Der Reiz, die populärmusikalischen Ausflüge einiger skandinavischer Künstler zu charakterisieren, liegt im Grunde darin, dass ihre eigentlich dem Volkstümlichen verpflichteten und in einer eigenwillig endzeitlichen Sehnsucht eingehüllten Klanggewänder immer wieder für verblüffende Resultate und perfekte Momente sorgen.
So erscheint es auch, als hätten sich die hier zu besprechenden vier Stockholmer Protagonisten mit ihrer herb-sinnlichen Kindfrau Petronella Nettermalm fünf gähnende Jahre im seidenen Kokon verpuppt, um als regenerierter und irisierender Zitronenfalter die musikalische Fachwelt erneut zu überraschen.
Von den wenigen musikalischen Vertretern aus dem nicht gerade vom Sonnenlicht verwöhnten Norden, welche sich vehement auf blumigem Terrain zwischen Laut
und Leise und von psychotischen Molltönen durchzogenen, grenzüberschreitenden Rock-Exkursionen bewegen, wurden die zur übermäßigen Perfektion neigenden Paatos von ihren bisherigen Kritikern und Bewunderern in gar absurdeste Genre-Schubladen verfrachtet. Ihre doch sehr eigene unkategorische Kombination aus robuster Zartheit erschafft auf dem mittlerweile fünften Studiozeugnis wiederum so manch verstörend-variantenreiches Arrangement und übt sich im neuzeitlichen Ausloten forschend -beliebigkeitsferner und harmonisch-traditioneller Fahrgewässer.
Abseits von allzu unterkühlter Tristesse und lasierter Schwermütigkeit verdrängen jetzt häufiger kraftvollere Gitarrenmassive die sonst schwebende Leichtigkeit, ohne jedoch den
Hierarchien erschöpfender Klangwerkzeuge und dem damit erzielten breitwandigen
Kopfkino jegliche Nahrung zu entziehen.
Zugegebenerweise nicht als einzige in Polkappennähe aufgewachsene Sangesfee postuliert dagegen Petronella nicht ausschließlich eisige Abgründe, räkelt sich gern zwischendurch als kehlige Elfe auf den mandalamusternen Flokatis und zu blank geschliffener Pop-Grazilität, bleibt dabei aber dennoch stets in träumerischer Gelassenheit verwurzelt.
Die mittlerweile zum Quartett geschrumpften Protagonisten meistern wiederholt den Drahtseilakt, mottenfreien, verschnörkelten Kunstrock und Autoradio-kompatiblen Kaugummi-Pop abseits jedes musikalischen Mittelmaßes und verselbständigendem Handwerk majestätisch zu verquicken.
Die zum Großteil optimistische und nicht unter übermäßigem Tinnef vergrabene Instrumentierung umkleidet die posthum feinziselierten Arrangements mit der porzellanen Sinnlichkeit einer aus der Zeit gefallenen Altersweisheit.
Die zwölf musikalischen Kleinode transportieren kleidsame Melancholie als Lebensstil, verdammen das konventionelle Rockzubehör bestenfalls als Zierrat, wie auch die
trotzig brillierenden Gitarren nebst einem durchaus druckvolleren Rhythmusgeflecht, dem die reizvollen Lockrufe der Popsirenen selten zu widerstehen vermögen.
Hier köchelt ein reizlindernd-mildes Melodien-Curry vor sich hin, achtet aber trotz einiger deftiger Gewürzgaben dennoch peinlichst darauf, dass die fertige Soße keinesfalls zum Verdicken neigt.
Unterziehen sich sensibilisierte Konsumenten anfangs noch einer musikalisch-stilistischen Kneipp-Kur, wobei ein Großteil nachhaltiger und in den Gehörgängen wurzelnder süffisanter Melodien von vereinzelten Rockgitarren ("No More Rollercoaster") zögerlich zerschnitten werden, atmen spätestens die wehmütigen Kammerspiele "Shells" und "Smärtan" wieder den pastösen Staub und die schratige Sinnlichkeit nordischer Sakralbauten.
So eröffnen sich bei jedem Durchlauf unweigerlich zuvor unbemerkte Details sowie ein Füllhorn opaker Verzierungen, das auch angesichts aufgestockter Popentwürfe sowohl die aus einem kollektiven Art Rock-Gedächtnis schöpfenden als auch die geschmackssicheren Pop-Futuristen zu versöhnlichen Seufzerchören vereint.
Das von Mischpult-Koryphäe und Porcupine Tree-Mastermind Steven Wilson mit nahezu chirurgischem Fingerspitzengefühl fabrizierte Studio-Reifezeugnis fühlt sich dem bisherigen weichgezeichneten abenteuerlichen Eklektizismus und der von Schwermut implizierten Kindlichkeit vergangener musikalischer Paatos-Bekenntnisse zwar verpflichtet, übt sich diesmal dennoch mit einem renitenten Augenaufschlag in biegsamer Anpassung an die konsumaffine Popgemeinde.
Multipliziert man den geistreichen Ideen-Warenkorb dieses Werkes, triumphiert ergo wieder einmal die Leidenschaft und samtene Wärme sinnesscharfer Wohlfühlmelodien, paaren sich
bittersüße Pop-Melodien mit kammermusikalischer Prachtentfaltung - ein Resultat, welches
dem Bandnamen alle Ehre bereiten dürfte
Line-up:
Petronella Nettermalm (Gesang, Cello)
Ulf Rockis Ivarsson (Bass)
Peter Nylander (Gitarre, Keyboards, Flöte, Posaune)
Ricard Huxflux Nettermalm (Schlagzeug, Keyboards, Violine)
Gast:
Svante Henryson (Cello)
Tracklist |
01:Gone
02:Fading Out
03:Shells
04:In That Room
05:Andrum
06:No More Rollercoaster
07:Breathing
08:Smärtan
09:Surrounded
10:Ploing, My Friend
11:Precious
12:Over&Out
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