Das 'Nokia Theatre' befindet sich in Manhattan, direkt am Times Square. Wenn
man mit der U-Bahn in die City fährt und an der Times Square Station wieder
ans Tageslicht kommt, hat man das Gefühl, plötzlich in eine andere Welt zu
treten. Riesige Wolkenkratzer, überdimensionale Leuchtreklamen, ganze
Schwadronen von Polizisten, apokalyptischer Verkehr und Menschen, Menschen,
Menschen.
Nachdem ich dieses Szenario ca. 45 Minuten auf mich wirken ließ und von den
Eindrücken schlicht und ergreifend überwältigt war, war ich ehrlich
gesagt ganz froh, als wir in eine irische Bar einkehrten, um uns dort die
letzten 60 Minuten bis zum Einlass in das Theatre zu vertreiben und wieder
etwas Ruhe zu finden. Aber auch hier ein großes Hallo, da wir dort Freunde
von der Pogues-Liste aus u.a. San Francisco und Kanada trafen.
Das 'Nokia Theatre' erweist sich hinterher als für NYC-Verhältnisse klein,
aber fein, gewährt es doch 'nur' ca. 6000 Besuchern Platz. Außerdem
stellt sich heraus, dass es das bisher beste Venue ist, was Organisation und
vor allem Verpflegung angeht, das ich bisher in Amerika besuchen durfte. Der
Einlass verläuft schnell und reibungslos und es gibt nur minimale
Wartezeiten an den ausreichend vorhandenen Essens- und Getränkeständen.
Absolut vorbildlich und lobenswert. Für ein Bier muss man zwar stolze 7,00
Dollar hinlegen, aber hey: Wir sind in New York City und hier ist alles
mindestens doppelt so teuer wie auf dem Land.
An diesem Abend fand das letzte Konzert der ausverkauften Tour (mit vier
Shows alleine in NYC) statt und wir sprachen mit nicht wenigen Leuten, die
bei jedem einzelnen Gig dabei waren. Prinzip: "Wer weiß, ob wir das jemals wieder erleben dürfen." Recht hatten sie!
Bezüglich der Songs hatte sich gegenüber der letzten Woche in Atlantic City nichts geändert, was aber niemanden störte, hatten wir es doch
ausschließlich mit hochkarätigem Material zu tun. Und doch war an diesem
Abend alles anders. War ich von Atlantic City schon begeistert, so kam an
diesem Abend noch dazu, dass der Sound um Längen besser war. Die Band war
noch tighter, noch heißer, noch mehr beisammen und ich ertappte mich dabei
zu bedauern, dass die Tour fast schon wieder vorbei war.
Und vielleicht lag es auch an New York City selbst, das bei aller Hektik und
allem Chaos durchaus auch inspirierend wirkt. Oder wie ein Jungbrunnen? Die
Bandmitglieder jedenfalls, mittlerweile alle so um die 50 Jahre alt, wirkten
auf der Bühne aufgedreht und mindestens 15 Jahre jünger.
Selbstverständlich ließen sie es sich nicht nehmen, auch an diesem Abend
den Laden sprichwörtlich in 'Schutt und Asche' zu legen.
Wiederum entließen die Pogues ihr Publikum begeistert und glücklich in die
Nacht. In stabilem Gesundheitszustand kann diese Acht-Mann starke Band auf
dem Live-Sektor mit ihrem großartigen Song-Fundus auch einfach nichts
falsch machen. Super Abend!
Nach der Show erhielten wir aufgrund des sogenannten 'Vitamin B' Zutritt zur
V.I.P.-Lounge, wo sich nach und nach auch vier der Bandmitglieder und Shane MacGowans on-and-off Lebensgefährtin Victoria Clarke (der u.a. die
bittersüßen, aber starken Songs "Victoria" und "Song Without A Name" von
Shanes erstem Solo-Album "The Snake" gewidmet sind) ein und ich kann sogar
mehr oder weniger lange Gespräche mit James Fearnley (Akkordion) und Spider
Stacy (Tin Whistle, Gesang) führen.
"...I wanna wake up in a city that doesn't sleep..." heißt es in einem weltweiten Hit von Frank Sinatra. Und dass diese Stadt tatsächlich nicht
schläft, erfuhren wir in jener Nacht am eigenen Leib. Wir landeten in den
frühen Morgenstunden in einer weiteren irischen Bar, wo wir noch einmal mit
einigen Bekannten und einigen vorher Unbekannten für mehrere Stunden den
Ausklang der Tour feierten.
Alles in allem ein großes Erlebnis, das ich nicht missen möchte. Aber die
letzten Worte sollen Shane MacGowan und den Pogues gehören.
Worte, die sie sich einst auf die Fahne geschrieben hatten, als sie 1984 auf der
musikalischen Landkarte auftauchten:
"Oh, the words that Behan spoke seemed the wisest of philosophies,
there's nothing ever gained by a wet thing called a tear,
when the world is too dark and I need the light inside of me,
I'll go into a bar and drink fifteen pints of beer
Because I'm going, I am going
any which way the wind may be blowin'
I am going, I am going
where streams of whiskey are flowin' "
Die Songs der Tour ohne korrekte Reihenfolge:
1:Streams Of Whiskey 2: If I
Should Fall From Grace With God 3:Turkish Song Of The Damned 4:Sayonara
5:Old Main Drag 6:Bottle Of Smoke 7:Fiesta 8:Pair Of Brown Eyes 9:Dirty Old Town 10:Lulluby Of London 11:Rain Street 12:Boys From The County Hell 13:Sunny Side Of The Street 14:Broad Majestic Shannon 15:White City 16:Sally MacLennan 17:Tuesday Morning 18:Star Of The County Down 19:Young Ned Of The Hill 20:Thousands Are Sailing 21:The Body Of An American 22:A Rainy Night In Soho 23:South Australia 24:The Sickbed Of Cuchulainn 25:Fairytale Of New York 26:The Irish Rover
Pogues, 19.03.2006, New York City, Nokia Theatre
Konzertdauer ca. 155 Min.
Markus Kerren, 25.03.2006
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