Ironie, und zwar ziemlich ätzende - bei diesem Stichwort fällt einem nicht unbedingt die deutsche Rockszenerie ein, das heißt, bis auf einen Namen, nämlich
The Roxx, die ehemals von der NWOBHM inspirierten Mannen um
Billy Itch. Nach den Alben
Unleash Your Demon und der Doppel-CD
The Roxx History Decade One 1984 - 1994 nun also wieder ein neuer Streich, diesmal unter dem Namen "IRONic TRUTH", bei dem der Name Programm sein soll?
Haben die Heavy Rocker damit das selbstgesteckte Klassenziel erreicht? Eigentlich schon, denn Mastermind
Billy Itch hat wieder genügend verbale Sprengkraft gesammelt, um sich mit allen anzulegen, die seiner Welteinstellung nicht so ganz entgegenkommen oder auch gerecht werden, aber wie immer mit einem Grinsen und den für ihn so typischen Hintergedanken. Es gibt wohl keine anderen deutschen Hard bzw. Heavy Rocker, die diesem Anspruch so entsprechen. Eigentlich wagt sich
The Itch hier auf urbritisches Terrain. Hier fällt einem unweigerlich
Spike (
Quireboys) oder
Tyla von den
Dogs D'amour ein, um nur einige zu nennen, die natürlich den Vorteil des muttersprachlichen Wortwitzes besitzen.
Zwei Jahre sind nach dem Release des letzten Studioalbums vergangen,
The Roxx befinden sich im 25. Jubiläumsjahr und haben mit dem Neuzugang
Bernd Intveen an der Axt einen neuen Rohling geschmiedet. Dessen Riffs läuten dann auch so etwas wie einen Neuanfang ein. Die
Judas Priest-Ähnlichkeit fängt bereits beim Opener "I Found God" an. Das Riffing erinnert an die frühen Werke der britischen HM-Götter und
Billy Itch zollt
Halford mit fast jedem Ton Tribut, allerdings ohne die Screamings in den höheren Tonlagen. Treibende Riffs und kalte Melancholie erinnern etwas an deren Frühwerk "Sad Wings Of Destiny", allerdings in modernerer Prägung. Dem Zeitgeist wird auf jeden Fall Tribut gezollt und man sollte das auch
The Roxx nachsehen, denn es wäre schlimm, wenn der musikalische Eindruck des Gründungsjahres beim Hörer haften bleiben würde, der - bei aller Nostalgiefreude - keine wirkliche Fortentwicklung darstellen würde. Seine Bestätigung erfährt der Albumtitel mit den grandiosen Kompositionen "The Epiphany (Revolt)" und "Stake For The Pope" durch den ironischen Aufruf zur Staatsrevolte, dicht gefolgt von Fragen zum Anspruch und Wirkens des
Papstes. Beinahe
Zappa'esk sind die Gedanken des Shouters zu diesem Thema und mit Sicherheit rar gesät in der derzeitigen deutschen Rocklandschaft. Schubladendenken war noch nie ihr Ding und das machen sie mit "Knock On Metal" unmissverständlich klar. Treibende Riffs mit der schneidenden Stimme des Shouters setzen eindeutige Bezugspunkte zu diesem Thema. Hier macht sich der Einfluss des neuen Gitarristen bemerkbar, der eine spürbar härtere und zeitgemäßere Schiene fährt.
Auf diesem Album wird gehämmert und nicht gekleckert. Midtempo-Hymnen wie "If Time Stood Still", die direkt ins Ohr fliegen, sind absolute Kracher. Als Prediger zu der HIV-Debatte oder im Verkünden von SM-Inhalten macht The Itch keine schlechte Figur. Erfreulich ist, dass stets die Balance zwischen so genanntem Vordenkertum mit erhobenem Zeigefinger und Hau-Ruck-Ironie mit feinem Zynismus gewahrt bleibt. Nach wie vor bleibt der Schwerpunkt im musikalischen Bereich. Genrefremde Einflüsse, und das sind sie wirklich, wie Geige und Cello, Dudelsack und orientalischer Satz, werden gekonnt bei "I Love To Hate" in das musikalische Konzept eingeflochten. Die SM-Ouvertüre "By The Crack Of The Whip" mit leicht jazzigem Intro gleitet genial zwischen Schmalz und Ernsthaftigkeit hin und her und erhebt sich dadurch zu einem typischen Roxx-Lästermaulstück. Neben der beachtlichen Menge an Hooklines auf diesem Album, wächst das Outro "Father" beinahe über sich selbst hinaus. Fetter Sound meets Priest-Vibe, mit geilem Chorgesang und großer Melodie. Klassischer Metal im Sog von bärenstarken Riffs, verwandelt diesen Song in einen bombastischen Abgesang an eine glorreiche Zeit.