Risk / The Reborn
The Reborn Spielzeit: 46:45
Medium: CD
Label: Steamhammer/SPV, 1992
Stil: Power Metal


Review vom 21.12.2012

  
Andrea Groh
Die Geschichte von Risk reicht quasi bis ins Jahr 1967 zurück. Damals wurde die Band
Faithful Breath gegründet. Diese änderte nicht nur öfters ihre Besetzung, wobei Heinz 'Heimi' Mikus eine Konstante war, sondern auch die musikalische Ausrichtung. Von Psychedelic/Progressive Rock in den 70ern schwenkte man Anfang der 80er auf Hard Rock/Heavy Metal um, wie auch schon Kollege Steve feststellte.
1986, als man sich an den aufkommenden Stilrichtungen Power/Speed/Thrash Metal orientierte, kam es zum fließenden Übergang zu Risk.
Als 1988 deren 'Debüt' "The Daily Horror News" erschien, betonte die Presse mehr den Namenswechsel als auf die Musik selbst einzugehen. Wobei ich zugeben muss, ich fand das Teil auch nicht gerade umwerfend, ebenso die zweite Scheibe "Hell's Animals" (1989) und den Auftritt im Vorprogramm von Manowar auf deren "Kings Of Metal" Tour.
Erst die "Ratman"-EP ließ mich aufhorchen, der zehnminütige satirische Titeltrack ist einfach köstlich und war das erste, was ich mir von Risk kaufte, und nicht nur ich. Kommerziell war das der Höhepunkt ihrer Karriere.
Weil auf der 1990er-Platte "Dirty Surfaces" wiederum Tiere auf dem Cover waren, wurde die Band in die Fun-Metal-Ecke gepackt.
1992 erschien dann "The Reborn". Die Meinungen gingen sehr auseinander. Viele interessierten sich gar nicht mehr für den recht traditionellen Metal, andere waren verwirrt, weil die CD nicht lustig war. Nur wenige (darunter ich) waren begeistert und dachten, endlich sind Risk richtig hörenswert, haben ihren kreativen Höhepunkt. Leider war dies fast schon das Ende der Geschichte:
Roman Keymer erlitt einen Hörsturz, spielte aber noch "Turpitude" (1993) mit ein. Diese war noch ernster als der Vorgänger, sogar ziemlich ruhig und düster, was kaum jemand hören wollte. Der Plattenvertrag wurde nicht verlängert, Risk lösten sich auf.
The Reborn
»Das Kaliyuga… das Zeitalter der Entartung ist unsere Gegenwart. Die Menschen sind Sklaven und böse streitsüchtig. Die meisten sind bettelarm und unglücklich, denn sie verdienen kein Glück. Sie schätzen das Wertlose, essen unmäßig und wahllos und leben in Städten voller Diebe. Sie werden vom Weibervolk beherrscht, das oberflächlich, geschwätzig und lüstern ist und zu viele Kinder gebiert. Von ihren Herrschern werden sie unterdrückt und von Naturkatastrophen, Hungersnöten und Kriegen heimgesucht. Ihr Unglück endet erst mit der Wiedergeburt des Vernichters Ravana. So steht es geschrieben.«
Einen solchen Text (in deutscher und auch englischer Fassung) auf einer Metal CD zu lesen ist ziemlich ungewöhnlich, genauso wie die Idee, eine Konzept-Platte über indische Mythologie zu machen, wobei durch die Gleichsetzung mit dem 'Zeitalter des Streites' (Kaliyuga) Kritik am aktuellen Geschehen geübt wurde.
Die Musik selbst ist nicht ganz ausgefallen, obwohl stellenweise schon indisch wirkende Elemente zu hören sind, alleine durch den Gebrauch der Sitar. Trotzdem haben wir es hauptsächlich mit Power Metal zu tun.
Doch dieser hat es in sich. Ich konnte kaum glauben, die gleichen Risk zu hören, mit denen ich vorher nicht so viel anfangen konnte. Was war mit denen geschehen? Eine Wiedergeburt auf höherem Level anscheinend.
Damit meine ich nicht nur die kurzen Zwischenspiele, die eine tolle exotische Atmosphäre schaffen. Auch die Songs wirken kompakt, und das obwohl sie teilweise Überlänge haben.
Es gelingt, eine gesunde Grundhärte mit Bombast zu vereinen, melodisch und knackig gleichzeitig zu wirken.
Mein persönlicher Favorit ist "Phantasmagoria", ich kann es nicht einmal genau erklären, aber das ist einfach fantastisch gut. Der Text beschreibt das Versinken in einer Traumwelt und irgendwie schafft es die Musik, dies auch auszustrahlen, die Zeile »Deep in euphoria« trifft zu.
Doch bereits der bombastische Opener "Last Warning" (das Intro "Arise" mal nicht mitgezählt) setzt eindrucksvoll die Rückkehr von Ravana um, interessant ist der Kontrast von der eher trocken wirkenden Titelzeile und der ruhigen Stelle in der Mitte mit den exotischen Gesängen.
Aber auch "Be No More" und "Turn Back To Ecstasy" hinterlassen Eindruck und graben sich in den Gehörgängen und Gehirnwindungen fest. Wobei der Rest kaum schlechter ist. Erwähnen will ich noch das balladeske "Lullaby", da es sich vom Rest abhebt. Außerdem den Schlusstrack "No One Will Remember", den man als Halbballade durchgehen lassen könnte und der die Leere nach der geschlagenen Schlacht beschreibt.
"The Reborn" überzeugt also durch tolles Songwriting. Dazu kommt das ungewöhnliche, jedoch sehr interessante Konzept. Es lohnt sich wirklich, nicht nur zu hören, sondern auch die Lyrics und die Inhaltsangabe zu lesen; sich beim nächsten Durchgang den Verlauf des beschriebenen Armageddons vorzustellen.
Damit hätten Risk doch Erfolg haben müssen, verdient hätten sie es gehabt, ebenso wie nicht mehr belächelt zu werden und vielleicht sogar wieder die ganz alten Fans aus der Faithful Breath-Frühphase wieder hervorzulocken. Ich dachte damals, jetzt haben sie es geschafft.
Doch irgendwie waren sie wohl zur falschen Zeit am falschen Ort. Die Scheibe wurde nur mäßig beachtet, der Nachfolger noch weniger. War der Titel "No One Will Remember" dann auch das (Fast-)Schlusswort für die Bandgeschichte?
Doch manche erinnern sich immer noch daran. Und manche scheinen erst jetzt zu erkennen, was sie damals verkannt haben.
Line-up:
Heinz Mikus (Gesang)
Roman Keymer (Gitarre, Sitar)
Christian Sumser (Gitarre, Sitar)
Peter Dell (Bass)
Jürgen Düsterloh (Schlagzeug)

Gastmusiker:
Gudrun Laos (Gesang)
Tracklist
01:Arise (0:46)
02:Last Warning (9:16)
03:Be No More (4:30)
04:Lullaby (4:02)
05:Awakening (1:15)
06:Turn Back To Ecstasy (4:49)
07:Eclipse (0:52)
08:The Night Will Fall (5:37)
09:Phantasmagoria (4:18)
10:Armageddon [Fight Back] (4:08)
11:No One Will Remember (7:12)
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