Paganini / Medicine Man
Medicine Man Spielzeit: 49:42
Medium: CD
Label: PaZouZou Records, 2008
Stil: Hard Rock

Review vom 19.07.2008


Moritz Alves
Eins vorweg: Vom Coverartwork dieser Scheibe sollte sich niemand in die Irre führen lassen, sieht es doch gewaltig nach modernem Emocore aus... Tja, Stecknadeln und Voodoo-Puppe mit Herzchen passen eben weniger gut zum kernigen Hard Rock, der von der Schweizer Formation Paganini gespielt wird.
Die Band ist nach ihrem Frontmann, Marco Paganini, benannt und hat mit dem bekannten italienischen Violinisten Niccolò Paganini sonst nichts gemein. Trotzdem ist der Musiker aus dem Land der Eidgenossen in Hard Rock-Kreisen kein Unbekannter, ist er doch bereits seit Anfang der 1980er Jahre in der Szene aktiv. Seine Sporen verdiente er sich damals in der deutschen Band Viva, mit der er zwei Alben einspielte, bevor 1985 mit "Weapon Of Love" das erste Paganini-Album erschien (das den Hit "Berlin By Night" beinhaltete). Ach ja, auch bei der NWOBHM-Legende Tygers Of Pan Tang soll Herr Paganini mal das Mikro in der Hand gehalten haben...
Mehr als zwanzig Jahre und sieben Alben später, liegt mir nun also sein neues Werk, "Medicine Man", vor, das sehr amtlich geworden ist. Aber wen wundert das, kommen doch aus dem Alpenstaat eine ganze Reihe hochkarätige Hard Rock-Bands! Möchte man die Musik von Paganini ein wenig genauer einordnen, so fällt der 1980er-Einschlag auf, den ihre Musik zweifellos besitzt. Damit ist jetzt nicht gemeint, dass die Herren schmierigen Sleaze Rock spielen, aber doch mit den amerikanischen Hard Rock-Spielarten mehr am Hut haben, als mit den klassischen, britischen Vertretern.
Es fällt auf, dass der Vierer ein Händchen für packende Melodien und griffige Songstrukturen hat. Der eröffnende Titeltrack ist eine Halbballade mit Piano-Anteil und schönen Gesangslinien, die mit einem tollen Refrain aufwartet. Lebensweisheiten wie »if the best things in life are free, keep your dirt and your disease« sprechen eine deutliche Rock'n'Roll-Sprache. Der zweite Song, "The Secret", ist eine packende Hard Rock-Perle, die ordentlich nach vorn geht und zum Partymachen einlädt. Hier findet man Boogie-Piano und charakteristisches Riffing genau so wie ein knackiges Solo. "End Of The Line" nimmt das Tempo daraufhin ein wenig raus, stampft in den Strophen sehr gut vor sich hin, nur um dann im Refrain wieder die großen Melodien auszupacken. Bleibt im Ohr kleben!
Die vierte Nummer, "Teardrops", ist die erste waschechte Ballade dieser Scheibe. Aber wer hätte bei dem Titel denn auch ernsthaft was anderes erwartet?! Hier triefen Schmalz und Kitsch teilweise recht stark und der Song erinnert, nicht zuletzt wegen Marco Paganinis Singstimme, an die kitschigeren Momente eines Ozzy Osbourne. Aber wer 1980er Hard Rock mag, der hat zweifellos eine Vorliebe für Rockballaden dieser Art - somit hat dieser Song also seine absolute Daseinsberechtigung.
Diese ersten vier Stücke geben also einen guten Überblick über das, was den Hörer bei "Medicine Man" erwartet: Hoher, leicht näselnder Gesang, packende Refrains, Keyboard-gestützte Riffs, ruhige Piano-Anteile und so weiter. Allgemein hat man es hier mit schön fettem Sound zu tun.
Aber weiter im Text: "The Only One" ist ein treibender Rocker, "Keeping It Real" beginnt ruhig, mausert sich im Folgenden dann aber zur Rock-Nummer. Bei "Easy Come, Easy Go" sieht es genau so aus. Häufig beginnen die Songs also ruhig, nur um anschließend den Energie-Level ein ganzes Stück hochzuschrauben - Power und Gefühl halten sich auf "Medicine Man" somit die Waage.
Den Abschluss der Platte macht das opulent-epische "Faith Healer" (im Original übrigens von der Sensational Alex Harvey Band), das es gleich in zwei Versionen auf das Album geschafft hat: Einerseits bekommt man die abgespeckte Radio-Version zu hören, andererseits kann man sich zum Vergleich die ausgedehnte Remix-Version reinziehen. "Faith Healer" ist meiner Meinung nach das anspruchsvollste Stück, das etwas in Kontrast zu den anderen Songs von "Medicine Man" steht. Hier gehen die Schweizer schon fast progressiv zu Werke, was ihnen sehr gut zu Gesicht steht. Ein sphärischer, hypnotischer Refrain sowie ausgedehnte Keyboard-Teppiche kreieren ihre ganz eigene Stimmung.
Große Unterschiede bestehen bei den beiden Versionen übrigens nicht. Beim Remix hat man einfach das Intro deutlich in die Länge gezogen, sonst sind beide Aufnahmen ziemlich gleich. Dort dauert es ganze zweieinhalb Minuten, bis der Gesang einsetzt, während die Radio-Version schon nach einer halben Minute Spielzeit mit der ersten Strophe aufwartet.
Unterm Strich hat man es mit einem ziemlich guten Hard Rock-Album zu tun. Man merkt Marco Paganini an, dass er nicht erst seit gestern im Namen des Rock unterwegs ist, sondern gerade in den 1980er Jahren ordentlich dabei war. Gemeinsame Auftritte bzw. Tourneen mit Mötley Crüe, Motörhead, Judas Priest oder den Scorpions sollten Beweis genug dafür sein und auf der offiziellen Homepage kann man sich unter der Rubrik 'History Diary' die eine oder andere Anekdote zu Gemüte führen.
Wer also dem Rock und Metal aus dieser Zeit nicht abgeneigt ist, der sollte sich vom "Medicine Man" diese Scheibe ruhig mal verschreiben lassen - es könnte helfen.
Line-up:
Marco Paganini (vocals)
Dale Powers (guitar)
Kiki Crétin (bass)
Diego Rapacchietti (drums)
Tracklist
01:Medicine Man (5:45)
02:The Secret (3:08)
03:End Of The Line (4:03)
04:Teardrops (4:11)
05:The Only One (3:17)
06:Keeping It Real (4:04)
07:Easy Come, Easy Go (3:53)
08:Stomping Grounds (4:09)
09:I Don't Want Your Love (4:19)
10:Faith Healer [Radio Edit] (5:28)
11:Faith Healer (Extended) [Stone Cold Turkey Mix] (7:25)
Externe Links: