Peter Post / Wachablösung - Bob Dylan Songs auf deutsch
Wachablösung - Bob Dylan Songs auf deutsch Spielzeit: 57:59 (CD 1), 27:03 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Cactus Rock Records, 2015
Stil: Singer/Songwriter, Rock

Review vom 19.02.2016


Markus Kerren
'Verdammt mutig!' war der erste Gedanke, der mir nach dem Erhalt dieser Doppel-CD in den Sinn kam. Der deutsche Musiker, Sänger und Songwriter Peter Post hatte es sich zur Aufgabe gemacht, eine Produktion zu fahren, die die Songs von Bob Dylan in deutscher Sprache präsentiert. Also speziell von dem Mann, dessen Poesie selbst in der Originalsprache oft nicht zu entschlüsseln bzw. zumindest immer in mehrere Richtungen interpretierbar ist. Von dem Mann, dessen Presseinterviews eigentlich nie Beantwortungen von Fragen sind, sondern immer noch mehr verwirren, als man es zuvor eventuell sowieso schon war. Kann so etwas gutgehen?
Herausgekommen sind schließlich 19 Songs und knapp anderthalb Stunden Spielzeit, die in ihrer Gelungenheit doch (manchmal sogar sehr) weit auseinander driften. Peter Post hatte etwa 1976 (nach dem Erscheinen des Albums "Desire") die ersten Berührungspunkte mit dem Amerikaner, entdeckte ihn so richtig für sich selbst allerdings erst inmitten der christlichen Phase des Poeten, sprich dem Album "Saved" (1980). Post sagt von sich selbst, eigentlich überhaupt nicht religiös zu sein, dass die gerade erwähnte Scheibe damals aber eine wahre Erleuchtung für ihn war. Nicht spirituell gesehen, sondern vielmehr auf die Poesie und das Feeling Mr. Zimmermans gemünzt. Folgerichtig stammen dann auch sehr viele (bzw. die meisten) der Tracks auf "Wachablösung..." aus der Zeit des Jahrzehntewechsels von den Siebzigern auf die Achtziger.
Dieses mir jetzt vorliegende Album wurde von Bob Dylan höchstpersönlich autorisiert. Ob er einfach nur die Idee cool fand oder die Stücke tatsächlich auch gehört hat, bevor er sie absegnete, wird leider nicht übermittelt. Kommen wir zu dem vorliegenden Werk und den ge- sowie auch misslungenen Titeln. Die Musik wird zumeist professionell und auch gut umgesetzt, selbst wenn deutlich wird, dass hier andere Kaliber (bzgl. der aufnehmenden Musiker) als bei den Originalaufnahmen Dylans im Studio waren.
Bob Dylan-Texte kann man in den seltensten Fällen wörtlich übersetzen, wobei man Peter Post das Kompliment machen muss, diese Herausforderung in den meisten Fällen ziemlich gut gelöst zu haben. Wie aber bereits erwähnt, sind viele der Nummern (abgesehen von denen, in denen der gute Bob den christlichen Hammer auspackte und uns seine - damals teilweise indoktrinierende und keinen Widerspruch duldende - Meinung in den Schädel 'kloppen' wollte) vielfach interpretierbar. Das geht teilweise so weit, dass wenn man zehn Dylan-Fans über die Bedeutung eines bestimmten Tracks befragt, zehn unterschiedliche Antworten erhält. Vielleicht hat sich Post deshalb auch zumeist auf Songs mit relativ klaren Aussagen konzentriert.
Bei einer Nummer wie "Lenny Bruce" kann man eigentlich auch keine großen Patzer reinhauen, wenn man der englischen Sprache einigermaßen mächtig ist. Und dennoch hätte ich hier gewisse Stellen anders übersetzt bzw. hatte andere Gedanken im Kopf als die Worte, die der Deutsche uns hier präsentiert. Der Gesang von Peter Post ist durchaus okay, wenn für meinen Geschmack auch oft zu emotionslos. Denn selbst wenn Dylan auch immer als 'Nicht-Sänger' beschimpft wurde und wird, so steckt(e) doch stets jede Menge Feeling (selbst wenn es um Resignation ging) in seinem Material.
Bei einem solchen wie hier zu besprechenden Unterfangen kommt weder ein Rezensent, noch der Hörer jemals an dem Punkt vorbei, das vorgelegte Songmaterial mit dem Original zu vergleichen. Ohne hier wirklich auf jeden Song einzeln eingehen zu wollen, möchte ich zumindest die Highlights sowie auch die Flops benennen. Wenn man mal von meiner eigenen Empfindung bzw. meinem emotionalen Verständnis der Originaltexte absieht, sind speziell die beiden Stücke des Albums "Time Out Of Mind" (1997), nämlich "Liebesmüde" ("Love Sick") sowie "Noch nicht dunkel" ("Not Dark Yet") ziemlich gut gelungen, auch "Erlaubnis zum Mord" ("License To Kill") und "Die meiste Zeit" ("Most Of The Time") dürfen deutlich auf der Habenseite verbucht werden. Ich würde sogar so weit gehen, dass es sich beim letztgenannten Track um die beste Interpretation auf dieser Doppelscheibe handelt.
