Public Image Limited / Live At Rockpalast 1983
Live At Rockpalast 1983 Spielzeit: 72:00
Medium: DVD
Sound: PCM Stereo
Bildformat: 4:3
Videoformat: DVD 5
Region-Code: 0 (weltweit abspielbar)
FSK: Ohne Alterseinschränkung
Label: M.I.G. Music, 2012 (1983)
Stil: Post Punk


Review vom 27.02.2012


Markus Kerren
In der kurzen, aber nach wie vor legendären Karriere der Sex Pistols hieß der einzig legitime Sänger bis zum Januar/Februar 1978 John Lydon, der sich bis dahin das Pseudonym Johnny Rotten verpasst hatte. Nach seinem Ausstieg/Rauswurf (je nachdem, wen man fragt) fackelte der Irischstämmige nicht wirklich lange und gründete mit Freunden die Band Public Image Limited (aka P.I.L., aka PIL). Einen Plattenvertrag zu ergattern war kein Problem und so erschien im gleichen Jahr noch das Debütalbum "First Issue", gefolgt von "Metal Box" und "Flowers Of Romance", bevor die Band auseinander fiel und Lydon/Rotten erstmal den Film "Copkiller" (mit Harvey Keitel in der zweiten Hauptrolle) drehte.
Danach war allerdings wieder Musik angesagt. Eine Band, die größtenteils aus Session-Musikern bestand (nur Drummer Martin Atkins war noch von "Flowers Of Romance" übrig), wurde zusammengestellt und das Quintett tourte durch die Weltgeschichte. Festgehalten durch das (damalige) Doppel-Vinyl "Live In Tokyo" und den hier vorliegenden Auftritt vom 31.Oktober 1983 im legendären Rockpalast. Puuh, das ist teilweise schon sehr heftiger, oder lasst mich besser sagen gewöhnungsbedürftiger Stoff, der hier abgeliefert wird. Aber fangen wir vorne an...
PIL begannen den Auftritt mit ihrer allerersten Single, "Public Image" von 1978. Diesen Song, der - mit fiebriger Gitarre und hämmerndem Rhythmus treibend - schnurstracks geradeaus geht, habe ich eigentlich schon immer gemocht, selbst wenn die Nummer nicht mehr ganz so brachial wie die alten Pistols-Tracks war. Ein sehr guter Einstieg ins Konzert. Auch das folgende, Post Punk-wavige "Annalisa" kann noch ansatzweise überzeugen, wenn der Gesang Lydons allerdings auch schon stark zu bröckeln beginnt. Der gute John sang in ungewöhnlich hoher Tonlage und konnte die einzelnen Töne in den seltensten Fällen halten. Hmm...???
Ich kann leider nichts anderes schreiben, als dass die nachfolgenden fünf Stücke dann mehr und mehr im (geplanten?) Chaos, oder noch viel besser gesagt im Nichts verschwinden. Die Band schrubbt ziemlich stumpf vor sich hin und der Frontmann singt (bzw. versucht es) irgendwelche Textzeilen drüber. Diese mögen eventuell gar nicht uninteressant sein, aber aufgrund der schiefen Vokal-Akrobatik schaltet das Hirn des Hörers irgendwann automatisch ab... Die Songs beginnen, gehen in der gleichen Geschwindigkeit und dem gleichen Riff weiter und sind irgendwann vorbei... Beim Hörer entstehen mehr und mehr Fragezeichen vor dem verblüfften geistigen Auge...
Dann kommt plötzlich "Anarchy In The U.K." und Lydon/Rotten zeigt doch noch mal, dass er es eigentlich immer noch so kann wie früher. Der Song ist eine regelrechte Wohltat, da hier endlich mal wieder eine Struktur, ein Anfang und ein Ende sowie eine klare Linie vorhanden ist. Nach noch nicht mal 35 Minuten verabschiedet die Band sich dann bereits zum ersten Mal. Natürlich kommt sie wieder zurück und mit "(This Is Not A) Love Song" folgt eine weitere gute Nummer, die auf einem Studio-Album erst im darauf folgenden Jahr 1984 erscheinen sollte und für Public Image Limited (als Single) im Sommer 1983 in England sogar ein Top10-Hit war. Lydon teilte dem Publikum nach dem Stück mit, dass er sich langweile und es folgte einmal mehr das bekannte 'Auf Wiedersehen/Zugabe'-Spielchen.
Nochmal wurden ein paar Songs gespielt und schließlich endete dieser Auftritt, wie er begonnen hatte: mit dem starken "Public Image". Beim Bonus-Material bekommen wir zwei Songs von den Proben geboten, die den Gesamteindruck aber auch nicht mehr ändern. Zumindest interessant ist dagegen das Interview, das Alan Bangs vor der Show mit John Lydon führte. Wirklich Neues oder Wissenswertes erfährt man hier zwar auch nicht, aber immerhin bekommt man einen weiteren Eindruck von der ehemaligen Sex Pistole. Ob Alan Bangs sich von der offen zur Schau gestellten Unlust seines Interview-Partners anstecken ließ? Auf jeden Fall wirkt er ungewohnt genervt... bis John Lydon dann auch irgendwann ziemlich forsch fragt, ob's das jetzt endlich war und ganz schnell verschwunden ist...
Diese DVD bzw. dieser Auftritt lässt mich doch sehr gespalten zurück. Wenn es die Absicht des passionierten Zynikers war, alles Dagewesene (seine und die Vergangenheit der Rock-Musik) zu vernichten und mit seinen Songs ad absurdum zu führen, dann hat er dies mit PIL definitiv geschafft. Man muss schon beinharter Lydon-Fan sein oder diese Art von Post Punk ganz verinnerlicht haben, um wirklichen Genuss aus diesem Konzert zu ziehen. Mir persönlich bleiben mit "Public Image", "Anarchy In The U.K." und "(This Is Not A) Love Song" immerhin drei starke Titel.
Nach über zehnjähriger Pause soll es übrigens in der näheren Zukunft ein neues Studioalbum von Public Image Limited geben. Na dann, auf ein Neues...
Line-up 1978:
John Lydon (vocals)
Joseph Guida (guitars)
Louis Bernardi (bass)
Arthur Stead (keyboards)
Martin Atkins (drums)
Tracklist
01:Public Image
02:Annalisa
03:Religion
04:Memories
05:Flowers Of Romance
06:Solitaire
07:Chant
08:Anarchy In The U.K.
09:(This Is Not A) Love Song
10:Low Life
11:Under The House
12:Bad Life
13:Public Image II

Bonus-Material:
01:Annalisa (Rehearsal)
02:Solitaire (Rehearsal)
03:Alan Bangs-Interview mit John Lydon
Externe Links: