Let It Die (6:06)
02:Let Me Hear You Scream (3:25)
03:Soul Sucker (4:34)
04:Life Won't Wait (5:06)
05:Diggin' Me Down (6:03)
06:Crucify (3:29)
07:Fearless (3:41)
08:Time (5:31)
09:I Want It More (5:36)
10:Latimer's Mercy (4:27)
11:I Love You All (1:02)
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