Paintbox / Bright Gold And Red
Bright Gold And Red Spielzeit: 41:54
Medium: CD
Label: Wild Chance Music, 2008
Stil: Art Pop


Review vom 25.01.2009


Ingolf Schmock
Seit über einem Jahrzehnt steht das schwedische Prog/Avantgarde-Ensemble Isildurs Bane für ein schwer beschreibbares innovatives Musikpaket, welches bisher sowohl durch raffinierte, von moderner Klassik und traditionellem Symphonic Prog, als auch von freier Improvisation geprägten Arrangements, für Aufsehen im Genreumfeld sorgte.
Anfänglich musikalisch von den ruhigeren Seiten britischer Prog-Formationen der siebziger Jahre inspiriert, befanden sie sich immer im stetigen Wandel, und entwickelten bzw. verwirklichten die vielfältigsten Kompositionsideen.
Von den Großmeistern war seit langem nichts mehr studiotechnisch zu vernehmen, so dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sich aus diesem voluminösen, kreativen Siedetopf einige Tropfen ihren Weg suchten, um sich einmal selbst verwirklichen zu können. Mit den progressiven Frühwerken der bekannteren Epigonen haben nun Paintbox über weite Strecken gar nichts mehr gemein, eher noch mit deren neuzeitlichen Schaffen, welches sich schon bruchteilhaft in eine kunstvolle Pop-Richtung bewegt.
Einmal abgesehen von den musikalischen Gästen, welche am vorliegenden Studio-Erstling des Halmstader Bandprojektes mitwirken, sind als künstlerische Drahtzieher gleich zwei Virtuosen aus dem Isildurs Bane-Umfeld maßgeblich beteiligt. Das musikalische Endprodukt "Bright Gold And Red" spukte den beiden Multiinstrumentalisten Fredrik 'Gicken' Johansson und Linnea Olsson, die auch für den bezaubernden Gesang sorgt, schon eine geraume Zeit durch ihre Hirne und lechzte geradewegs nach einer Verwirklichung.
Mit der Verstärkung durch Schlagzeuger Magnus Helgesson nebst Gästen, und dem teils klassischen Instrumentarium, legen die Schweden jetzt ihr musikalisches Zeugnis ab, und richten sich mit ihrem empfindsamen Kunst-Pop souverän bzw. professionell auf ihrer eigenen Parzelle ein.
Verschachtelte, pompöse und zappaeske Arrangements darf der Konsument mit dem Hang zum Progressiven hier nicht erwarten, bekommt dagegen aber perlende, eingängige Melodien geboten, welche sich aber völlig der Belanglosigkeit entziehen und für wärmende Assoziationen sorgen. Die Protagonisten entlocken nahezu transzendal eine beeindruckende Klangatmosphäre, die dank den stets kultiviert eingesetzten Streich- und Tasteninstrumenten, nebst Linnea Olssons verträumtem Elfengesang, einen noblen Ton und kammermusikalischen Charakter erzeugen.
Die samtweiche Vokalistin, die stellenweise an ihre Landsmännin Petronella Nettermalm (Paatos) erinnert, ist zu jeder Zeit präsent und positioniert ihre technisch ambitionierte Stimme stets dimensioniert in das plastisch ausgewogene Klangbild. Zusammen mit ihren Mitstreitern behaften diese durchaus die ausgeschmückte Figuration mit erfüllten poetischen Charme und einer ungemeinen Leichtigkeit, versuchen aber teilweise dabei zuviel zu leisten. Gänzlich unaufgeregt nimmt der weniger nordisch unterkühlte musikalische Diskurs Fahrt auf, und nötigt den Zuhörer, bei ausladend zarter Instrumentierung mit vermindert elektronischen Verzierungen, eine betörend entrückende, aber auch positive Stimmung zu evozieren.
Musikalische Subtilität und Lebenslaune begleiten dicht nebeneinander das Eintauchen in die Welt der Schweden, die hierbei natürlich aus dem jahrelangen Erfahrungs-Fundus der Mutterband Isildurs Bane schöpfen konnten. Die gern benannte Genreschublade wird vom Label selbst als Alternative Pop/Prog bezeichnet, welche angesichts der Mixtur aus - im weitesten Sinne - proggigen und akzentuierten Pop-Melodien schnell dem Ohr schmeicheln und sich festzusetzen vermögen.
