Bei Spätwerken von Legenden stellt sich fast immer die Legitimationsfrage, weil in der Regel der nagende Zahn der Zeit tiefe Spuren im Bandgefüge hinterlassen hat. Bei Poco ist das nicht anders. Seit sich Paul Cotton vor knapp drei Jahren zurückzog, werkelt das einzig verbliebene Gründungsmitglied Rusty Young tapfer mit einer Truppe, die mit Poco - außer dem Spirit - nicht mehr viel gemein hat. Acht Jahre nach "Bareback At Big Sky" und elf nach "Running Horse" legt diese nun mit "All Fired Up" ein neues Studioalbum vor und angesichts dieser Umstände sogar ein richtig gutes!
Poco standen stets im Schatten der großen Eagles. Völlig zu Unrecht, denn beide waren als Epigonen Gram Parsons auf Augenhöhe wichtige (die wichtigsten?) Wegbereiter des Country Rock. Gemeinsame Markenzeichen waren extrem harmonische Instrumentierungen und ein exzellent ausgefeilter Satzgesang.
Und genau hier liegt die Crux von "All Fired Up". Rusty Young war aus gutem Grund im alten Bandgefüge 'nur' Bestandteil der Chöre. Für die Lead-Gesänge sorgten Richie Furay, Paul Cotton und Timothy B. Schmit, allesamt mit geschmeidigeren Stimmbändern gesegnet. Nun muss Rustys etwas dünne Stimme für seine Eigenkompositionen herhalten. Bassist Jack Sundrud und Multiinstrumentalist Michael Webb singen ihre jeweiligen Beiträge recht ordentlich, allerdings ohne hier einen einzigen stimmlichen Glanzpunkt setzen zu können. Zur Ehrenrettung muss man allerdings anmerken, dass die Satzgesänge mal wieder Poco-a-like famos sind! Die Harmonien sind überaus cremig und gleiten zu keinem Zeitpunkt ins 'Käsige' ab.
Abgesehen von Einschränkungen beim Sologesang sind die Kompositionen und Arrangements von "All Fired Up" großartig. Poco ist in dieser Hinsicht ein richtig gutes Spätwerk gelungen. Die Songs haben durch die Bank einen hohen Wiedererkennungswert und sind 'typisch Poco', aber sowas von Poco... Dieser Country Rock ist mal geschmeidig - mal griffig und wird mit Bluegrass-, Rock'n'Roll- und sogar Blues-Elementen aufgewertet. Der Einstieg von Michael Webb, der vor zwei Jahren Paul Cottons Platz einnahm, erweist sich als Gllücksgriff, weil er eine Vielzahl von Instrumenten beherrscht und so einige völlig neue Klangfarben ins Spiel einbringen kann.
Gleich der Titelsong eröffnet munter 'shuffelnd' den zwölfteiligen Zyklus. Für den treibenden Rhythmus sorgt Gründungsmitglied George Grantham, was besonders erfreulich ist. Denn tragischerweise erlitt der Drummer und Sänger 2002 - während eines Auftritts mit der Band - einen schweren Schlaganfall und ist seitdem teilweise gelähmt, weshalb er seinen angestammten Arbeitsplatz nie wieder einnehmen wird. Ein schönes Wiederhören...
Danach können sich Sundrud ("Drink It In") und Webb ("That's What Rock And Roll Will Do") gesanglich in Szene setzen, wobei vor allem die letztgenannte Nummer mit Youngs heulenden Lap Steels und Slides richtig toll in Southern-Manier vorwärtsrockt. "Regret" ist dagegen etwas süßlich-lahm und wirkt mit über sechs Minuten Spieldauer etwas aufgebläht. Da greift das folgende "When She's Mine" deutlich beherzter in Richtung 'Eier'.
Hin und weg war ich persönlich von "A Little Rain" - vom ersten Ton an. Klingt, als wenn ein Westcoast-Hippie und ein Outlaw-Country gemeinsam komponiert hätten. Der Longtrack "Hard Country" beschäftigt sich mit den Nöten nordamerikanischer Farmer. Die depressive Grundstimmung wird durch Akkordeonklänge sowie zahlreiche Gitarren- und Orgelsoli aufgepeppt. Insgesamt gesehen ist diese Nummer trotzdem ebenfalls ein, zwei Minuten zu lang ausgefallen. Völlig ungewöhnliche Töne bietet das "Rockin' Horse", aber, auch wenn der Blues reichlich heavy angelegt ist, es handelt sich um kein Cover des Originals. Der Titel ist wohl eher auf Pocos 'Wappentier', einem wilden Bronco, gemünzt.
Absolutes Glanzstück von "All Fired up" ist "Neil Young" - eine brüllend komische, persiflierende Replik auf die kanadische Ikone. Und was Rusty Young hier so herrlich authentisch knödelt, ich muss ihn jetzt einfach mal zitieren, bevor das Album mit der schmachtenden Ballade "Long Shot" und einem knackigen Bluegrass Stomp endet:
»He's got a ranch in Northern California
Where the deer and the buffalo roam
I've never been there - I hear it's real nice
I saw a picture in Roling Stone
Neil Young is not my brother
Bad news for my mother
She could use the bucks
He's rich as Donald Trump
But Neil Young is not my brother
You won't find me on his Facebook page
No blogs, no twitter, no passes backstage
If Neil Young was my brother
We'd hang out with one another
I'd drive his electric car and play his vintage guitars
If Neil Young was my brother - but
Neil Young is not my brother«
Im 45. Jahr ihres Bestehens hat der Rest- Poco mit "All Fired Up" sein 25. Album abgeliefert und Rusty Young & Co. ist - wie bereits eingangs bemerkt - trotz der genannten Einschränkung ein beachtenswertes Spätwerk gelungen. Was sollen auch die ständigen Vergleiche mit den Bandklassikern wie "Poco", Crazy Eyes, "Head Over Heals" oder "Legend"...
Wer auf lässig-harmonischen, 'ausgeschlafen' produzierten Country Rock steht, wird mit "All Fired Up" bestens bedient.
Line-up:
Rusty Young (vocals, acoustic & electric guitars, pedal & lap steel guitar, dobro, banjo, mandolin, percussion)
Michael Webb (vocals, piano, Hammond B3, accordion, acoustic & electric guitars, mandolin, bass, clavinet)
Jack Sundrud (vocals, bass, acoustic & electric guitars, harp - #10)
George Lawrence (drums, congas, percussion)
Special Guests:
George Grantham (percussion - #1)
Bobby Keys (saxophone - #3)
Tracklist |
01:All Fired Up (3:31)
02:Drink It In (3:46)
03:That's What Rock And Roll Will Do (4:52)
04:Regret (6:22)
05:When She's Mine (3:23)
06:A Little Rain (4:46)
07:Hard Country (7:30)
08:Love Has No Reason (3:23)
09:Rockin' Horse (5:24)
10:Neil Young (4:27)
11:Long Shot (4:35)
12:Pucky Huddle Stomp (1:57)
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