Tom Petty & The Heartbreakers / 25.06.2012, Lanxess Arena, Köln
Rocktimes Konzertbericht
Tom Petty & The Heartbreakers
Lanxess Arena, Köln
25. Juni 2012
Stil: Rock
Konzertbericht



Artikel vom 05.07.2012


Grit-Marina Müller
Es gibt ja große Flüsse. Beeindruckend große. Nehmen wir den Rhein zum Beispiel. Der erstreckt sich auf Höhe des nördlichen Köln über eine sagenhafte Breite von 350 Metern. Eben noch faszinierte mich die altehrwürdige, gediegen dahinfließende Themse unter der majestätischen Tower Bridge hinweg. Doch gegen den mächtigen Strom zwischen rheinischen Ufern wirkt sie fast wie eine sanfte Miniatur. So ein imposantes Naturphänomen trennt schon mal ganze Welten.
Auf der einen Seite liegt mein gemütliches, kleines Hotel inmitten der attraktiven Kölner Altstadt. Offen ist die Atmosphäre. Nett plaudere ich mit dem Chef vom Dienst und erkundige mich nach dem besten der imponierenden Viadukte hinüber zur anderen Seite des Grande Rivière: »Sie wollen zur Arena?« fragt er freundlich gewiss. »Genau!« nicke ich. »Ah, wen gibt's denn da heute zu sehen?« hakt er nach. Etwas Stolz leg ich in meine Stimme, nenn den klangvollen Namen und blicke in das ahnungslose Gesicht des groß gewachsenen Mittfünfzigers. »Tom Petty?«... »Hm... nie gehört.« »Amerikanischer Rocksänger, sehr bekannt!« schieb ich schnell hinterher und muss ein weiteres ratloses Kopfschütteln akzeptieren. »Vielleicht, wenn ich ihn sehen würde…« tröstet mich der Kölner verständnisvoll. »Oh, wenn Sie was von ihm hören würden, kennen Sie's bestimmt!« mach ich ihm Hoffnung... und mir Mut.
Tom PettyAber mit den Brücken kennt er sich aus. Geradewegs über den Rhein, direkt aufs Kölner Messegelände führt mich der todsichere Tipp des Regionalexperten, und ich bin in der anderen Welt. Hier gibt es Tausende anderer Mittfünfziger, und die strömen unbeirrbar in Richtung Rock-Universum. Gebucht hat dort den 25. Abend des Juni 2012 tatsächlich Tom Petty. Er lockt Massen, Heerscharen von bewunderungswürdigen Langzeit-Fans, die eine unfassbare 20 Jahre andauernde Fernbeziehung geduldig ertrugen, um nun endlich wieder mit ihrem Traumpartner in crime vereint zu sein. Selbst Vertreter der lokalen bzw. nationalen Genre-Prominenz ließen es sich nicht nehmen, dem außergewöhnlichen Festakt beizuwohnen. Wolfgang Niedecken schritt den Laufsteg der zeitlosen Jeans Couture ebenso gelassen ab, wie die Ärzte, komplett formiert, zur Loge im Oberrang strebend.
Tom PettyFrenetisch bejubeln zehntausend von nah und fern Angereiste kurz nach neun das Staging der charmantesten Heartbreaker rockseits des Atlantiks. Sitzgelegenheiten vor der Bühne hatten sich schon in Hamburg als planerischer Fehler erwiesen und auch in Köln korrigierten die Stuhlinhaber den Irrtum mit Standing Ovations von der ersten blonden Minute an. Auf der Bühne wird man nicht fürs Reden bezahlt und greift ohne überflüssiges Geschwätz gleich zum ersten Evergreen des Abends, dem 34-jährigen "Listen To Her Heart". Unglaublich. Wie frisch fallender Schnee schütteln sich die lieb gewordenen Akkorde dieses alterslosen Klassikers aus den heroischen Saiten der renommierten Gang from Florida. Tom singt wie ein reifer Twen, Universaltalent Scott Thurston brilliert harmonisch als sein kongenialer Twin.
Tom PettyTom Petty wäre nicht Tom Petty, würde er die 'leichte' Jahrzehntsverspätung nicht derart lapidar und dennoch seltsamst herzlich abtun: »Oh, it's nice to be here in Cologne, one more time... long time no see...« erklärt er das Spektakel extraordinaire offiziell für eröffnet, nachdem Jonathan Wilson zuvor beim Dreiviertelstunden-Warm-up durchaus hörenswerten, südlich fixierten Roots Rock verheizte. Tom setzt an diesem Abend auf ein nobles schwarz-weiß-bordeaux-farbenes Dressed-To-Kill-Ensemble, stellt die intim verehrte Fender-Rickenbacker-Kollektion erhaben ins Rampenlicht, vermeidet mit stilsicherer Präzision allzu hastige, gar unpassende Bewegungen. Gott, dieser Mann ist eine Erscheinung. Er wirkt nicht, er lässt wirken. Er hat verdammt viel Zeit und - er nimmt sie sich.
