Frisch 'ausgeruht' von der Party zum 30-jährigen Bandjubiläum ist Altmeister Nick Barrett ein großer Wurf gelungen. Man soll sich auch - oder insbesondere - in Sachen Musik mit Superlativen bedeckt halten, aber Passion ist ein sensationelles Brett in den progressiven Gefilden des 21. Jahrhunderts, und das von einem alten Haudegen ... Passion ist ein Album für Neo Prog-Fanatiker - und für Leute, die Neo Prog (bis jetzt) nicht mögen und bereit sind, sich faszinieren zu lassen.
Barrett, alleiniger Songwriter und Texter, ist kein ewig Gestriger - und Passion ist kein Album, das einen bloß durch retro-proggige musikalische End-60er-Blumenwiesen führt. Nein, Mr. Pendragon lässt sich von allen möglichen musikalischen Fließrichtungen inspirieren. Ambient und elektronische Spielereien, Heavy Metal, Rap, Symphonic Rock, Retro Prog, Pop, Folk - Passion hat alles, aber klingt dabei zu jeder Sekunde nach Pendragon.
Der Opener und Titeltrack "Passion" beeindruckt durch düstere Heavy-Riffs. Der enorme Druck zerfällt schließlich buchstäblich in einer minimalistisch-melancholischen Atmosphäre aus Clean Gitarre und gehauchtem Gesang - eine stets angespannte Traurigkeit, die beinahe an Bands wie Tool oder neuzeitliche Fates Warning erinnert. Nahtlos schließt sich "Empathy" an. Es beginnt mit einem monotonen Drive aus breitwandigen Gitarrenriffs, wie in Trance ... eine fesselnde Spannung, die abermals wie von Zauberhand ins Unwirkliche dreht. Die nervöse Unruhe bleibt - mal heavy stampfend, mal zerbrechlich, fast endzeitlich.
Und rasch wird deutlich, dass auf diesem Album einiges zusammenhängt. »Passion? Give me some empathy«, diese Chorus-Zeile taucht in den ersten beiden Stücken gleichermaßen auf, in verschiedenen Variationen und sehr markant - eine simple Melodie, die plötzlich eine regelrecht bombastische Kraft erhält und deutlich heraussticht. Es folgt ein ausgedehnter psychedelischer Part mit detaillierten Klangexperimenten und wehmütigen Melodien. Sprechgesang legt sich hinter die traumhaft schöne, melancholische Solo-Gitarre - welch eine krasse Wirkung!
Nick Barrett bleibt unberechenbar. "Feeding Frenzy": Ein introvertiertes Bass-Intro, beklemmende Stimmung, und ein Wechsel in einen stark verdichteten, aggressiven Klang aus Alternative-tauglichen Gitarren, druckvollem Metal-Schlagzeug und modernen Synthie-Sounds. Das Stück macht zwischenzeitlich viel Tempo und zeichnet sich immer wieder durch unvorhersehbare Stimmungswechsel aus. Fantastisch, wie Nick Barrett diese Mosaike aus gespentischer Düsternis, bedrohlicher Schwere und plötzlichen Aufhellungen erschafft.
"This Green And Pleasant Land" besticht durch einen - getreu dem Album-Titel - leidenschaftlichen Chorus: eine fast Pop-taugliche Melodie, undefinierbar 'britisch' zwischen traurig und fröhlich. Wer hätte das gedacht, nach dem minutenlangen in sich gekehrten Einstieg, in dem Nick Barrett von seinen Verwandten erzählt, die in in Kriegen und Konflikten Leben oder Lebensmut verloren haben. Und genau das zieht sich thematisch durch das ganze Album "Passion": Verschwendete 'Leidenschaft' und verschleuderte Energie für viel Wahnsinn in der Welt. Wo bleibt das Einfühlungsvermögen, das die Menschen unterscheidet von gefühllosen Robotern oder von wilden Tieren, die einander zerfleischen? "This Green And Pleasant Land" - der Titel ist Zynismus pur.
Auch "It's Just A Matter Of Not Getting Caught" ist schon vom Titel her ein weiteres von vielen sprachlichen Bildern, und in Sachen Text und Musik ein surreal anmutendes Gedankenspiel. "Skara Brae", benannt nach einem Ort auf einer Insel nördlich von Schottland, steht symbolisch für die Flucht vor Welt und Menschen. Und musikalisch ist es vielleicht der stärkste Song des Albums, geprägt von einem simplen, aber gekonnt verproggten Gitarren-Riff, das sich im weiteren Verlauf durch zahlreiche instrumentale und chorale Variationen wie ein roter Faden durchzieht.
Mit "Your Black Heart" fährt das Album ganz zum Schluss die Energie runter - eine Mischung aus magischen, fast Harfen-haften Uralt- Genesis-Gitarrenarpeggien in einer verwunschenen, unwirklichen Stimmung und unendlich schwermütigen, aber wunderschönen Klavier- und mehrstimmigen Gesangsmelodien. Traurig und nachdenklich endet ein Album über Wut, Trauer und ein kleines bisschen Optimismus, das ob seiner Vielseitigkeit, Detailversessenheit und kunstvoll ineinander verwobenen Stimmungen ein echtes Erlebnis darstellt. Progressiver Pflichtkauf 2011.
Die zusätzliche DVD der Limited Edition enthält ein eine Stunde, 20 Minuten langes Making of: "Making Passion - A Handycam Progumentary". Es gibt kurze Sequenzen der Band auf Tour, unter anderem auch in mehreren deutschen Clubs, von den Aufnahmen im Studio und vor allem von Nick Barrett bei sich zu Hause. Er beantwortet Fragen der Fans, zeigt, wie er die Tour der Band ganz ohne Bandmanager plant und albert mit seinem Weihnachtsgeschenk herum, einem überdimensionierten, alles nachplappernden Plüsch-Hamster. Und er gibt anhand detaillierter Beispiele Einblicke in seinen Songwriting-Prozess: wie unterschiedlich sich Stücke an der Gitarre ("Skara Brae") und am Keyboard ("Your Black Heart") entwickeln - wirklich nicht uninteressant. Das 'Progumentary' - ein kurzweiliger Einblick in die Welt eines sympathisch-verrückten Musik-'Wissenschaftlers'!
Line-up:
Peter Gee (bass guitar)
Scott Higham (drums, backing vocals)
Clive Nolan (keyboards, backing vocals)
Nick Barrett (lead vocals, guitar, backing vocals, keyboards, keyboard programming)
Tracklist |
01:Passion (5:28)
02:Empathy (11:21)
03:Feeding Frenzy (5:47)
04:This Green And Pleasant Land (13:14)
05:It's Just A Matter Of Not Getting Caught (4:41)
06:Skara Brae (7:32)
07:Your Black Heart (6:46)
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