RPWL / Beyond Man And Time
Beyond Man And Time Spielzeit: 75:47
Medium: CD
Label: Gentle Art Of Music, 2012
Stil: Prog Rock

Review vom 08.03.2012


Steve Braun
Auch wenn aus RPWL mittlerweile nur noch ein 'WL' geworden ist, bedeutet das keineswegs, dass die Speerspitze der gewiss sehr guten deutschen Prog Rockszene stumpf geworden wäre. Im Gegenteil... da kann man den Abgang eines Chris Postl, der sich Ende August des vergangenen Jahres aus 'persönlichen Gründen' zurückzog, verkraften. Wahrscheinlich war es sein Soloprojekt Parzivals Eye, das den umtriebigen Bassisten zum Rückzug bewegte. Original-Drummer Phil Paul Rissettio ist ja schon des längeren nicht mehr dabei.
Zwei Jahre nach ihrer Retrospektive Gentle Art Of Music, ein wunderschön ausgestattetes Danke-schön anlässlich ihres zehnjährigen Gründungsjubliäums, melden sich die RockTimes'schen Lieblings-Freisinger nun mit "Beyond Man And Time" eindrucksvoll zurück.
Man mag es kaum glauben, aber dies ist das erste Konzeptalbum RPWLs. Ihre Anlage der Musik, die oftmals die Grenzen zum Bombast zumindest touchiert, schreit geradezu nach einem solch gewaltigen Epos.
Gewidmet haben sich die Mannen um Jogi Lang und Kalle Wallner dem Hauptwerk Nietzsches, "Also sprach Zarathustra". Als leidenschaftlicher Kritiker des Christentums vertritt er in seinen dortigen Thesen eine Welt der Freiheit und der Selbstverwirklichung des Menschen. Kritikern gilt der im Jahr 1900 verstorbene Philosoph als 'Steigbügelhalter' des Nationalsozialismus, was historisch betrachtet - nach Meinung der Wissenschaft - allerdings so nicht mehr haltbar ist. Vielmehr ist heute unstrittig, dass die Nazis dessen 'Übermensch-Fantasien' für ihre eigene Ideologie übersteigert haben, dagegen seine Kritik am deutlich wahrnehmbaren Antisemitismus im Kaiserreich geflissentlich unerwähnt ließen. Befeuert hat diese Vereinnahmung sicherlich seine Ehefrau Elisabeth Förster-Nietzsche, die den Wahnideen Hitlers ganz sicher nicht abgeneigt war.
Wie dem auch sei, der kritischen Wissenschaft nach 1945 hat der olle Fritz sicherlich so manchen harten Knochen vorgelegt und für ein Konzeptalbum einer extrem ambitionierten Prog-Truppe ist der 'Zarathustra' sicherlich eine Steilvorlage für eine anspruchsvolle Vertonung!
Worum geht's bei dem Stoff? Naja, der spartanischen Promo-Copy sind die Texte leider nicht beigefügt worden (was im vorliegenden Fall wirklich hilfreich gewesen wäre!!) und selbstredend fehlte dem Rezensenten die Zeit und Muße, die Scheibe hundertmal zu hören, um textsicher zu werden. Spaß beiseite - es wird schnell offensichtlich, dass "Beyond Man And Time" ein Plädoyer für ein freies Denken ist, das den Mut zum Widerspruch fördern und zur Entdeckung und Befreiung der eigenen Persönlichkeit anregen will. Der Protagonist begegnet auf seiner Reise gleichnishaft verschiedenen Wesen einer höheren Bewusstseinsstufe - dem Wärter an der Höhle, dem freiwillig Blinden, dem Wissenschaftler, dem Hässlichen, dem Schatten, dem Weisen in der Wüste und dem Fischer - und zieht aus diesen Begegnungen wie einst Zarathustra eine erste Bilanz, am großen Mittag ("Noon"). Uff... ein hartes Brot!
Ganz wie man es bei ihrem (eigenen) Label 'Gentle Art Of Music' erwarten darf, ist die musikalische Ausgestaltung wieder einmal sehr 'sanft' geraten. Wer borstige Widerhaken im Progressive Rock RPWL'scher Prägung erwartet, liegt klar daneben - die bajuwarischen Schöngeister bleiben sich (mal wieder) treu. Vielmehr klingen sie so, wie Pink Floyd seit "The Wall" eben leider nicht mehr klingen... Das ist als Kompliment gemeint, allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass Lang/Wallner & Co. den Vergleich mit den Übervätern des Genre mittlerweile reichlich satt haben. Aber so isses nun mal - Punkt, oder besser: Ausrufezeichen!
Jogi Langs Keyboards bauen vielschichtige, stets eloquente Sound-Landschaften auf, über die Kalle Wallners Gitarre in elegantester Gilmour-Manier zu schweben scheint. Und weil Langs Gesang auch noch an ebendiesen erinnert, sind die Ähnlichkeiten manchmal frappierend.
Jetzt aus "Beyond Man And Time" einzelne Songs herauszubrechen, erscheint mir dem Gesamtkunstwerk nicht angemessen! Dieses Album besitzt geradezu hypnotischen Charakter. Von den ersten Sekunden an nimmt die Musik gefangen und man bleibt die gesamten eineinviertel Stunden in ihrem Bann gefesselt. Hier gibt es keine Langatmigkeiten, gelegentliche Überfrachtungen sind genretypisch und damit stimmig, die Atmosphäre beflügelt Fantasien... und damit erfüllt sich Jogi Langs Vorgabe: »Dieses Werk ist ein Plädoyer zum eigenen Denken [...]. Ein Plädoyer, keine Lyrik, keine Wissenschaft.«
Mit "Beyond Man And Time" ist RPWL im zwölften Jahr ihres Bestehens mit Sicherheit das bislang reifste Werk gelungen - ein überaus schlüssiges Konzeptalbum zu einem ambitionierten Thema. Eins, setzen, weiter so...
Das Album wird in voller Länge auf einer ausgedehnten Europatour ab April dieses Jahres vorgestellt werden. Man darf auf die Umsetzung, die sicherlich eine anspruchsvolle Herausforderung darstellt, gespannt sein!
Line-up:
Yogi Lang (vocals, keyboards)
Kalle Wallner (guitars)
Markus Jehle (keyboards)
Werner Taus (bass)
Marc Turiaux (drums)
Tracklist
01:Transformed (2:20)
02:We Are What We Are [The Keeper] (9:33)
03:Beyond Man And Time [The Blind] (6:42)
04:Unchain The Earth [The Scientist] (7:19)
05:The Ugliest Man In The World [The Ugly] (8:09)
06:The Road Of Creation [The Creator] (6:40)
07:Somewhere In Between [The Dream Of Saying Yes] (2:06)
08:The Shadow (6:10)
09:The Wise In The Desert (5:51)
I. The Wide In The Desert
II. The Silenced Song
10:The Fisherman (16:50)
I. High As A Mountain [Part 1]
II. The Abyss
III. High As A Mountain [Part 2]
11:The Noon [The Eternal Moment Of Return] (4:07)
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