The Rolling Stones / Die Exile-Bonustracks
Die Exile-Bonustracks Spielzeit: 41:11
Medium: CD
Label: Universal, 2010
Stil: Rock


Review vom 06.06.2010


Markus Kerren
Heute mal was ganz Anderes: Entgegen unseren sonstigen Gepflogenheiten euch komplette Alben vorzustellen, wollen wir uns hier mal nur mit den Bonustracks der neuen Ausgabe des Klassikers "Exile On Main Street" befassen. Und zwar soll das ganz einfach eine Entscheidungshilfe sein, ob man sich die neue Version denn nun zulegt, oder nicht. Denn wer die Stones mag, der wird diesen Klassiker ohnehin schon im Schrank stehen haben. Stammen die Aufnahmen tatsächlich von den legendären Sessions aus dem Sommer 1971? In welchem Ausmaß wurde nachbearbeitet und wie stark ist das Songmaterial? Selbstverständlich erheben die Anmerkungen keinen Anspruch auf Absolutheit, sondern sind teilweise auch lediglich Vermutungen eines Rolling Stones-Fans. Hier also mehr oder weniger kurz und knapp sowie in der 'Song für Song'-Form:
"Pass The Wine (Sophia Loren)": Ein lockerer Jam, der durchaus aus der Zeit in Frankreich stammen könnte, vor allem auch, da hier Trompete und Saxophon von Jim Price und Bobby Keys mit dabei sind. Jaggers Vocals sind allerdings brandneu, das ist nicht zu überhören. Songwriterisch nicht unbedingt eine Großtat, landete die Nummer zu Recht nicht auf dem Album, bzw. wurde die Idee damals gar nicht weiter ausgearbeitet. Groovt schön und ist eine coole Ergänzung zum Album, aber das große 'Aha-Erlebnis' bleibt hier noch aus.
"Plundered My Soul": Ein groovender Rocker, den ich bisher ebenfalls noch nicht kannte. Auch hier wurden die Vocals komplett neu aufgenommen und die Nummer erinnert mich irgendwie stark an die Soloalben von Ronnie Wood. Vom Groove und der ansatzweise zu hörenden Rhythmus-Gitarre Keith Richards ganz offensichtlich von damals. Starker Song und die erste richtige Entdeckung für den wahren Stones-Fan (wer sonst würde sich auch für diese Outtakes interessieren?). Erinnert von der Rhythmik und dem Groove etwas an "Tumbling Dice" und wurde vielleicht deshalb nicht mit auf die Scheibe genommen.
"I'm Not Signifying": Ein bluesiges Piano läutet diese Nummer ein, über das Jagger seinen neu aufgenommenen Gesang legt, bis auch der Rest der Band einsteigt. Dies ist wohl eines der Stücke, für die Mick Taylor im letzten Jahr noch einmal ins Studio gebeten wurde. Eher langsam und schleppend wird der Song durchgegroovt. Mit Bobby Keys und Jim Price sind einmal mehr die Bläser dabei, was auf eine Session in Nellcote schließen lässt. Keith' Gitarre höre ich hier gar nicht, dafür aber ein tolles Harmonika-Solo (von Jagger?)
"Following The River": Eine typische Jagger/Stones-Soul-Nummer der besseren Art. Mindestens Lisa Fishers und Micks Gesang sind hier brandneu und auch der Gesamtsound (inklusive der Streicher) hört sich alles andere als aus dem Jahr 1971 an. Dennoch ein sehr starker Song, wenn ich auch hier wieder Keith' Gitarre vermisse. Zu diesem Titel wurde auch ein neues Video (ohne Beteiligung der Band) gedreht.
"Dancing In The Light": Jetzt tauchen wir dann doch tief in die Vergangenheit ein. "Dancing In The Light" ist schon seit langer Zeit in Bootleg-Form zu bekommen und dieser starke, bluesige Rocker wurde musikalisch in seiner (immer schon guten) Form belassen. Lediglich die Vocals von Jagger und der Background-Gesang wurden nachträglich bei der Wiederaufbereitung aufgenommen. Vermutlich mit Nicky Hopkins (oder ist es Ian Stewart?) am Piano entstand die ursprüngliche Aufnahme wohl bei den Vorbereitungen auf "Exile On Main Street", allerdings eher nicht in Nellcote, sondern etwa 1970 auf Jaggers englischem Landsitz Stargroves.
"So Divine (Aladin Story)": Stammt aus derselben Session wie "Dancing In The Light" und ist ebenfalls schon lange in Bootleg-Form als Instrumental zu bekommen gewesen. Eine eher getragene, dafür aber sehr atmosphärische Nummer mit supergeilem Refrain. Auch hier wurde außer dem Gesang alles in seiner ursprünglichen Form belassen und Mick Taylor glänzt einmal mehr an der Gitarre. Wie bei "Dancing In The Light" hatte ich mich eigentlich immer schon gefragt, wieso solch geile Nummern zuvor nie fertig gestellt wurden. Offensichtlich hatten die Stones immer schon wesentlich mehr Material in der Hinterhand, als sie für ein einzelnes Album brauchten.
"Loving Cup": Jetzt wird es noch authentischer. Nichts wurde bei dieser 'work in progress'-Version von "Loving Cup" verändert, auch der Gesang ist original aus der damaligen Zeit. Diese Version ist langsamer und bluesiger als die sich auf "Exile…" befindliche finale Fassung. Das Arrangement und der Text stehen noch nicht zu 100%. Eine hochinteressante und coole Ergänzung, selbst wenn nicht klar ist, ob diese Aufnahme aus Nellcote stammt, da die Stones bereits 1969 anfingen, an diesem Titel zu arbeiten.
"Soul Survivor": Noch mal hochinteressant und vollkommen authentisch. "Soul Survivor" in einer frühen Form mit Keith Richards am Gesang. Musikalisch steht hier schon fast alles und Keith legt seine improvisierten Vocals drüber. In der Art arbeiteten die Stones übrigens sehr oft: Keith hatte die Musik und bis Jagger im Studio eintraf, hatte er bereits ein paar Ideen für den Gesang aufgenommen, um Mick eine Idee zu geben, wohin er mit dem Track ungefähr wollte. Wobei das Selbstverständnis war, dass Jagger dann seinen eigenen Text und Gesangsmelodien einbringen konnte, wenn er eine bessere Idee hatte. Für mich ist diese Nummer ein kleiner Schatz, für den alleine es sich schon (für mich) lohnt, mir diese Scheibe zu besorgen.
"Good Time Women": Frühe und ziemlich schnelle Version des Stückes, aus dem später "Tumbling Dice" wurde. Das Piano und Charlie Watts peitschen die Band hier nach vorne. Der Text ist sehr unterschiedlich zu dem von "Tumbling Dice" und an der alten Aufnahme wurde auch nichts mehr verändert. Mick Taylor ist auch hier wieder klasse mit seinen gitarristischen Einwürfen.
"Title 5": Kurze Skizze einer Idee, offensichtlich ohne Keith, original und auch intrumental belassen. Ein von der Gitarre angetriebenes flottes Stück, an dem aber wohl nie ernsthaft weitergearbeitet wurde.
Als Fazit kann man wohl festhalten, dass es sich bei den zehn Bonus-Tracks für den Stones-Fan um sehr wünschenswertes und teilweise sogar hochinteressantes Material handelt. Gespannt dürfen wir jetzt noch auf die im nächsten Monat erscheinende DVD "Stones In Exile" sein, die sich auch noch einmal intensiv mit der "Exile On Main Street"-Phase und der folgenden US-Tour im Jahr 1972 beschäftigen wird.
Line-up
Mick Jagger (lead vocals)
Keith Richards (guitars, background vocals, lead vocals - #8)
Mick Taylor (guitars)
Bill Wyman (bass)
Charlie Watts (drums)

Mit:
Bobby Keys (saxophone)
Jim Price (trumpet)
Ian Stewart (piano)
Bill Plummer (upright bass)
Lisa Fisher (background vocals)
David Campbell (strings)
Paul Buckmaster (strings)
Tracklist
01:Pass The Wine (Sophia Loren)
02:Plundered My Soul
03:I'm Not Signifying
04:Following The River
05:Dancing In The Light
06:So Divine (Aladin Story)
07:Loving Cup
08:Soul Survivor
09:Good Time Women
10:Title 5
Externe Links: