The Roxx / IRONic TRUTH
IRONic TRUTH Spielzeit: 41:53
Medium: CD
Label: Rockville Music, 2009
Stil: Heavy Rock


Review vom 20.11.2009


Jürgen B. Volkmar
Ironie, und zwar ziemlich ätzende - bei diesem Stichwort fällt einem nicht unbedingt die deutsche Rockszenerie ein, das heißt, bis auf einen Namen, nämlich The Roxx, die ehemals von der NWOBHM inspirierten Mannen um Billy Itch. Nach den Alben Unleash Your Demon und der Doppel-CD The Roxx History Decade One 1984 - 1994 nun also wieder ein neuer Streich, diesmal unter dem Namen "IRONic TRUTH", bei dem der Name Programm sein soll?
Haben die Heavy Rocker damit das selbstgesteckte Klassenziel erreicht? Eigentlich schon, denn Mastermind Billy Itch hat wieder genügend verbale Sprengkraft gesammelt, um sich mit allen anzulegen, die seiner Welteinstellung nicht so ganz entgegenkommen oder auch gerecht werden, aber wie immer mit einem Grinsen und den für ihn so typischen Hintergedanken. Es gibt wohl keine anderen deutschen Hard bzw. Heavy Rocker, die diesem Anspruch so entsprechen. Eigentlich wagt sich The Itch hier auf urbritisches Terrain. Hier fällt einem unweigerlich Spike (Quireboys) oder Tyla von den Dogs D'amour ein, um nur einige zu nennen, die natürlich den Vorteil des muttersprachlichen Wortwitzes besitzen.
Zwei Jahre sind nach dem Release des letzten Studioalbums vergangen, The Roxx befinden sich im 25. Jubiläumsjahr und haben mit dem Neuzugang Bernd Intveen an der Axt einen neuen Rohling geschmiedet. Dessen Riffs läuten dann auch so etwas wie einen Neuanfang ein. Die Judas Priest-Ähnlichkeit fängt bereits beim Opener "I Found God" an. Das Riffing erinnert an die frühen Werke der britischen HM-Götter und Billy Itch zollt Halford mit fast jedem Ton Tribut, allerdings ohne die Screamings in den höheren Tonlagen. Treibende Riffs und kalte Melancholie erinnern etwas an deren Frühwerk "Sad Wings Of Destiny", allerdings in modernerer Prägung. Dem Zeitgeist wird auf jeden Fall Tribut gezollt und man sollte das auch The Roxx nachsehen, denn es wäre schlimm, wenn der musikalische Eindruck des Gründungsjahres beim Hörer haften bleiben würde, der - bei aller Nostalgiefreude - keine wirkliche Fortentwicklung darstellen würde. Seine Bestätigung erfährt der Albumtitel mit den grandiosen Kompositionen "The Epiphany (Revolt)" und "Stake For The Pope" durch den ironischen Aufruf zur Staatsrevolte, dicht gefolgt von Fragen zum Anspruch und Wirkens des Papstes. Beinahe Zappa'esk sind die Gedanken des Shouters zu diesem Thema und mit Sicherheit rar gesät in der derzeitigen deutschen Rocklandschaft. Schubladendenken war noch nie ihr Ding und das machen sie mit "Knock On Metal" unmissverständlich klar. Treibende Riffs mit der schneidenden Stimme des Shouters setzen eindeutige Bezugspunkte zu diesem Thema. Hier macht sich der Einfluss des neuen Gitarristen bemerkbar, der eine spürbar härtere und zeitgemäßere Schiene fährt.
Auf diesem Album wird gehämmert und nicht gekleckert. Midtempo-Hymnen wie "If Time Stood Still", die direkt ins Ohr fliegen, sind absolute Kracher. Als Prediger zu der HIV-Debatte oder im Verkünden von SM-Inhalten macht The Itch keine schlechte Figur. Erfreulich ist, dass stets die Balance zwischen so genanntem Vordenkertum mit erhobenem Zeigefinger und Hau-Ruck-Ironie mit feinem Zynismus gewahrt bleibt. Nach wie vor bleibt der Schwerpunkt im musikalischen Bereich. Genrefremde Einflüsse, und das sind sie wirklich, wie Geige und Cello, Dudelsack und orientalischer Satz, werden gekonnt bei "I Love To Hate" in das musikalische Konzept eingeflochten. Die SM-Ouvertüre "By The Crack Of The Whip" mit leicht jazzigem Intro gleitet genial zwischen Schmalz und Ernsthaftigkeit hin und her und erhebt sich dadurch zu einem typischen Roxx-Lästermaulstück. Neben der beachtlichen Menge an Hooklines auf diesem Album, wächst das Outro "Father" beinahe über sich selbst hinaus. Fetter Sound meets Priest-Vibe, mit geilem Chorgesang und großer Melodie. Klassischer Metal im Sog von bärenstarken Riffs, verwandelt diesen Song in einen bombastischen Abgesang an eine glorreiche Zeit.
Eigentlich sind The Roxx die Nachlassverwalter einer längst vergangenen Epoche, die sie mit ihrem aktuellen Werk nochmals heraufbeschworen haben und mit Hilfe eines professionellen Arrangements und im Gleichklang mit bekannten Referenz-Kapellen, in eine abwechslungsreiche Heavy-Scheibe verwandelt haben. Ein eindeutiger Beleg dafür, dass die vier mit einem inhaltlich sehr überzeugenden Produkt den Spagat zwischen jetzt und früher eindeutig geschafft haben, ohne sich in der Falle des Eigen-Remakes wieder zu finden. Für diese nicht einfache Leistung gebührt ihnen auf jeden Fall das Probeanhören eines nicht alltäglichen Roots Metal-Lauschereignisses.
Line-up:
Billy Itch (vocals)
Bernd Intveen (guitar)
Chilli Beanham (bass)
Fred Sudden (drums)
Tracklist
01:I Found God
02:The Epiphany (Revolt)
03:Stake For The Pope
04:If Time Stood Still
05:Knock On Metal
06:Jack Plug Safe
07:I Love To Hate
08:No Scruple No Shame
09:By The Crack Of The Whip
10:Father
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