Mir liegt eine weitere Folge aus der DVD-Serie "Under Review" von 'Chrome Dreams' aus England vor, die wir direkt vom Label erhalten haben. Zur allgemeinen Machart verweise ich auf die beiden anderen über The Small Faces und The Who in RockTimes. Als Ergänzung gibt's eine Discografie und ein Queen-Quiz.
Die Scheibe begleitet Queen chronologisch von der ersten bis zur achten Studioproduktion "The Game" 1980, die oftmals als die 'klassische' Phase ihrer langen Karriere bezeichnet wird. Zu Wort kommen namhafte Fachleute und Freddie Mercury-Intimus Paul Gambaccini, die 'unabhängig', 'unauthorisiert' von den Queen-Offiziellen und 'kritisch' diesen Teil der Band-Geschichte in wechselseitigen Statements beleuchten. Dazu werden Fotos, Filmaufnahmen aus dem Studio und in größerer Anzahl von der Bühne zu den jeweiligen Passagen eingeblendet, es gibt kurze Interviewschnipsel mit Freddie Mercury, manches davon erstmalig auf DVD veröffentlicht. Kein Song wird ausgespielt, nur von "Crazy Little Thing Called Love" gibt es die komplette, durch Kommentartext unterbrochene Live-Version. Also keinesfalls ein Musikvideo, sondern, wie auf der Umhüllung unmissverständlich zu lesen steht: "das ultimative Review und die kritische Analyse von Queens Musik und ihrer Live-Auftritte während der 70er Jahre".
Das, was uns die Herren Gambaccini (Reporter, Journalist), Malcolm Dome (Rock-Autor, Journalist und Queen-Experte), Simon Bradley (Gitarren-Experte und Journalist), Nigel Williamson (Mitherausgeber des 'Uncut Magazine') und Chris Welch (Ex-'Melody Maker'-Mitarbeiter) zu erzählen haben, gibt durchaus Einblick und interessante, wohl auch wenig bekannte Details zum Aufstieg und Höhepunkt (???) der Band, die zu den erfolgreichsten der Rock-Geschichte gehört.
Aber unter 'kritisch' verstehe ich was anderes. Eine Lobeshymne folgt der nächsten, der Anspruch von auch nur halbwegs versuchter Objektivität bleibt gleich unter dem Tisch. In diesem Sinn wird sich auch ein 'offiziell genehmigtes' Werk nicht viel unterscheiden. Alle Mitwirkenden versuchen wortreich dem Phänomen Queen gerecht zu werden, aber trotzdem schafft es keiner, die Band wirklich zu kategorisieren. Und das ist genau der Punkt, was sie einzigartig macht!
Queen war zu Beginn eine Hardrock-Band, die jedoch weder dieses Attribut, noch irgendwelche, wie auch immer geartete, außerkünstlerische Ansprüche, selbst propagierte. Zunächst auch geknechtet durch einen ersten Plattenvertrag entwickelte sich das Quartett mit dem dritten Album "Sheer Heart Attack" langsam zu dem, was in den späten 70er Jahren unter der Superband verstanden wurde. Eine geniale Gruppe, die die bisherige Rockgeschichte gierig aufgesogen und in ihrem Sound sowie mit bis dato ungehörten und ungesehenen Stilmitteln neu zelebrierte. So, dass sie selbst reihenweise Klischees für die nachfolgenden Rocker kreierte.
Im Fokus der extravagante Freddie Mercury, gesegnet mit einer unvergleichlichen Stimme und einem Showtalent, dass er bis heute als der Prototyp (nach Elvis) aller singenden Stageposer gelten darf. Er benahm sich nicht nur wie eine Diva, sondern hatte auch einen entsprechenden Kleiderschrank für seine Shows und präsentierte sich als anziehendes Sexsymbol für beiderlei Geschlechter. An seiner Seite Brian May, der Ausnahme-Gitarrist mit einem völlig neuen Gitarrensound (den Bradley in mehreren Lektionen erklärt und anhand der entsprechenden Song-Passagen demonstriert) aus einem selbstgebauten Instrument.
Musikalisch jedoch ebenso wichtig für den Band-Sound Bassist John Deacon und Drummer Roger Taylor, deren Qualitäten im Video zwar genauso verbal hervorgehoben, wie jedoch auch sonst schlichtweg ignoriert werden. Gerade der choreographierte mehrstimmige Chorsatz mit der hohen Kopfstimme Taylors war neu in der echten Rockmusik und mitverantwortlich für den typischen Queen-Sound.
Auch hier bleibt die 'kritische Analyse' Wunschansatz. Mit "Seven Seas Of Rhye" in der englischen 'Top of the Pops'-Hitsendung - Mercury war zunächst gegen den Auftritt - kam der nationale Durchbruch, "Killer Queen" bescherte ersten internationalen Ruhm, aber "Bohemian Rhapsody" bedeutete das künstlerische 'Coming Out': Mit neuem Vertrag und neuem Manager setzte die Band das sechseinhalb Minuten-Epos als neue Single durch und etablierte ihr erstes Trademark aus dem epochalen Album "A Night At The Opera". Eine 'Instant-Oper' in drei Akten mit Primadonna Freddie, die später mit "Somebody To Love" eine Art Fortsetzung fand.
Die Talker beleuchten den Hintergrund der damaligen britischen Rockszene, einerseits die abgehobenen Prog Rock-Bands wie Pink Floyd und Yes, dann die mittlerweile zu Heavy Rock-Bands mutierten Led Zeppelin, Black Sabbath oder Deep Purple und als dritten Music Business-Faktor die Popgrößen wie Elton John, David Bowie, Eric Clapton oder Rod Steward. Dazwischen platzierte sich Queen mit ihrem Stil, der die Härte des Rocks, gleichzeitig melodische Komponenten, aber auch die Massenkompatibilität der Pop(ulären) Musik beinhaltete. Dazu eine Präsentation, die auch optisch in neue Dimensionen vorstieß.
Die DVD beleuchtet nur die herausragenden Live-Shows, mit der Queen zu DER Stadion-Rock - Institution avancierte. Sie verschweigt aber komplett die innovative Rolle als Vorreiter und Schöpfer der Video-Tracks, die einen völlig neuen Gesichtspunkt in die Rockmusik (und die damit verbundenen Geschäfte) machte. Und ausgerechnet bei mehreren Livemitschnitten zeigt sie Mercury in aller Deutlichkeit (aber auch völlig unkommentiert), wie er die hohen Lagen nicht mehr schafft. Eine der beiden Queen-Hymnen, die bei keinem Konzert fehlen durfte war "We Will Rock You", die andere, auf der gleichen Single veröffentlich, "We Are The Champions". In einer Zeit, als der Punk alles nieder zu machen schien, setzte die Band dieses Doppel-Denkmal des Classik-Rocks, das sich gleichzeitig als DER Mitbrüll-Knaller für alle möglichen Veranstaltungen, einschließlich der Fußballfeste dieser Welt, manifestierte.
In den Medien sowie live präsentierten sich die Band und ihr charismatischer Frontmann Mercury in stets neuen Sound- und Design-Variationen und mit immer unterschiedlichem, aber durchgehend erstklassigem Material. Eine Hit-Band par Excellanze - die letzte der Großen. Mit "A Crazy Little Thing Called Love", einem lupenreinen R'n'Rer, kehrte Queen zum knappen Songformat zurück, im Video sehen wir als Seltenheit einmal Mercury mit Gitarre und auch May zu Beginn mit einer Telecaster. Mit "Another One Bites The Dust" von "The Game" wird bereits ein neuer Schritt in der Karriere der Band angekündigt. Dass es Kritikerstimmen gab, die sowohl "A Day At The Races" als auch die Doppel-A-Single "Bicycle Race/Fat Bottom Girls" gering schätzten und zudem die Feministinnen wegen des als sexistisch angeprangerten Covers aufmarschierten, wird erwähnt. Aber auch, dass das die Band keineswegs störte. Wie meint einer der Kommentatoren zum Schluss so treffend: "Queen machte immer ihr Ding, egal was und das sehr gut!"
Zudem sprechen weltweit 25 Mio. verkaufte Singles und 45 Mio. abgesetzte Alben bis Ende 1980 eine eindeutige Sprache.
Wenn das die Quintessenz der DVD ist, dann gibt es an Queen auch nichts zu kritisieren, rein analytisch betrachtet, natürlich …
Technik:
Stereo, Sprache Englisch ohne Untertitel
Format 4:3
Ländercode Alle Regionen (0)
Freigegeben ohne Altersbeschränkung
Spielzeit ca. 103:00, Medium: DVD, Chrome Dreams, 2006
Norbert Neugebauer, 01.04.2006
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