Leon Russell & Marc Benno - Asylum Choir II
Asylum Choir II Spielzeit: 48:06
Medium: CD
Label: The Right Stuff, 1995 (1971)
Stil: Americana


Review vom 27.04.2008


Markus Kerren
Der im US-Bundesstaat Oklahoma geborene und aufgewachsene Leon Russell war bereits in jungen Jahren ein sehr begabter und guter Musiker. Mit knapp 20 Jahren auf dem Buckel machte er sich auf den Weg nach Los Angeles, um dort einen Fuß in die Tür des großen Musikbusiness zu bekommen. Dies gelang ihm dann auch außerordentlich gut. Sowohl als Arrangeur und Produzent, wie auch als Session-Musiker erarbeitete er sich recht schnell einen guten Namen, arbeitete unter, bzw. mit Phil Spector und ist u.a. auf Veröffentlichungen der Byrds ("Mr. Tambourine Man") oder der
Rolling Stones zu hören.
Das Paradeinstrument des Multi-Instrumentalisten Russell ist definitiv das Piano. Zum Beispiel flippte ein junger Joe Cocker beim Anhören von Leons Arbeit dermaßen aus, dass er keine Ruhe gab, bis dieser für die Sessions seines nächsten Albums ("Joe Cocker", 1970) seitens seines Labels verpflichtet wurde. Nachdem Russell einem (von einer gerade beendeten Tour) völlig ausgepowerten Cocker bezüglich einer von Cockers Label erpressten neuen, direkt anschliessenden Tour (die als "Mad Dogs & Englishmen" in die Geschichte eingehen sollte) nicht ganz uneigennützig ausgeholfen hatte, beschloss er seine Solokarriere zu starten, während der er in den Jahren 1970 - 1975 seine größten Erfolge aufweisen konnte.
Das hier rezensierte Album "Asylum Choir II" mit Marc Benno (der übrigens den Bass für das Doors-Album "L.A. Woman" einspielte) entstand sporadisch, praktisch in der Freizeit zwischen seinen anderen Session-Jobs über einen Zeitraum von gut zwei Jahren (Februar 1967 - April 1969). Und enthält die originalen elf Songs dieser Scheibe (die schließlich mit reichlich Verspätung im November 1971 veröffentlicht wurde), zuzüglich fünf Bonustracks.
"Sweet Home Chicago" macht den Anfang mit dominierendem Piano zu einem rockenden Rhythmusteppich, einer 'schreienden' Gitarre, Leons deutlichem Southern-Drawl und klasse Background Vocals von leider im Booklet nicht namentlich erwähnten Ladies. "Down On The Base" ist ein zynischer Anti-Kriegs-Song, der, obwohl hier deutlich auf Vietnam gemünzt, heute so brandaktuell ist wie je zuvor. Die Gesangsmelodie bleibt umgehend im Ohr hängen und auch das Arrangement zeigt Klasse.
Das sehr schöne "Hello Little Friend", hier mit E-Piano und ansonsten sehr spärlicher Begleitung gebracht, wurde übrigens nur wenige Jahre später dann auch von Joe Cocker aufgenommen. Bei "Salty Candy" übernimmt Marc Benno dann erstmalig einen Teil des Gesangs. Ebenso erstmalig tauchen hier die ersten Einflüsse von englischem Psychedelic Pop der Marke "Magical Mystery Tour" auf, wonach "Tryin' To Stay 'Live" dann wieder ein Honky Tonk-Piano-Stomp ist, textlich deutlich von Bob Dylan beeinflusst.
Wir dürfen einem Studio-Plausch mit Anschauungsunterricht zwischen Leon und seiner damaligen Herzensdame (und 'Delta Lady') Rita Coolidge bzgl "Straight Brother" belauschen, bis der diskutierte Track dann in vollendeter Form, wieder mit 'Beatles-in-der-Psychedelic-Phase'-Einschlag präsentiert wird.
Leon Russells Musik bestand bereits in diesem noch frühen Stadium seiner Karriere aus einem sehr interessanten Mix von Rock'n'Roll-Piano, Blues, Soul, Country und gar Gospel-Musik, was auch die folgenden "Learn How To Boogie", "Ballad For A Soldier" (ein weiterer Anti-Kriegs-Song) oder "Lady In Waiting" unter Beweis stellen.
Leider sind im Booklet keinerlei Infos zu den fünf Bonus-Tracks zu finden. Fest steht aber, dass sich all diese (Bonus-) Songs auch auf dem ersten Album von Russell und Benno befinden. Eventuell in anderen Versionen? Wie dem auch sei, dieser Fünfer driftet ganz tief in die bereits erwähnte Beatles- oder auch Fat Matress-Psychedelic-Schiene ab, was zwar auch sehr geil kommt, aber schlussendlich nicht die eigene Originalität aufweist, wie das bei den ersten elf Songs der Fall ist.
Zusammenfassend kann mal wohl damit schließen, dass auch schon die Sechziger-Aufnahmen von Leon Russell sehr ambitioniert und interessant sind. Zwar noch nicht ganz so stark wie spätere Meisterwerke à la "Leon Russell" (1970), "Carney" (1972) und vor allem "Leon Russell & The Shelter People" (1971), aber der Weg wird hier schon ganz klar vorgegeben. Leon Russell ist übrigens (mittlerweile in seinen Endsechzigern) immer noch im Studio, wie auch auf der Bühne aktiv, wenn er auch die USA seit vielen Jahren nicht mehr verlassen hat.
Kleine Erinnerungs-Hilfe, nur für den Fall, dass man kein Gesicht vor Augen hat: Leon Russell ist der Kollege, der im Film (und der LP/CD) von George Harrisons "Concert For Bangla Desh" diese abgefahrene Version von "Jumpin' Jack Flash" zum Besten gibt und ganz nebenbei auch noch bei den von Bob Dylan gebrachten Songs den Bass zupft.
Tracklist
01:Sweet Home Chicago
02:Down On The Base
03:Hello Little Friend
04:Salty Candy
05:Tryin' To Stay 'live
06:…Intro To Rita…
07:Straight Brother
08:Learn How To Boogie
09:Ballad For A Soldier
10:When You Wish Upon A Fag
11:Lady In Waiting
12:Welcome To Hollywood
13:Death Of The Flowers
14:Icicle Star Tree
15:Mr. Henri The Clown
16:Soul Food
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