Tom Petty        Tom Petty         Tom Petty
Co-Captain Mike Campbell, wie vom Captain selbst ehrerbietend vorgestellt, slidet die unsterbliche Hymne "I Won't Back Down" aus einem funkelnd weißen Resonanzkörper, während Petty die essenzielle 'Down'-Note eindringlich aus der Tiefe nach oben hebt.Tom PettyWie vielen mag dieser Licht-Song geholfen haben, im dunklen Labyrinth des hart durchzuhaltenden Nicht-unterkriegen-lassens. Tom scheint weiter - lehrt weiter - "Learning To Fly" veranschaulicht er überraschend akustisch und dirigiert den Gesangsunterricht seiner gigantischen Meisterklasse, die den Part der vocals seit vielen Jahren verinnerlicht hat. "Free Fallin'" kündigt er als »kleinen Song über Los Angeles« an und springt in den wohl berauschendsten freien Fall der Popmusikgeschichte. Magische Momente reihen sich aneinander. "Handle With Care" ist noch so einer, ein unerwarteter. Der außerirdische Wilbury-Track überlässt dem elementaren Scott Thurston wiederum die harmonies des seligen Roy Orbison. Unaufhaltsam zieht die konstante emotionale Sequenz heißkalter Schauer vom Genick abwärts.
Tom Petty"Don't Come Around Here No More" setzt Hammond-Institution Benmont Tench klangfantastisch in Szene. Tom dramatisiert die drohende Warnung in fesselnder stimmlicher Intensität. Und Steve Ferrone, integerer Schwerathlet des Backgrounds, schlägt seinen Fässern systematisch den Boden aus. Whoa... welcome back, 1985... "It's Good To Be King" ist ein späteres Schmuckstück der exklusiven "Wildflowers"-Serie, die Juwelier Petty 1993 präsentierte. Mike Campbell demonstriert anhand dieser Spezialvorlage das exzessive Lehrbeispiel eines elitären Lead-Solos vom anderen Stern. Er variiert das grandiose Schauspiel noch einmal bei "Good Enough", der eindrücklichen, demütig abgeklärten Bestandsaufnahme aus der letzten Heartbreakers-Edition Mojo. Was für ein Repertoire an blank geschliffenen Hochkarätern haben diese Rock-Designer in den letzten Dekaden erarbeitet. Petty gibt maximal Stichproben, die unumstrittene Referenz-Werke wie "The Last DJ" oder "Highway Companion" leider ganz außer Acht lassen (müssen?).
Tom Petty        Tom Petty        Tom Petty
Was hilft's. Thomas Earl Petty zelebriert heute abend zurecht die ultimative Hit-Party und verfügt den erbarmungslosen Roll-over-Beethoven. Peter Greens "Oh Well", Bo Diddleys "I'm A Man" und die putzig jungfräuliche Chuck Berry / Stones-Niedlichkeit "Carol" werden zur knallharten Durchsetzung der herzbrechenden Agenda nicht weniger gewissenhaft herangezogen. Was für ein Spaß ist das, den Toms killing sense of humor bis auf die Spitze treibt. Gentleman Petty macht aus seinem stets gleichbleibend intonierten "Thank you. Thank you so much..." nach jedem Titel einen so unwiderstehlichen Running Gag, dass man sich nicht köstlicher amüsieren könnte.
Tom PettyDie glorreichen Sechs setzen dem monströsen Zugabenteil noch die Krone auf, feiern "I Should Have Known It", "Runnin' Down A Dream", "Refugee" regelrecht ab, wobei sich 'Black & Blond' hochklassige Lead-Duelle liefern, die Pettys respektable 'Campbell-Qualitäten' jenseits der Rhythm-Basics längst nicht mehr in Frage stellen. Schlussendlich strahlen die Herzensbrecher mit ihrem einstigen Star-Debüt, dem legendären "American Girl", ein letztes Mal im gleißenden Scheinwerferlicht einer Rock-Jahrhundert-Show. Tosender Beifall, Plektren fliegen in glückliche Arme, sechsfache Verbeugungen, Tom versucht, beschwörend die Wogen zu glätten, hält sich die Hände vors Gesicht, die Augen geschlossen… winkt, löst die Faust zur High Five, entschwindet. Zurück bleiben banges Hoffen ...und die letzte Rickenbacker im einsamen surrealen Spotlight der Bühne.
Thank you, Sir. Thank you so much, Mr. Petty, for my very special birthday!
P.S. Tom hat mir auch noch gratuliert, via Twitter immerhin. Herrjeh! Jetzt hab ich alles gesehen.
Tom Petty        Tom Petty        Tom Petty
Tom Petty        Tom Petty        Tom Petty
Line-up:
Tom Petty Tom Petty (guitar, lead vocals)
Mike Campbell (lead guitar)
Benmont Tench (keyboards, vocals)
Scott Thurston (harmonica, guitar, keyboards, vocals)
Ron Blair (bass)
Steve Ferrone (drums, percussion)
Setlist:
01:Listen To Her Heart
02:You Wreck Me
03:I Won't Back Down
04:Here Comes My Girl
05:Handle With Care
Tom Petty 06:Good Enough
07:Oh Well
08:Something Big
09:Don't Come Around Here No More
10:Free Fallin'
11:It's Good To Be King
12:Carol
13:Learning To Fly
14:Yer So Bad
15:I Should Have Known It
16:Refugee
17:Runnin' Down A Dream
18:Mary Jane's Last Dance
19:I'm A Man
20:American Girl
Externe Links: