Wenn sich ein Keyboarder auf einen Solotrip begibt, wird gleich - zumindest wenn es sich um ein kompositorisches 'Schwergewicht' wie
Lutz Rahn handelt - eine Großtat erwartet. Einfach nur aus 'Spaß' eine Platte machen? Darf Musik überhaupt so etwas Unanständiges transportieren?? Wenn man der gestrigen und heutigen Kritikerzunft glaubt, nicht!
»Ein halbherziger Spaziergang durch das Effekt-Repertoire diverser Tasteninstrumente«, bilanzierte seinerzeit Sounds - aktuelle Kommentare gehen sogar derart tief unter die Gürtellinie, dass man sich als Kollege schämen muss.
Novalis-Bashing war schon immer besonders 'chic'...
Wenn man den Liner-Notes der Wiederveröffentlichung von
Lutz Rahns "Solo Trip" glauben mag, handelt es sich bei der Aufnahme lediglich um eine Kollektion musikalischer Ideen, die sich beim
Novalis-Keyborder angesammelt hatten: von der Klassik inspirierte, atmosphärische Klaviermusik, Orgel- bzw. Synthesizer-Loops und elektronische Klangwanderungen. Die Entwicklung von
Augenblicke, das 1981 erscheinen sollte, scheint hier vorweg genommen: Die musikalischen Ideen werden nicht mehr breit ausgewalzt, sondern scheinen auf das Wesentliche fokussiert. Vielleicht hat (und hatte) der eine oder andere Kritiker ein Konzeptalbum à la
Flossenengel - das etwa zeitgleich erschien - erwartet, aber bereits mit dem Albumtitel, schlicht und einfach "Solo Trip", macht
Lutz Rahn deutlich, dass hier 'nur' ein (sein) Ausflug in die musikalische Experimentierfreudigkeit zu erwarten ist. Die lebt er dann auch in einer ganzen Batterie von Synthesizern, die auf "Solo Trip" den Klang bestimmen, aus. 'Organische ' Sounds von Hammond, Fender Rhodes oder Mellotron sind lediglich auf 'Farbtupfer' beschränkt.
Allerdings muss man "Solo Trip" 'Licht' wie auch 'Schatten' bescheinigen. Vor allem der Einsatz von Drum-Maschinen mit ihren wenig druckvollen, manchmal sogar 'matschigen' Beats ist selten überzeugend. In diesem Zusammenhang ist vor allem "Yeti", das an einen Soundtrack für ein billiges Computerspiel erinnert, als 'daneben' zu bezeichnen. "Dracula's Kuss" ist zwar sehr gefällig, aber erscheint im Hauptthema 1:1 bei
Alan Parsons abgekupfert.
Aber das 'Licht' überwiegt eindeutig: Das atmosphärische und sehr spannungsvoll aufgebaute "Galaxy Taxi" hätte jeden
Novalis-Klassiker bereichert. "September" erscheint als frühherbstliche Synthesizer-Träumerei, mit wimmrigem Mellotron und String Ensemble stimmungsvoll untermalt. "Minuetta" transportiert Klassische Musik in ein durchaus anspruchsvolles Pop-Gewand und den "Ausklang" dieser CD kann man nur als zauberhaft an den 'ollen Wiggerl' (
Beethoven möge mir die flapsige Bemerkung verzeihen) erinnernd bezeichnen... und das war ja bekanntlich kein Geringerer, als der erste Rock'n'Roller.
Natürlich ist das Unterhaltungsmusik, was auf "Solo Trip" zu hören ist! Was ist so schlimm daran, sich mal für eine halbe Stunde nett zu unterhalten, sich treiben zu lassen? Lutz Rahn ist dies für meinen Geschmack durchaus gelungen.
Allerdings darf man bemängeln, dass die Spielzeit - schon damals für eine LP recht knapp bemessen - nicht aufgestockt wurde. Gab es da wirklich nichts in den Archiven, das man als Bonusmaterial auf "Solo Trip" hätte packen können? Nicht einmal dreißig Minuten sind für heutige Verhältnisse reichlich dünn...