Totgesagte leben länger! Was hier in den Staaten zunächst als eher
belächeltes Gerücht auf Internetseiten die Runde machte, wurde
schließlich bestätigt. Nach ca. 15 Jahren gab es wieder eine Pogues-Tour
in der Besetzung der "If I Should Fall From Grace" bis "Hell's Ditch" Alben,
also auch mit dem legendären Frontmann Shane MacGowan, in den USA.
Das gesamte Land konnte die Band auch in ihrer Hochphase, Mitte bis Ende der
80er Jahre, zwar nie 'knacken', aber zumindest an der Ostküste, wo wohl
der größte Teil der irisch-stämmigen Bevölkerung Amerikas angesiedelt
ist, hatte man sich eine starke Anhängerschaft erspielt. Die Ticketpreise lagen in diesem Jahr mit 50,00 Dollar im erträglichen und bei Veranstaltungen dieser Größenordnung durchaus
üblichen Bereich. Und die für diese Tour zunächst angesetzten sechs
Konzerte in vier Städten mussten dann auch wegen der unglaublichen
Ticket-Nachfrage fast verdoppelt werden.
Die für diese Tour zunächst angesetzten sechs Konzerte in vier Städten mussten dann auch
wegen der unglaublichen Ticket-Nachfrage fast verdoppelt werden.
Und in Atlantic City, dem nach Las Vegas zweitgrößten Spielerparadies
dieser Nation, war es ein wunderschöner Märztag, an dem die so lange
vermisste Band den zweiten Stop ihrer Reise einlegte.
Klar, dass wir früh anreisten und uns im riesigen 'Borgata
Hotel-Casino-Veranstaltungskomplex' erst mal zu freien Getränken über die
'Einarmigen Banditen', die sogenannten 'Slot machines' hermachten. Und es
fing gut an. Nachdem wir mehrere Stunden später, ich mit einem stolzen
Reingewinn von sage und schreibe 12,00 Dollar, in die Bar gingen, trafen
wir dort ein befreundetes Paar, das den Tag zuvor bereits auf dem Konzert in
Washington D.C. war und uns begeistert von dem absolut geglückten Event
berichtete.
Also: Alle Vorzeichen standen auf 'Super'! Im Vorprogramm konnten die Saw
Doctors eine gute Stimmung verbreiten und Pluspunkte sammeln, wenn auch
gegen Ende des Sets die "Shaaaane---OOOH, Shaaaane---OOOH"-Rufe immer lauter wurden. Die Saw Doctors zeigten sich jedoch verständnisvoll und blieben weiterhin sympathisch, wohlwissend, warum die Meute so ungeduldig wurde.
Und nach einer etwa halbstündigen Umbaupause gingen dann die Lichter aus
und die ca. 3500 Zuschauer drehten komplett durch, als die Band die Bühne
betrat und mit "Streams Of Whiskey" und "If I Should Fall From Grace With
God" ihren Reigen eröffnete. Aber, oh weh, meine Frau, die einen 7.Sinn
für so was hat, stellte fest, dass Shane MacGowan nicht so gut drauf ist und
verärgert wirkt. Diesen Eindruck konnte ich zwar nicht bestätigen, aber
bei solchen Sachen ist meistens sie diejenige, die richtig liegt. Sie kennt
'ihren' Shane eben, wie sie immer so schön sagt.
Bezüglich des Konzertes erweisen sich ihre Befürchtungen jedoch als
unbegründet, denn sowohl die Band, als auch Shane spielen und singen sich
mit "Turkish Song Of The Damned", "Broad Majestic Shannon", "Boys From The
County Hell", "White City", "Sunny Side Of The Street" und "Sally MacLennan"
in einem wahren Rausch.
Der Sound war nicht überragend, was aber eher an der Lokalität als an der
Band lag. Shane MacGowan gönnte sich immer wieder mal Pausen und so konnten
sich auch Spider Stacy ("Tuesday Morning"), Terry Woods ("Young Ned Of The Hill") und Phil Chevron ("Thousands Are Sailing") als Vokalisten
auszeichnen.
Das dramatische Ende des Sets bildeten dann später "The Body Of An
American" und das unverwüstliche "Sickbed Of Cuchulainn", bevor die gesamte
Band erst mal ein kleines Päuschen einlegte. Die Zugaben bestanden aus
"Fiesta", dem Klassiker "Rainy Night In Soho" sowie "Star Of The County
Down", letzteres mit Drummer Andrew Ranken am Mikro, dem Shane aber über ein paar Textlücken hinweghelfen muss. Die Band verabschiedete sich erneut.
Da die Halle aber immer noch Kopf stand und das Publikum nicht müde wurde,
kamen die Mannen noch einmal auf die Bretter die die Welt bedeuten zurück,
um den Song zu spielen, der natürlich auf keinem Pogues-Konzert fehlen
darf: "Fairytale Of New York". Den weiblichen Gesangspart, der bei einem
dramatischen Unfall tödlich verunglückten Kirsty MacColl übernahm auf
dieser Tour die Tochter von Jem Finer (Banjo), die ihre Sache sehr gut
machte.
Das Publikum lag sich in den Armen, sang jede Zeile lauthals mit und es
waren nur noch breit grinsende Gesichter und die ein oder andere
sentimentale Träne zu sehen. "Wow", dachte ich mir, "selten sooo viele glückliche Menschen auf einem Haufen gesehen".
Den traditionellen Schlusspunkt stellte dann ein furioses "Irish Rover" dar, wiederum Wort für Wort lauthals von unzähligen Kehlen mitgegröhlt.
Als kleinen Gimmick versuchte Shane, seine Weinflasche auf dem Kopf zu
balancieren, was ihm auch für ca. 1,7 Sekunden gelang, bevor er sich dann
aber entschied, sie doch lieber auszutrinken, statt zu riskieren einen guten
Tropfen zu verschütten. Ganz klar ein Mann, der sich Prioritäten setzt...
Insgesamt eine triumphale Rückkehr ins Land der (un-) begrenzten
Möglichkeiten. Wie wird das erst nächste Woche rund um den St. Patrick's
Day im noch verrückteren New York City werden?? Die Auflösung gibt's,
falls ich's überlebe, in Kürze hier in der RockTimes.
Pogues, 13.03.2006, Atlantic City, New Jersey, Borgata Hotel & Casino
Konzertdauer ca. 155 Min.
Markus Kerren, 25.03.2006
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