Pyrophoric / Despair In Control
Despair In Control Spielzeit: 25:41
Medium: EP
Label: Eigenproduktion, 2011
Stil: Prog Rock

Review vom 27.10.2011


Boris Theobald
Schneller, bombastischer, härter - das ist mittlerweile kein Muss mehr für Neues aus dem Prog-Bereich. Die vier Mönchengladbacher Newcomer von Pyrophoric sind ein prima Beispiel dafür! Denn sie machen anspruchsvolle, tiefgehende Musik irgendwo auf der Schnittstelle zwischen Prog Metal und Prog Rock. Aber wenn sie eines nicht sind, dann ist das 'spektakuklär'. Keine musikalische Prahlerei und Protzerei. Keine instrumentalen Rekordversuche und keine computerisierte Bombast-Effekthascherei, die mir denaturierte Orchestersounds in die Ohren stopft, um theatralisch 'Größe' zu zeigen.
Nein, das geht auch so. Pyrophoric schaffen es, den verwöhnten Prog-Hörer auf eine erfrischend bodenständige Art zu fesseln. Eine spannungsgeladene Keyboardmelodie, dann eine sehr schwere und fette Heavygitarre mit brachialem 'Hallo', bedeutungsschwangerem Break und schließlich einem dynamisch verproggten Drive. Für die Strophe von "Fate's Call" wird runtergefahren: Die sehr präsenten, pulsgebenden Basslines, das Klavier und die leicht angespitze, detailverliebte Rhythmik der Drums verleihen dem Ganzen eine jazzige Leichtigkeit.
Das ist ebenso typisch für Pyrophoric wie der folgende Chorus. Atmosphärisch: ja; bombastisch: nein. Eine wunderbare, kraftvoll-wehmütige Melodie im Doppel: Zu André Sprenger kommt nun noch Sabine Heider hinzu - die beiden ergänzen einander wirklich gut. B-Parts und Solostrecken ... dramatisch: ja; ekstatisch: nein. Das ganze wirkt wie aus einem Guss. Feine Rhythmuswechsel, eindringliche Melodien und ein guter Groove. Die Grundstimmung ist ernst - zuweilen fühle ich mich an Everon erinnert.
Nach dem eingängigen Opener folgt ein Edelstück. "Providence" ist geprägt von orientalischen Klängen und einem extrem markanten, groove-rockenden Riff. Sabine Heider übernimmt hier den Lead Gesang, aber erst nach mehr als zweiminütigem Intro. Nicht erst ab da schwingt das Spannungspendel zwischen minimalen und zugleich doch energiegeladenen Grooves und dichten Double Bass-Passagen, die zwar irgendwie drängen, aber die kontrollierte Dynamik des Stücks nicht sprengen.
Im Gegenteil - der Drive des Stücks bleibt bestehen; egal, wie sehr sich atmosphärische Schichten auftürmen und abtragen lassen. Das verleiht "Providence" eine hypnotische Bannwirkung. Im Mittelpunkt steht der Chorus, dessen Magie von der Mischung aus Zartheit und Bestimmtheit in Sabine Heiders Stimme lebt. Und von den geschickt arrangierten, leicht 'gegen den Strich gebürsteten', fast wie ein Echo wirkenden Backing Vocals. Die verleihen der gehemnisvollen Stimmung noch einen feinsinnigen Schuss Surrealität. Vergleiche ... Krypteria trifft Andromeda? Ein kleines bisschen, vielleicht.
"Escalating": Wieder mit André Sprengers Lead Vocals; aber der Chorus ist wieder so ein edles Teil mit männlich-weiblichem Duettgesang. Das klingt bei Pyrophoric unwiderstehlich. Die spannende Atmosphäre, die beiden Stimmen, die hervorragenden Melodien und die kleinen rhythmischen Finessen, die ebenso stark im Kopf bleiben und ohne die keine der Melodien so gut wirken würde - all das zusammen macht auch diesen Song zu einer Perle. Vergleiche? Threshold, Enchant ... ein kleines bisschen, vielleicht.
"Dedication" passt als 'weniger eingängiges' Stück exakt dahin, wo es auch steht: am Ende auf der Tracklist. Der zweite Song mit Sabine Heiders Lead Vocals besticht vor allem dadurch, dass Keyboard und Gitarre über weite Strecken 'auf Augenhöhe' das Klangbild prägen. Die Klavierklänge überschreiten bei weitem die Stufe des zierhaften-zarten Beiwerks; sie spielen Riffs und treiben den Song mit seinen spannenden Rhythmuswechseln mit voran. Mehr als vier Minuten sind am Schluss rein instrumentaler, vielschichtiger Gefühls-Prog.
Am Ende sind Pyrophoric doch 'spektakulär'. Aber das Spektakel findet vor allem unter der Haut des Hörers statt. Die Musik trifft das Gefühlszentrum. Und - um das nicht untergehen zu lassen - das ist beim geneigten Prog-Anhänger nur möglich, wenn handwerklich alles stimmt. "Despair In Control" ist technisch 1A und extrem tight, ohne auch nur eine Sekunde lang 'overplayed' zu wirken. Besonders positiv fällt auf, wie deutlich die Details der einzelnen Instrumente auch in der Produktion hervorstechen.
Apropos Details ... das Cover rundet Pyrophorics Premieren-EP gelungen ab. Das heruntergekommene, triste Teppenhaus eines alten Gebäudes, von oben betrachtet ... 'Despair' = der Drang, sich hinunterstürzen? 'In Control' = doch die Stufen nehmen? Und dann noch der Bandname: Poryphor ist etwas, das sich selbst entzündet. In Poryphoric steckt viel Potenzial für starken Prog mit tiefgehender Symbolik drin. Ein bisschen davon haben sie schon Preis gegeben - hoffentlich kommt da noch mehr!
Line-up:
Tristan Heider (drums)
Sabine Heider (bass, vocals)
André Sprenger (guitar, vocals)
Malte Paland (keyboard)
Tracklist
01:Fate's Call (6:22)
02:Providence (6:34)
03:Escalating (6:22)
04:Dedication (6:21)
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