Die Arrangements und wundersamen Beats summieren bei diesem Werk zu jener Harmonie, die Glückseligkeit erweckt und durch klassisch inszenierter Pop-Grandezza im zeitgemäßen Gewand als Klaviatur der Gefühle ertönt. Paintbox vermählen die Stilgriffe der populären Musik mit dem obligaten, digitalen Produktdesign, und setzen ihr spärliches Instrumentarium in assoziative Klänge von anheimelnder Wärme und großer emotionaler Dichte, welche stellenweise tief berühren, aber auch zum beschwingten Mittänzeln anregen.
Dabei schwelgt das Miniorchester in ihrem brillant in Szene gesetzten hybriden Konstrukt mit viel Ambiente und einer Prise floydscher Ästhetik, das seine Schöpfer als vortreffliche Songarchitekten ausweist.
Die musikalischen Traumwandler illuminieren mit sicherem Handwerk stark reduzierte, nahezu minimalistische Arrangements mit kargem Rhythmustenor, traurige Streicher bzw. Tastenflächen, spärlich frappierte Gitarren, in Kombination mit Linneas hypnotischer Stimme, und lassen dabei nur eine geringe Spur nordischer Gefühlskälte zurück. Im Gegensatz zu anderen Räubern im Popkultur-Fundus nutzen Paintbox jede ästhetische Parallele, um tief, in ganz eigene, höchst filigrane Szenarien, aus Soundtrack-Miniaturen und Singer/Songwriter-Understatement mit zeitlosen Timbre, einzutauchen.
Zu jeder Zeit begleitet uns die Omnipräsenz der Sängerin, die in ihrer schlichten Schönheit bzw. blumigen Darbietung den Atem nimmt und dieser Platte zusätzlich eine Dimension der Intimität und inneren Ruhe verleiht.
Den Beteiligten gelingt es, aus jedem Stück persönlichen ambivalenten Gefühl, eine feingliedrige Klangwelt zu fabrizieren und die vermehrt kompositorischen Facetten nicht in klebrig anmutende Langeweile abgleiten zu lassen.
Der geneigte Hörer verfällt sehr schnell der malerisch verlegenen Tanzboden-Atmosphäre von "45 On", den Orchestral Manoeuvres In The Dark-assozierenden Rhythmen aus "Wild Chance", oder der opulent effektvollen Saitenspielerei von Christof Jeppson im treibenden "Air". Anderseits faszinieren die kurzen Songs auch durch traumwandlerische Prämissen, wie das düster eindringliche Wiegenlied "Winter", oder das Björk-marinierte, beschwörende "Chameleon", das sich hauptsächlich an der klassischen Süffisanz von Violinistin Laima Olsson und Gastgitarristin Mariette Hansson zu laben vermag. Hierbei empfindet man es nicht unbedingt störend, dass die musikalischen Ansätze trotz ihrer streckenweise kitschigen Klischees als flüchtiger Halt für die Momente des Schönklangs dienen.
Grundlegend kommt man früher oder später zu der Erkenntnis, dass die elf kurzweiligen Kompositionen Hirn und Herz schmeicheln, und einige dieser genaustens durchkonzipierten Perlen geradezu als Blaupausen für moderne Popmusik herhalten könnten.
Dieses, leider etwas zu kurz geratene Studiodebüt des schwedischen Trios, ist ein erwärmendes Pedant für den frostigen Beginn des Jahres und eine willkommene Ablenkung für die progverklärten Sinne. Vielleicht gelingt es ja Einigen beim Konsumieren, durch bewusstes Innehalten, Aufmerksamkeit und Empfindungen wieder anzuregen. Eigenschaften, welche heute immer mehr Abstumpfungen unterliegen.
Insofern muss man diesem Experiment attestieren, das hochgesteckte Ziel gänzlich erreicht zu haben. Einer konzertanten Umsetzung von "Bright Gold And Red", welche wohl geplant ist, kann man durchaus mit Spannung entgegensehen, und darauf hoffen, dass dies erst der Anfang einer fruchtbar kreativen Musikpartnerschaft bedeutet.
Tracklist
01:Ligthouse
02:Stop Running
03:Wild Chance
04:Heaven
05:Walls Coming Down
06:45 On
07:Chameleon
08:Winter
09:Love
10:Air
11:Choosing Love
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