Die größte Katastrophe bzw. ein Titel, der vollkommen in die Hose ging, ist ausgerechnet das Titelstück (im Original "Changing Of The Guards"), das mich nach wie vor zwischen purem Erschaudern und einer bösen Lachattacke pendeln lässt (die weiblichen Background Vocals beförderten mich hier - ohne respektlos sein zu wollen - geradezu »...knocked out loaded...« unter den Tisch). Wirklich wahr! Auch "Einen letzten Becher" ("One More Cup Of Coffee") ist nicht wirklich überzeugend. Es gäbe durchaus noch weitere Kritikpunkte, ich will aber auch Folgendes nicht unerwähnt lassen: Ein einziges mal verweilte Peter Post bei der englischen Sprache, indem er "True Love (Tends To Forget)" im Originaltext vortrug. Das widerspricht dem eigentlichen Anliegen des Albums zwar, soll dem Protagonisten aber gegönnt sein.
Klar ist jetzt schon, dass "Wachablösung - Bob Dylan Songs auf deutsch" die Musik- und vor allem Dylan-Fans spalten wird. In welche Richtung das Pendel bzw. der Daumen gehen wird, wird sich wie immer zeigen. Man muss Peter Post zweifelsfrei Respekt für den Mut und die Umsetzung dieses Projektes zollen. Ein Projekt, bei dem man eigentlich nur verlieren kann - ein Projekt, bei dem jeder Gewinn fast schon wie ein Triumph zu bewerten ist. Und wenn sich der Aufwand sowie der eigentliche Beweggrund (nämlich die Lyrik Dylans auch dem deutschen Publikum etwas verständlicher zu machen) gelohnt hat bzw. Früchte trägt, dann hat dieses Doppelalbum seine Berechtigung auch verdient.
Diese Doppel-CD ist super aufgemacht, das kann man ihr nicht nehmen. In Buchform verpackt und dazu mit einem prallen Booklet versehen (inkl. aller Texte sowie einem 'Aufsatz' von Post), kommt das schon richtig gut. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es trotz aller Ambition von Peter Post - nämlich der Versuch, die Originaltexte Dylans so gut wie möglich eins zu eins ins Deutsche zu bringen - bereits bessere Annäherungsversuche gab. Als nur ein Beispiel sei hier Wolfgang Ambros'
Wie im Schlaf (Lieder von Bob Dylan) genannt, bei dem der Österreicher lediglich die Grundaussage der Tracks nahm und sie dann auf seine eigene (lyrische) Art interpretierte.
Der Protagonist verfolgt Bob Dylan und intensiviert seine Kenntnis über dessen Schaffen nunmehr seit ca. 35 Jahren. Er lässt uns auf "Wachablösung..." an seiner persönlichen Interpretation (der vorgelegten 19 Songs) teilhaben, die aber nun mal nicht unbedingt geteilt bzw. der nicht zugestimmt werden muss. Mein Respekt gehört dem Mut und der Entschlossenheit von Peter Post, aber Mut ist eben nicht alles...
Tracklist
CD 1:
01:Einen letzten Becher (One More Cup Of Coffee)
02:02:Senor [Fabeln von der Yankee-Macht] (Senor [Tales Of Yankee Power])
03:Wachablösung (Changing Of The Guards)
04:Gnade Gottes (Saving Grace)
05:Frau im Bunde (Covenant Woman)
06:Lenny Bruce
07:Im Sommer (In The Summertime)
08:Jedes Korn von Sand (Every Grain Of Sand)
09:Ein Schatz wie du (Sweetheart Like You)
10:Die meiste Zeit (Most Of The Time)
11:Liebesmüde (Love Sick)
CD 2:
01:Liebe minus null/kein Limit (Love Minus Zero/No Limit)
02:Leben verschwendet (One Too Many Mornings)
03:Mich dauert der arme Immigrant (I Pity The Poor Immigrant)
04:True Love (Tends To Forget)
05:Erlaubnis zum Mord (License To Kill)
06:Die Glocken läutet (Ring Them Bells)
07:Der Mann im schwarzen Gewand (Man In The Long Black Coat)
08:Noch nicht dunkel (Not Dark Yet)
Externe Links: