Pyramaze / Immortal
Immortal Spielzeit: 45:29
Medium: CD
Label: Locomotive Records, 2008
Stil: Melodic/Bombast/Epic/Prog Metal


Review vom 25.05.2008


Boris Theobald
Ihr drittes Album, "Immortal", könnte den Jungs von Pyramaze endlich die verdiente Aufmerksamkeit bringen. Denn Bandchef und Gitarrist Michael Kammeyer hat es gepackt, mit Matt Barlow eine der markantesten und beliebtesten Metal-Stimmen für sich zu gewinnen. Der frühere Sänger von Iced Earth - der zweite Ami, neben Keyboarder Jonah Weingarten, in der ansonsten dänisch besetzten Band - kehrt damit nach einiger Auszeit ins Metalgeschäft zurück. Schon während der Aufnahmen zu "Immortal" wurde aber klar, dass der Abstecher ein kurzer sein würde: Barlow folgte Jon Schaffers Ruf zurück zu seiner alten Band. Man entschied sich bewusst dafür, das Album trotz des nahenden Abschieds mit Barlow aufzunehmen und trennte sich in aller Freundschaft.
Schade für Pyramaze, denn nicht zuletzt durch Barlows Zutun wird "Immortal" zu einem ganz erstaunlichen Metal-Meisterstück! Von düsteren Shouts bis hin zu klaren, hohen Screams - diese wandelbare Stimme ist eine Ausnahmeerscheinung und wird in mehrstimmigen Arrangements auch noch ganz schön aufwändig in Szene gesetzt. Dabei waren die vergangenen Alben mit dem klar und hoch singenden Lance King, dem Ex-Frontmann von Balance Of Power, bereits große Klasse und vor allem Album Nr. 2, "The Legend Of The Bone Carver", echte Sahne.
Abgesehen vom gänzlich anders klingenden Gesang, schlägt "Immortal" aber (fast) genau in die gleiche Kerbe wie der großartige Vorgänger. Pyramaze spielen einen ganz eigenen Mix aus Melodic Metal, Speed und Prog Metal - sie sind unheimlich schwer festzunageln, und das macht die Musik so spannend. Matt Barlow bringt zusätzlich das Prädikat Power Metal mit - "Immortal" ist um düstere, aggressivere Metalparts im Stile von Symphony X oder Evergrey reicher geworden. Epic Metal verkörpert die Band irgendwie auch, steckt doch in jedem noch so straighten Song ein episches Break oder ein Outro-Solo mit Gitarre, Keyboard oder gleich ein Doppelsolo. Jeder der acht Songs (#1 und #10 sind Intro bzw. Abspann) ist ein kleines Kunstwerk, und das trotz 'normaler' Längen zwischen vier und sechs Minuten.
Besonders ausgeprägt ist die Detailverliebtheit. Zum Beispiel in Sachen Rhythmik. Selbst die ganz eingängigen Stücke wie der rasante Power-Opener "Year Of The Phoenix" oder "Caramon's Poem" sind zwar nicht 'proggig' komplex, glänzen aber innerhalb übersichtlicher Zählzeiten durch eine ungeheure Abwechslung. Alle paar Takte steht bei Rhythmusgitarre, Drums und Bass ein Wechsel an. Unterschiedliche Akzentuierungen, Triolen, kleinere und größere Schnörkel kreieren fesselnde Dynamik ohne Langeweile - da wird auch bei Doublebass-Passagen nicht kopflos durchgeballert, sondern andauernd variiert. Selbst wenn's doch mal ein paar Takte schwermetallisch geradeaus gehen muss, dann mit feinen Galopp-Drives à la Maiden.
Auch die Melodien auf "Immortal" sind nicht nur wunderschön, ohne kitschig zu wirken. Sie werden in den Refrains auch noch regelrecht 'inszeniert'. Beispiel "Ghost Light": Da singt Matt Barlow diesen hochmelodischen, fast lyrischen und schnellen Chorus in bester Angra-Manier. Dazu kommen die immer wieder großflächig eingesetzten orchestralen Streicher-Keyboards, die statt bloßer Teppich-Funktion viel Eigendynamik haben, bevor dann auch noch die Lead-Gitarre einsetzt und die Gesangsmelodie umspielt und imitiert. Das sind dann schon drei Melodien, die zur gleichen Zeit übereinander zu hören sind, sich genial ergänzen und für betörend intensive Atmosphären sorgen.
Eines von vielen Highlights ist auch "Touched By The Mara", das ständig zwischen wuchtigem Power Metal und balladenhaften Abschnitten wechselt. Gleichzeitig wandelt sich der Rhythmus von geraden Zählzeiten in einen 3/4-Takt, der die ruhigen Passagen durch eine schwebende Leichtfüßigkeit veredelt. Spätestens wenn sich dazu der Gesang zu einem Kanon entwickelt, kann man sich beim Hören der Gänsehaut nicht mehr erwehren. Auch "A Beautiful Death" punktet mit krassen Gegensätzen, und das auf engstem Raum. Der Refrain ist geprägt von atemberaubenden Wechseln zwischen aggressiven Doublebass-Strecken und abrupt abbremsenden Ruhepunkten. Zwei Songs fallen etwas aus dem Rahmen: die wehmütige Klavier- und Streicherballade "Legacy In A Rhyme" sowie die Folk-angehauchte Powerhymne "The Highland", die hohen Mitsingwert hat, ohne platt zu wirken.
Man könnte über jeden Song einen kleinen Roman schreiben. Jeder einzelne ist brillant komponiert, aufwändig arrangiert und spielerisch wie klanglich großartig umgesetzt. Pyramaze sind melodisch und episch und bombastisch und progressiv, aber viel mehr als nur die Summe all dessen. Am ehesten lassen sie sich noch mit den ähnlich detailfreudigen Kamelot vergleichen. Die kurzen, perfekt in die Songs eingepassten Gitarrensoli Michael Kammeyers erinnern mich mit ihrer Mischung aus butterweichen Frickeleien und verträumten Melodien auch irgendwie an Tom Youngblood.
"Immortal" lässt bei mir keine Wünsche offen - höchstens den nach einer längeren Spielzeit des Albums. Dafür vergeudet kein Song auch nur einen Takt lang Raum für gute Ideen. Selbst die Strophen sind an Dramatik und Spannung kaum zu überbieten. Im Rennen um mein Album des Jahres 2008 wird diese Scheibe von einem aussichtsreichen Startplatz ins Rennen gehen. Auch nach 20 Hördurchgängen, bei denen es immer aufs Neue geniale Kleinigkeiten zu entdecken gab, bin ich nachhaltig beeindruckt und vergebe 9,5 RockTimes-Uhren.
Line-up:
Matt Barlow (vocals)
Michael Kammeyer (guitar)
Toke Skjonnemand (guitar)
Jonah Weingarten (keyboard)
Morten Gade (drums)
Niels Kvist (bass)
Tracklist
01:Arise
02:Year Of The Phoenix
03:Ghost Light
04:Touched By The Mara
05:A Beautiful Death
06:Legacy In A Rhyme
07:Caramon's Poem
08:The Highland
09:Shadow Of The Beast
10:March Through An Endless Rain
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