Papir / Stundum
Stundum Spielzeit: 79:29
Medium: CD
Label: El Paraiso Records, 2011
Stil: Psychedelic Rock

Review vom 26.11.2011


Joachim 'Joe' Brookes
Ein Trio aus Dänemark macht mächtigen Eindruck. Christoffer Brøchmann (Schlagzeug) mag Can oder Miles Davis. Gitarrist Nicklas Sørensen verehrt Michael Rother (NEU!, Harmonia, Kraftwerk) sowie Manuel Göttsching (Ash Ra Tempel) und bei Christian Becher Clausen (Bass) sind Vorlieben nicht rauszukriegen. Egal wie, die Musik von Papir passt weder auf liniertes noch kariertes Papier. Die Musik lässt keine Raster zu. Da muss ein Stapel in der Blankoausgabe her, damit man seine Fantasien ausmalen kann.
Papir hat mit dem Debüt "Papir" bereits eine erste Duftmarke gesetzt und "Stundum" ist nun der zweite Ausritt ins Universum des psychedelischen Rock ohne Keyboards, aber trotzdem kommt es einem so vor, als würden schwarze und weiße Tasten gedrückt oder an irgendwelchen Knöpfchen gedreht.
Die Papir-Kollektion bietet Stücke in ziemlich unterschiedlicher Spielzeit und -laune. Gegenüber knapp zwanzig scheinen fast fünf Minuten wie ein Song fürs Radio. Papir strukturiert die sechs Tracks nach Wochentagen, wobei so einige fehlen und andere in ein zweites Kleid gesteckt werden, sprich aus einer anderen Session stammen. Im freien Schaffen sind alle drei Musiker schon wahre Könner und haben Ahnung sowohl vom psychedelischen Rock der Vergangenheit als auch unserer Zeit.
"Tuesday #2" ist großartig in Szene gesetzte Weltraum-Schwerelosigkeit, in der das Schlagzeug nicht zu hören ist und die Gitarre wie ein Keyboard/Synthesizer klingt. Papir hat bestimmt auch Harmonia gehört. Hier wabern die Klänge in langgezogenen Amplituden und auf- beziehungsweise abschwellender Lautstärke. Okay, als letzter Track auf "Stundum" ist das Stück herrlich zum Ab- und Entspannen angelegt. Ach, ist es schön, wenn sich Papir an anderen Stellen geduldig in den Hard Rock der Siebzigerjahre treiben lässt.
Das Trio kann aber auch ganz anders, sonst wäre der Begriff Rock ja völlig überflüssig. Im Gegensatz zu "Tuesday #2" geht es in der ersten Ausgabe des Wochentages schon dynamischer zu. Brøchmann setzt bei seinem Drumming auf Komplexität und akzentuierten Becken-Einsatz. Selbstredend ist er darüber hinaus auch ein Meister des Groove. Stimmungen und Rhythmik ändern sich wie die Bewegungen einer Amöbe oder auch ziemlich plötzlich. Alle drei Musiker sind Fantasten im Kreieren von instrumentalen Klangwelten, in die man sich ohne Netz und doppelten Boden hineinsinken lassen kann. Wo sind wir? Sorry! Der 'Dienstag' entwickelt sich zu einem sehr wichtigen Tag, denn das Trio gleitet fast unmerklich auch in die hypnotische Abteilung des Genres und dann genauso heimlich auch wieder raus. Man lässt die Riffs und Töne fast ohne ersichtlichen Schluss rotieren und zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse in einem infernalischen Intermezzo der Gefühle. Aber Papir lässt den Hörer nicht ohne Schutz über dem Kopf im Regen stehen. Es entwickelt sich doch noch so etwas wie Entspannung.
Relaxt jammend beginnt "Stundum" mit "Sunday #1". Dabei kündigt einem das Kopfkino mit einem tollen Groove den Morgen in seinen herrlich warmen Farben an, zumindest, was Schlagzeug sowie Bass anbelangen. Die E-Gitarre geht da schon schärfer zur Sache. Insgesamt kann der Hörer sich über die erste Sonntags-Musik bestens mit den Machenschaften von Papir auseinandersetzen.
"Sunday #2": lang, länger am längsten. Das Stück läuft und läuft und läuft. Es beißt sich nach der zurückhaltenden Einleitung und einem herrlich groovenden Abschnitt so richtig klasse im Rock fest. Nach einigen Minuten folgt ein sehr perkussiver Part, in dem der Bass auch noch ordentlich mitmischt.
Der "Sunday #2" und "Monday" sind Loblieder auf den psychedelischen Rock mit super Gitarren-Anschub. Natürlich sind nicht nur diese beiden Tracks hervorzuheben. "Stundum" ist randvoll mit toller, abgefahrener Musik und Papir erweist sich als nicht geduldig. Diese Platte sollte schnellstens im Platten-Regal (das Album erscheint auch als LP) unbedingt neben den allgemein verdächtigen Vertretern des Genres stehen.
Line-up:
Nicklas Sørensen (guitar)
Christian Becher Clausen (bass)
Christoffer Brøchmann (drums)
Tracklist
01:Sunday #1 (7:03)
02:Saturday (14:07)
03:Monday (19:40)
04:Sunday #2 (18:29)
05:Tuesday #1 (15:28)
06:Tuesday #2 (4:40)
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