Purified Black / I Can't Tell You Who I Am
I Can't Tell You Who I Am Spielzeit: 21:09
Medium: EP
Label: Eigenproduktion, 2011
Stil: Prog Metal

Review vom 06.05.2012


Boris Theobald
Purified Black ist neu. Purified Black ist »verstörender, schwarzer, dreckiger, wütender Sound«, sagt die Band aus Konstanz selbst über sich. »Flächendeckend wie ein in Flammen stehendes Bett, perfekt wie eine handgemachte Taschenuhr. Erst präzise stehend, dann verlangsamt, wartend... und dann bleibt sie stehen... Es riecht nach nassem Leder in der Sonne, verbranntem Holz im Regen. Wertlose Überreste von Arroganz und Glamour. Bröckelndes Gold.«
Selbtbewusst sind sie schon in der Werbung für sich selbst. Und es wäre Buchstabenverschwendung, diese Poesie der Band aufzugreifen, wenn nicht auch etwas dahinter stünde - aber Purified Black sind wirklich außergewöhnlich. Der erste Track ihrer EP startet mit blanken Tonrepetitionen. Das tiefe 'Ticken' einer Gitarre, sonst nichts. Dann ein tonaler Schritt nach unten; der Zweiklang deutet spannungsgeladene Harmonien an. Es kommen dröhnende Drums hinzu. Dann erst ein klagender, theatralischer Gesang, der klingt, als ob die Aufnahme in einem Schall absorbierenden Raum kaum nachbearbeitet worden wäre - unheimlich direkt!
Sänger Tico spielt bzw. singt in der Rolle eines psychischen Grenzgängers - und diese Show kommt sehr eindringlich beim Hörer an. Er singt und wimmert und schreit, exklamatorisch... Das wirkt sehr überzeugend; und es stimmt auch das Gesamtpaket. Die 'Ups and downs' im Gesang gehen einher mit der Instrumentierung, wenn zum Beispiel der Opener nach mehr als zwei Minuten plötzlich wie entfesselt aus den Boxen prescht. Die Zurückhaltung ist beendet und es donnert ein dunkles Riffgewitter.
»I can't tell you who I am but I can cry what I'm not« - Texte über innere Zerrissenheit gehen einher mit einem spannenden Wechsel zwischen introvertierter Anspannung und wutentbranntem Bombast. Brachial-Elegie könnte man es nennen. Die Songs leben enorm von dieser emotionalen Aufgewühltheit. Die Strukturen sind straight - mal zu einem Höhepunkt hin aufbauend wie in "Introducing The Black", mal mit Refrainmuster wie in "Blame It All", das stark 'klassisch' rockend daherkommt, sehr organisch und Orgel-lastig. Und natürlich düster.
Es sind weniger verzwickte Arrangements oder technische Spielereien, die Aufsehen erregen - der Trumpf von Purified Black sind die emotionalen Spannungskurven. "Liar" ist ein schon beinahe semi-schizophrenes Wechselspiel zwischen einer niederschmetternden Klangwand aus Gitarre, Orgel, Bass und Schlagwerk auf der einen und surrealen Breaks auf der anderen Seite. Da klingt die Orgel schon mal wie eine Spieluhr in einer verschwommenen Erinnerung.
Ja, man wird schon poetisch beim Beschreiben dieser Musik... »Vernarbte Melancholie zu einer wunderschönen Melodie. Dann wieder ein langsam rotierender, wimmernder Orgelakkord. Eine stampfende Bassdrum und glühende Röhren«, heißt das im Bandjargon. "Down And Out" startet als nächstes langsam und mit viel Blues. Da stimmt also auch die Gesamtdramaturgie über die gut 21 Minuten Spielzeit der EP hinweg. Den Abschluss bildet mit "City Of G.O.D." wieder ein gedankenschwerer, dramatischer Düster-Metal-Track.
Purified Black sind ganz schwer in eine Schublade zu stecken. Sie sehen sich selbst »irgendwo zwischen Iron Maiden und Otis Redding. Zwischen Muddy Waters und Muse. Zwischen Rage Against The Machine und Jeff Buckley 'File it under Prog Metal', würde ich sagen. Vielleicht 'Modern Prog' mit einem Schuss Alternative und was nicht noch allem. Die Richtung ist Pain Of Salvation, TOOL, Deadsoul Tribe, Cryptex. Aber eine Richtung ist ja erst eine Richtung. Bis zur Ankunft im Ziel ist vieles in Bewegung.
Purified Black stehen vor der Herausforderung, das Flair des Einzigartigen auch über die Spielzeit eines kompletten Albums aufrecht zu erhalten. Bei dieser EP passt es gerade perfekt. Die Band bietet ihre EP übrigens auf ihrer Homepage als freien Download an. Sie sieht das als Chance, ihre Musik möglichst weit zu verbreiten - fürs Erste. Ich rate trotzdem dringend zum Kauf des physischen Produkts (per Mail an die Band), denn dieses rundet die akustische Purified Black-Erfahrung haptisch und optisch ab: Auf der Oberseite ist die EP eine Vinyl-Replik - schwarz mit angedeuteten Rillen. Und auf der Unterseite: schwarz.
Line-up:
Tico (vocals)
Racko (guitar, backing vocals)
Maisch (Hammond, Rhoads, piano)
Paulster (bass)
H. (drums)

With:
Thommy Beiser (additional programming and loop - #5)
Tracklist
01:Introducing The Black (3:54)
02:Blame It All (4:44)
03:Liar (4:58)
04:Down And Out (3:17)
05:City Of G.O.D. (4:14)
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