Und wieder hat es einen Music-Club erwischt. Das Thema vom Überleben dieser kleinen Locations in Deutschland ist ja bei Weitem nicht neu und wurde auch in unserem Magazin schon des Öfteren behandelt. Die Schwierigkeiten der Clubbesitzer, durch Konzerte schwarze Zahlen zu schreiben, ist ganz offensichtlich und auch die RockTimes-Abteilung Südniedersachsen hat inzwischen schon einige Musikkneipen sterben sehen, in denen sehr gute und atmosphärisch starke Shows stattfanden. Nun erwischte es Rainers Rockhaus in Algermissen. Knapp zwei Jahre nach dem Umzug aus Sarstedt warf Rainer Pullwitt nun das Handtuch. Schon seit 2008 betrieb er mit großem Enthusiasmus seine Konzerte, die ihm so viel bedeuteten, wurde aber trotz allem Einsatz, einfach nicht belohnt. Es fehlten die benötigten Zuschauerzahlen, um zu überleben. So wird dieser Donnerstag als Datum des letzten Gigs in die Annalen von Rainers Rockhaus eingehen. Mir persönlich gehen solche Momente immer ziemlich nahe, denn es fällt mir schwer mitanzusehen, wie so stark motivierte Leute einfach nicht ihren verdienten Lohn erhalten.
Für dieses Abschlusskonzert hatte Rainer dann noch einmal eine ganz besondere Band an Land gezogen, die schon seit mehreren Jahren kreuz und quer durch die Welt tingelt. Mason Rack stammt aus Queensland in Australien und hat es mit "Night Train" (2005), "Show Me Yours" (2006), "Join Hands" (2008), "Live In Canada" (2010) und "Limits Of Grip" (2011) bereits auf fünf Alben gebracht. Dazu steht mit "Live At Solbar" (2011) noch eine DVD in den Läden. Trotzdem war mir der Name bisher noch nicht untergekommen, doch Dank des Internets und vor allem durch den Konzertbericht des geschätzten Kollegen Joe (von wem auch sonst), der die Mason Rack Band gut eine Woche vorher in den Niederlanden gesehen hatte, war mein Interesse an den drei Jungs aus Down Under geweckt. Dieser raue Blues Rock mit starkem Roots-Einschlag war genau mein Ding. Und auch die Bühnenshow schien richtig geil zu sein.
Allein die nüchternen Daten dieses Konzertes zeigten schon, wie der Abend in Algermissen ablief und vom Publikum aufgenommen wurde: zweiteiliges Set mit einer Gesamtlaufzeit von zweieinhalb Stunden inclusive vier (!) Zugaben. Dieser Gig kam also bei den Zuhörern sehr gut an, aber auch die Musiker hatten sichtbaren Spaß an dieser Show im kleinen Rahmen. Auch rein äußerlich fiel die Band etwas aus dem Rahmen. Zunächst fiel auf, dass Mason Rack seine Slide bzw. die halbakustische Gitarre ausschließlich im Sitzen spielte. Sicherlich etwas ungewöhnlich, genau wie die Tatsache, dass er barfuß spielte und die Effekte mit den Zehen einsetzte. Und dabei entlockte er seinen Instrumenten höllisch heiße Töne, die perfekt zu dem extrem dreckigen Gesamtsound der Band passten. Und auch die extrem rauen Vocals taten ein Übriges, um die Songs ins richtige Fahrwasser zu leiten.
Seine beiden Mitstreiter Jamie Roberts am Bass und Schlagzeuger Joel Purkess zeigten sich auch von Anfang an als herausragende Musiker und bildeten die perfekte Grundlage für diesen rohen Blues Rock mit Roots-Einschlag, der selbst den eingestreuten Coverversionen seinen ureigenen Stempel aufdrückte, sodass man die meisten Klassiker fast nur noch am Refrain erkennen konnte. Dabei arbeitete Purkess hinter der Schießbude mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerkes, während der Bass druckvoll für ein wohliges Wummern in den Gedärmen sorgte. Die ganze Vielseitigkeit der Musiker zeigte sich dann beim kompletten Instrumentenwechsel. Nun übernahm Rack die Drums, Roberts bediente die Halbakustische und Purkess vergewaltigte den Bass. In diesem Line-up gab es dann eine brodelnde Version von "Baby Please Don't Go" - und das auf dem gleichen hohen Niveau wie bei den restlichen Titeln in 'Normalbesetzung'.
Doch gab es noch etliche Einlagen, die diese Live-Performance zu einer einmaligen Show machten, die mir bisher noch nicht untergekommen waren. Neben ausgedehnten Soloeinlagen von Roberts und Purkess, die dabei den Spirit der siebziger Jahre aufleben ließen, kam es auch zu einem Drumsolo im Duett, bei dem sich Rack und Purkess gemeinsam am Schlagzeug austobten und sich dabei mit einer unglaublichen Präzision perfekt ergänzten. Großartig gemacht und begeistert abgefeiert. Das war schon großes Kino und trieb die Stimmung in Algermissen fast zum Höhepunkt. Doch auch nun war noch nicht Schluss mit den Besonderheiten dieses Auftritts. Es folgte noch ein Schmankerl, das ich bisher in dieser Form auch noch nicht erlebt hatte.
Die Vorliebe von Mastermind Mason Rack für ausgiebige Percussions war ja inzwischen bekannt. Und nun war es auch an der Zeit, sie auszuleben. So machte er sich auf den Weg durch den Saal und trommelte sich durch alles, was irgendwie greifbar war. Der Fußboden, die Wände, Barhocker, die Theke und auch unser Tisch inclusive der sich darauf befindlichen Gläser - alles wurde unter die Lupe genommen und mit den Drumsticks bearbeitet. Und auch hier sorgten die entstehenden Töne für vor Staunen offen stehende Münder unter den Zuhörern. Dieser Mason Rack ist schon eine Klasse für sich! In aller Ruhe zog er trommelnd durch den ganzen Raum, sodass aber auch jeder im Saal hautnah diese Präzision beobachten konnte.
Doch es war immer noch nicht genug. Kaum war Mason zurück in Bühnennähe, da nahm sich auch der Rest der Band der Drumsticks an. Zwei leere Bierfässer und ein Teil des Schlagzeugs waren nun die 'Opfer'. Mitten im Saal tobten sich jetzt alle drei Musiker so richtig aus, wobei dann auch die Sticks von einem zum anderen geworfen wurden. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass auch diese Einlage perfekt klappte und Rainers Rockhaus ein Percussion-Feuerwerk der Extraklasse erlebte. Der Saal kochte nun fast über. Und das blieb auch so, als sich Mason Rack ein Mädel aus dem Publikum griff und sie in einer Blitzaktion zum Spielen der Gitarre auf einem Stuhl platzierte. Der Mann ist wirklich der perfekte Entertainer, und ich möchte diese Show auf gar keinen Fall missen.
So erlebten wir beim Abschiedskonzert von Rainers Rockhaus einen der außergewöhnlichsten Gigs der letzten Zeit. Wer die Gelegenheit hat, die Mason Rack Band live zu erleben, der sollte sie sich unbedingt antun. Sonst verpasst er wirklich etwas.
Und trotzdem bleibt dieser fade Beigeschmack, dass mit dieser tollen Show das endgültige Ende von Rainers Rockhaus besiegelt war. Was uns bleibt ist die Erinnerung an viele schöne Konzerte in ganz intimer Atmosphäre mit einem Wirt, der mit seinem Enthusiasmus und seiner guten Laune fast ansteckend wirkte und uns immer sehr herzlich aufgenommen hat.
Danke für alles, Rainer, und alles Gute für die Zukunft.
Line-up:
Mason Rack (guitar, vocals)
Jamie Roberts (bass, vocals)
Joel Purkess (drums, vocals)
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