Bevor man auch nur einen einzigen Fetzen Musik gehört hat, weiß man bei Reckless Love bereits, wie und wohin der Hase läuft. Das Coverartwork ist dermaßen klassisch und retro-orientiert, dass man unweigerlich an den Glam- bzw. Hair Metal der Achtziger denken muss. Diese vier Musikerportraits erinnern z.B. an Poisons Debüt "Look What The Cat Dragged In" (1986) und die gesamte Farbgebung weckt Assoziationen zu Britny Fox' Live-Scheibe "Long Way To Live" (2001). Ja, und wenn man dann das Jewelcase wendet, springen einem neben einem Chopper in pink-metallic eindeutig-plakative Songtitel à la "Love Machine", "Beautiful Bomb", "Sex" oder "Wild Touch" entgegen - somit besteht eigentlich schon vor dem Einlegen der CD keinerlei Klärungsbedarf mehr.
Dass Reckless Love aus Skandinavien kommen, ist nach diesem ersten optischen Eindruck dann keine echte Überraschung mehr, denn unsere nördlichen Nachbarn stehen heutzutage ja für die Speerspitze der Szene und hauen permanent frische Poser-Platten auf den Markt. Bei dieser Combo hat man es übrigens mit der neuen Band vom ehemaligen Crashdiet-Fronter H. Olliver Twisted zu tun, der mittlerweile wohl seinen bürgerlichen Namen verwendet und als Olli Herman im Booklet gelistet wird. An dieser Stelle sei dann auch gleich gesagt, dass der seichtere, glatter gebügelte Sound seiner aktuellen Spielwiese deutlich besser zu seiner Stimme passt als der doch eher räudige Straßen-Sleaze der schwedischen 'Gewaltkuren'. Insgesamt also ein großer Schritt in die richtige Richtung, Herr Herman!
Das gleichnamige Debütwerk der vier Finnen feuert in 40 Minuten einen potenziellen Hit nach dem anderen ab. Hochwertiges, extrem packendes und knackiges Songwriting, das ohne Umwege sowie sauber gespielt in die Gehörgänge wandert und sich von dort mühelos bis in die tiefsten Hirnwindungen vorarbeitet, findet man hier zuhauf. Der Opener "Feel My Heat" steigt ganz genretypisch mit Sirenengeheul ein, "Love Machine" packt im Refrain die ganz großen Singalongs aus, bevor man dann bei "Beautiful Bomb" für genrefremde Ohren schon mächtig an der Kitschgrenze agiert: Mehrstimmige, gefilterte, äußerst poppige Chöre im Refrain sowie generelle Keyboard-Schlagseite sind nun wahrlich nicht jedermanns Sache, jedoch besticht diese Glam-Granate durch exzellente Melodielinien, die einen jeden Szene-Kenner in Ekstase versetzen werden. Definitiv ein Highlight, dieser Track, dessen kurzer, ruhiger Mittelpart für beste Abwechslung zwischendrin sorgt.
In meinen Ohren ist es aber gerade das folgende Song-Trio, bestehend aus "Romance", "Sex" und "Back To Paradise", das das kompositorische Herzstück der Scheibe bildet. Große Refrainmelodien und ein gekonnter Songaufbau bei "Romance", poppig-rockige, wabernde Halbballadenkunst (inklusive richtig großem Gitarrensolo) bei "Sex" und ein Disco-Rocker in bester Kiss-Tradition in Form von "Back To Paradise" (Hammer-Refrain!!!) sind definitiv das, was man von einer Glam-Scheibe wie dieser erwarten darf und hier dankenswerterweise auch in unglaublicher Qualität geboten bekommt. Diese drei Songs allein schon lohnen den Kauf des Silberlings, so dass das ebenfalls besonders gute "Wild Touch" oder der Faust-in-die-Luft-Partyhit "Born To Rock" es schon schwer haben, aus diesem gewaltigen Schatten zu treten.
Alles in allem tischen uns Reckless Love hier also ein Geniestreich-Debüt auf, das sich vor nichts und niemandem verstecken braucht. Dass der ehemalige Crashdiet-Fronter hier ganz und gar in seinem musikalischen Metier agiert, ist zu jeder einzelnen Sekunde zu hören und nachzuvollziehen. Eine amtliche Produktion rundet diese Scheibe ab und lässt das superbe Liedgut in gebührendem Sound erstrahlen. Sicherlich eines der verheißungsvollsten Hair-Alben 2010, das für Hörer außerhalb des Glam-Dunstkreises aber natürlich äußerst ungeeignet ist.
Line-up:
Olli Herman (vocals)
Pepe (guitar)
Jalle Verne (bass guitar)
Hessu Maxx (drums and percussion)
Tracklist |
01:Feel My Heat (3:46)
02:One More Time (3:36)
03:Badass (4:04)
04:Love Machine (3:43)
05:Beautiful Bomb (3:12)
06:Romance (3:16)
07:Sex (4:02)
08:Back To Paradise (3:56)
09:So Yeah!! (3:26)
10:Wild Touch (4:08)
11:Born To Rock (3:29)
|
|
Externe Links:
|