"Fever" und "Go, Bo Diddley!" – dass The Raymen irgendwas mit Rock'n'Roll oder Blues im weitesten Sinne am Hut haben müssen, wird jedem beim Betrachten der Trackliste von "Supersonic Rocket Ride" sofort auffallen. Dieses Album erscheint jetzt im Rahmen der "The Artist's Choice"-Serie beim Label Sireena Records, und dass die 13 Songs wirklich die erste Wahl der Band sind, dürfte hier außer Frage stehen, tönen sie doch höchst authentisch und originalgetreu aus der heimischen Musikanlage.
Beim Release dieser alten Aufnahmen wurde klangtechnisch definitiv nichts geschönt, nachbearbeitet oder irgendwie glattgebügelt, sondern viel Wert auf den Sound der analogen Original-Masterbänder gelegt – und genau die sind es auch, die bei der "The Artist's Choice"-Serie Verwendung finden (siehe auch Cochises Rolltreppe Rückwärts). Ein Mekka also für echte Nostalgiker, Retro-Rocker oder einfach für Leute, die sich einen Schallplattenklang auch auf einer CD wünschen. Diese Musik-Maniacs sollen hiermit also bedient werden. Hank Ray, seines Zeichens Frontmann der Raymen, dazu: »Auch wenn die Soundqualität nicht unbedingt den aktuellen Standards entspricht… What the fuck? Wir leben in einer Zeit, in der die meiste Musik aus daumennagelgroßen Handylautsprechern plärrt; insofern haben es die Raymen bereits 1986 mühelos geschafft, heutige MP3-Standards zu erreichen – und all das ohne Computer!« Wo er Recht hat…
Wie auch immer: Eine deutsche Underground-Band wie die Raymen kennt außerhalb der einschlägigen Psycho Punk-Szene kaum jemand, somit wird der Eindruck, das Label halte hier einen Leckerbissen für absolute Maniacs bereits, bestätigt. Übrigens richtig gelesen: Die Mannen spielen allerfeinsten Psychobilly und Garage Punk, und zwar nicht erst seit gestern, sondern in irgendeiner Form bereits seit mehr als zwei Dekaden.
So kommt es denn auch, dass die mir vorliegende Silberscheibe Aufnahmen von 1986 enthält, die, der Zusatz "Unreleased Recordings From The Vault" deutet es an, über die Jahre das lechzende Fan-Ohr nicht erreichten. Oder, wie im Falle von einigen Band-Klassikern, es in dieser Form noch auf keinen Plattenteller geschafft haben. Entstanden ist das räudige Songmaterial übrigens im Laufe der Aufnahmen zum Raymen-Überalbum "Desert Drive", wie Hank Ray in den Liner-Notes anmerkt. Außerdem erklärt er gleich noch den Umstand, weshalb diese Bänder so lange vor sich hin gammelten: »Niemand von uns Vieren hatte vor, Gefangene zu nehmen, oder gar Kräfte zu sparen, und all das wurde mit einem alten klapprigen Tonbandgerät festgehalten – wobei selbstredend nicht von einer Archivierung für die Nachwelt auszugehen war, sondern vielmehr der Notwendigkeit Sorge getragen wurde, man könnte sich in der kommenden Studiosession nach dem dritten Bier an nichts mehr erinnern…«
Dieser Missstand ändert sich in diesem Jahr glücklicherweise endlich, denn die Raymen hauen dem geneigten Psychobilly-Anhänger hiermit einen ganzen Reigen an schmutzigen, kleinen Liedern um die Ohren, nach denen sich der ein oder andere Fan sicherlich die Finger lecken wird, darunter die heutigen Band-Klassiker "Mean Redhead", "Voodoo Woman", "Desperate Ways", "White Witchdoctor" in ihrer ursprünglichsten Form sowie das Surfaris-Cover "Wipe Out". Dass diese Stücke jetzt auftauchen ist übrigens einfach dem glücklichen Zufall zu verdanken, dass Hank Ray sie in irgendeiner hinterletzten Ecke aufgetrieben hat.
Somit ist "Supersonic Rocket Ride" also ein echter Appetithappen für alle Raymen-Fans. Die Jungs klingen auf diesem Scheibchen so frisch, als hätten sie die Songs gerade erst auf jenem lausigen Tonbandgerät festgehalten. Von 'altbacken' ist hier somit keinesfalls zu reden, sondern viel eher von 'zeitlos' – denn ein Untergrund-Genre wie Psychobilly braucht sich glücklicherweise um keinerlei Konventionen zu scheren, sondern existiert schon seit jeher abseits vom Mainstream in musikalischen Hinterhöfen und Gossen.
Dementsprechend raubeinig, ungehobelt und unbeugsam ist denn auch der Sound der 'Strahlenmänner', der durch die trashige Produktion noch gestützt wird. Hier schrammeln die minimal angezerrten Rhythmus-Gitarren und kippen dabei zuweilen auch in spontanes Feedback-Fiepen ab, hier poltern die Drums und hier knarzt der Bass. Über allem tönt unheilvoll die charakteristische Stimme des Frontmanns, der ein ganzes Spektrum an unglaublichsten Tönen von sich gibt: Mal hysterisch kreischend und jaulend, dann wieder kaum hörbar nuschelnd, so als hätte er schon die ein oder andere Promille zu viel im Blut, hat man es bei Hank Ray mit einem echten Szene-Urgestein zu tun. Es ist eine wahre Freude für jeden Retro-Rocker, sich in die teils psychedelischen, teils derbe rockigen Gesangsmelodien der Raymen hinein zuhören.
Insgesamt bietet sich hier sowohl für eingefleischte Fans als auch für blutige Anfänger also ein sehr gutes Gesamtwerk, denn die Mischung aus Klassikern und unentdeckten Schätzchen bietet für beide Seiten genügend Spannungsmomente. Die geile Symbiose aus Elvis' "Fever" und dem bandeigenen Instrumental "Paralysed" ist dabei nur einer von vielen Glanzmomenten, die einem beim Hörvergnügen widerfahren. Der bösartig-giftige, ungestüm-raue Psycho Punk der Raymen wird Freunde von Genregrößen wie den Cramps, den Misfits oder den Meteors die Freudentränen in die Augen und ein dickes Grinsen ins Gesicht treiben.
Das Schlusswort überlasse ich Hank Ray höchstpersönlich, der das Ganze sehr treffend auf den Punkt bringt: »Schnappt euch ein Sixpack mit dem Getränk eures Vertrauens, dreht die Regler ganz nach rechts und genießt die Zeitreise.« Der Meister hat gesprochen, dem ist nichts hinzuzufügen.
Line-up:
Hank Ray (vocals)
Martin Toulouse (guitar)
Steven Webster (drums)
Gary P. (bass)
Tracklist |
01:Mean Redhead (2:11)
02:Voodoo Woman (3:47)
03:Haunted House Upon The Hill (2:38)
04:Hillbilly Werewolf (1:37)
05:Wipe Out (2:20)
06:It Came From Outer Space (2:30)
07:Desperate Ways (3:41)
08:White Witchdoctor (3:38)
09:Lonely Train (2:36)
10:Ju-Ju Brain (3:15)
11:Alligator Girl (3:17)
12:Fever/Paralysed (5:49)
13:Go, Bo Diddley! (3:34)
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