Poor Genetic Material sind eine leider viel zu wenig bekannte deutsche Band der Progressive- und Art Rock Szene, die von Gitarrist Stefan Glomb und Keyboarder Phillipp Jaehne gegründet wurde. Anfangs widmete man sich der Arbeit an Soundtracks. Es erschienen die instrumentalen (Ambient-)Aufnahmen "Free To Random Vol. 1" und "2". Später, im Jahre 2001 stieß der Alias Eye-Sänger Phillip Griffiths zur Band und brachte einen entscheidenden Soundwechsel. Mit ihm wurde der sich über vier Alben erstreckende Jahreszeiten-Zyklus eingespielt, bestehend aus den Platten "Summerland", "Leap Into Fall", "Winter's Edge" und Spring Tidings.
Damit wurde die Band in der Szene bekannter.
Das neue, sogar zwei CDs umfassende Studiowerk der Truppe nennt sich "Island Noises" und ist ein Konzeptalbum, welches von Shakespeares "The Tempest" inspiriert ist. Darin geht es um einen sich auf einer geheimnisvollen Insel vollziehenden Sturm. Anstatt die Geschichte Szene für Szene nachzuerzählen, werden eher Themen, Stimmungen und Charaktere aufgenommen und in Form von Musik wiedergegeben. Man begegnet also in musikalischer Hinsicht einem Zauberer, Luftgeistern und einem deformierten Monster. Themen sind Liebe, Magie und der Stoff, aus dem Träume gemacht sind. Klingt spannend? Ja, auf jeden Fall. Nur, wenn man es nicht weiß, fällt es auch nicht großartig auf.
Der Reihe nach. Auf der Scheibe haben sich PGM Verstärkung durch Griffiths Vater Martin geholt, der auch das Cover gestaltete, sowie weitere Unterstützung durch Jutta Brandl (Voices) und Pia Darmstaedter (Flöte) sowie Martin Lengsfeld (Piano).
Die erste CD beginnt mit sämtlichen Geräuschen, Bass und Schlagwerk, mit darüber gelegten elektronisierten Keyboards. Der Rhythmus pocht und irgendwann setzt auch der malerische Gesang von Philip Griffiths ein, der anfangs ehrlich gesagt etwas gewöhnungsbedürftig ist. Großer Vorteil also, wenn man bereits andere Alben der Band kennt bzw. sein Eigen nennt. Eine erfrischende Nummer zu Anfang, bei der man sowohl merkt, dass die Musik von PGM zugleich voranschreitend, erzählend und dynamisch sein kann, und man sich als Hörer dabei trotzdem sanft zurücklehnen kann. Schon beim zweiten Stück lässt sich erkennen, dass der Bass so deutlich zu hören ist, wie bisher auf keiner der Scheiben der vier Jahreszeiten. Ein neues Feature, welches später noch mehr zur Geltung kommt.
Auf dem dritten Track schafft die Band semiakustische Gitarrenuntermalung über Basstupfer und sehr, sehr sanften Keyboardklängen. Track vier beginnt auch erst sehr ruhig mit Piano, ehe nach zwei Minuten plötzlich Riffing und Gesang unerwartet über den Hörer hereinbrechen. "Caliban's Dream" beginnt mít einer Erzählung von Father Griffiths. Das Klavier soliert, wieder über angenehmen Bass-Tupfern und zarten Keyboards. Hier ist man auf den einsteigenden Gesang vorbereiteter. Später bringt Gastmusikerin Pia Darmstaedter Flötenklänge als neues Rezept ein. Und schon sind wir im Longtrack, der dann endlich mit der richtig pumpend-progressiven Charakteristika mehr Druck aufbaut. Unterbrochen natürlich von ruhigeren Erholungspassagen sowie Sounds und Gimmicks, die stets für Erfrischung sorgen. Und wieder gewinnt der Bandsound durch den mehr in den Vordergrund getretenen Bass. Schön der Part ab etwa der achten Minute mit dem Gitarrengeschrammel. Kurz vor Ende, bei Minute fünfzehn, artet das Stück dann scheinbar in Rock'n'Roll aus, ehe es prompt wieder ruhiger wird, um nochmal ins Rockige auszubrechen.
"Banquet Of Illusion" eröffnet die zweite CD, erfrischend mit Gitarrenakkorden, wieder über prägenden Bassfolgen und Drumming. Dann beginnen auch die Keyboards zu quietschen und wir wissen wieder sofort, dass wir Progressive Rock hören. Die cleane Gitarre schafft es dann irgendwann sich durchzusetzen und über Erzählphrasen zu solieren, ehe wieder das rhythmische Drumgepolter-Gitarrenriff-Bassblubber-Intro einsetzt, diesmal mit in den Vordergrund drängender, jaulender E-Gitarre. Das Stück geht derart nahtlos in das akustische "Assassins And Sleepers" über, dass spätestens hier klar wird, dass es sich um ein Konzeptalbum handelt, auch wenn man schon durch "Summerland" gewohnt ist, dass auch Poor Genetic Material Songübergänge auf die Reihe bekommt.
Was ebenso bei dieser Nummer gelingt, ist der Übergang von instrumentalem Aufbau und einsetzendem Gesang, der auf dem ein oder anderen Track davor eher plötzlich hereinbricht und manchmal etwas von der Atmosphäre zerstört.
Das dritte Lied der zweiten Scheibe legt los mit Keys und weicher, weinender Gitarre, ehe Phil Griffiths irgendwie wieder eine fröhlichere Stimmung hereinbringt. Erscheint hier wieder nicht so ganz passend. Eigentlich ist er ein guter Sänger, aber irgendwie könnte der Vokaleinstieg an einigen Stellen geschickter gewählt werden. Das ist aber immer wieder ein Problem im Progressive Rock. Man gewöhnt sich schnell an instrumentale Muster und ist beim Stimmeinsatz so manches Mal schon überrascht. Und das lässt sich auch ganz schnell positiv als Überraschungsmoment und Nicht-Vorhersehbarkeit bezeichnen. "Fountain Of Innocence" ist dann drei Minuten lang sehr, sehr ruhig. Anschließend nur noch ruhig, mit auffälligem (richtig!) Bass plus Gitarrenlinen zwischen Mark Knopfler und Chris Rea. Durch den Gesang wird das Lied leider wieder gewöhnlich. Klavier und akustische Gitarre lassen es dann erneut ruhig ausklingen.
Im nächsten, sehr langsamen Song spielt das Piano nervigerweise immer die gleichen vier Töne. Hätte man etwas ergänzen können. Ein Glück, dass die Flöte da noch darüberschwebt. Kurzzeitig sorgt die E-Gitarre für rockigere Akzente, ehe das immer gleichklingende Klavier wieder einsetzt, diesmal allerdings scheinbar mit den Voices von Jutta Brandl garniert. Insgesamt ein etwas langweiliges Instrumentalstück, wohl das schwächste des Albums. "Ariel" ist unter drei Minuten lang und eher gesangslastig. "Drowning The Book" wartet mit Gitarrenpatterns auf, die an Genesis mit Steve Hackett erinnern, ist im Allgemeinen auch eher ruhig, enthält aber auch seine rockigen Ausflüge.
Das Album hat viele schöne Momente. Manchmal passt aber das eine nicht zum anderen. Die Stimmungswechsel, vor allem beim Gesangseinsatz sind nicht immer ganz nachvollziehbar. Etwas mehr Wiedererkennungswert in einzelnen Songs hätte auch gut getan. Trotzdem ist es ein starkes Werk, das dadurch punktet, dass es in punkto Sound facettenreicher ist - nicht zuletzt durch den stärkeren Bass-Einsatz, sondern auch durch die Gastmusiker. Als Konzeptalbum funktioniert "Island Noises" ganz gut. Aber irgendwie erwarte ich von einer Prog-Scheibe auch etwas Innovatives, was hier leider gar nicht gegeben ist. Abwechslungsreich ist diese, mal rockig, mal ruhig, mal mit Verkehrungsmomenten aufwartend. Aber es fehlt noch der letzte Biss. Härtere Gitarren an der einen oder anderen Stelle wären sicherlich gut gewesen. Somit bleibt es eben 'nur' eine gute Platte und "Summerland" weiterhin mein Lieblingswerk von PGM, dicht gefolgt von "Leap Into Fall".
7 von 10 RockTimes-Uhren
Line-up:
Stefan Glomb (guitar)
Philipp Jaehne (keyboards)
Philip Griffiths (vocals)
Dominik Steinbacher (drums)
Dennis Sturm (bass)
Guests:
Jutta Brandl (voices)
Pia Darmstaedter (flute)
Martin Griffiths (recitation)
Martin Lengsfeld (piano)
Tracklist |
CD 1:
01:Roarers (5:39)
02:A Dance So Strange (4:44)
03:Brave New World (3:57)
04:Let Them Beware (5:52)
05:Caliban's Dream (6:09)
06:Island Noises (19:55)
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CD 2:
01:Banquet Of Illusions (5:50)
02:Assassins And Sleepers (5:48)
03:In A State Of Grace (6:22)
04:Fountain Of Innocence (8:38)
05:Sycorax (4:32)
06:Ariel (2:42)
07:Drowning The Book (9:04)
08:Dreamstuff (8:34)
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Externe Links:
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