Temple Ray ist eine Sängerin und Gitarristin aus dem 'Stall' von Taxim Records/Herman's, die dort jetzt ihr drittes offizielles Album herausgebracht hat. In Deutschland haben wir darüber hinaus wenig von ihr gehört. In meiner Sammlung befindet sich auch das Debüt "Restless", zu dessen Kauf mich damals die im Label-Katalog zitierte Meinung des Magazins Stereo veranlasst hat: »Das erste echte Rock-Wunder des Jahres '98 heißt Temple Ray, kommt aus Texas und legt zum Einstieg ein Album vor, das gleich Maßstäbe im Classic-Gitarrenrock setzt.«
Leider war das, wie sich dann herausstellte, aus meiner Sicht ein ziemlicher Hype, der sich auch durch nichts rechtfertigte. Temple Ray hat eine kraftvolle Stimme, die ordentlich 'kratzt'. Aber genau dieser eigentlich reizvolle Aspekt wurde in der Produktion erbarmungslos überstrapaziert. Im Verbund mit den meist verzerrten Gitarren eine Mischung, die mich schnell nervt. Das komplette Album wirkt irgendwie überdreht und aufgemotzt. Typischer 'Austin-Sound', rockig-gitarrenbetont mit einem Schuss New Country. Das Ganze zielte wohl darauf ab, im Sog von Sheryl Crow, Allanah Miles und Melissa Etheridge eine weitere Rocklady zu platzieren. Schuss in Ofen.
Allerdings gibt es auf "Restless" einen richtig schönen, zu Herzen gehenden Song: "Nine Faded Roses" (nicht "Nine Gaded Roses" - vielleicht könnte das Label das gelegentlich mal in seinem Katalogtext berichtigen?!). Was für den lauschigen Kaminabend auf dem (natürlich synthetischen) Bärenfell. Sowas bringt normalerweise nur eine Emmylou Harris zustande.
"Duct Tape & Perfume" ist eine erfreuliche Entwicklung zum Positiven. Die sechs Jahre Pause seit ihrem Zweitwerk scheinen ihr gut getan zu haben. Temple Ray ist gereift, oder war ihr neuer Produzent Larry Chaney nur in der Lage, ihre Stärken richtig in Szene zu setzen?
Die Stimme, bei der neben dem 'Krächzen' auch der 'Twang' weitgehend verschwunden ist, hat nun ein leicht rauchiges Timbre und tönt so auch mir angenehm. Als Gitarristin wird sie nicht mehr notiert, was kein Manko ist. Larry Chaney, auch hier sowie als Chorsänger von Format und Gast David Grissom machen das bestens. Als Backing Vocals ist mit Elisabeth Lee eine weitere Taxim-Künstlerin an Bord.
Die elf größtenteils selbst geschriebenen Songs, zeigen ein breites Spektrum als Singer/Songwriterin, das jedoch immer noch eindeutig rock-orientiert daher kommt. Es wird aber nicht mehr so aufgekracht, manches kommt poppiger, weicher, gefühlvoller. So etwa "Only Girl", mit dem Albumtitel als erste Textzeile, das wohl ihren Alltag zwischen der Bühnenroutine ("Duct Tape" bei uns als 'Gaffer-'‚ oder 'Gaffa'-Klebeband bekannt) und dem 'normalen' Frau-Sein (Perfume) beschreibt. Halb Roadsong, halb Liebeslied knüpft es im Feeling zu "Nine Faded Roses" an.
"Honest Man" ist ein weiterer Titel aus der Kiste, schön 'ver-hallt', "Over And Over" gehört auch noch dazu (Achtung: Ohrwurm-verdächtig!). Und ihre Version der Cheap Trick-Nummer "The Flame" hätte absolut Charts-Potential, wenn's nur jemand spannen würde.
Klassische Rocknummern hat die Maid aber auch noch zu bieten. Den Opener "Lonesome I Miss You Blues", uptempo mit Chorfinale, "What I Could Change" - mit obligatorischem Richards-Riff als Aufhänger (die Grundformel des Rock?) und den Rausschmeißer "Where You Slept", bei dem's nochmal kräftig rumst. Der Rest ist irgendwo dazwischen, thematisch geht's, wie fast immer bei den Ami-Miezen, um die Liebe in allen Gemütslagen. Und da hat Frau 'Tempelstrahl' ein weites Feld mit diversen Stilmitteln zu bearbeiten.
Ich würd sagen, nicht unbedingt mainstreamiger Gitarrenrock einer guten Sängerin, der seine Ecken und Schnitzer hat und eine abwechslungsreiche Dreiviertelstunde gehobene Unterhaltung bietet. Die Texasversion von Sheryl Crow / Emmylou Harris mit Affinität zum Roots-Rock und modernen Arrangements. Insofern durchaus eigenständig.
Und auch auf diesem Werk gibt es die absolute Ausnahme-Nummer: "Ave Maria". Im Latino-Sound, irgendwo zwischen Calexico und Santana, erzählt uns Temple Ray eine Story über eine unscheinbare Frau. Aber wie – das hat einfach Stil und Klasse!
Tracklist |
01:Lonesome I Miss You Blues
02:Ave Maria
03: All That I Can Do
04:Only Girl
05:Honest Man
06:What If I Could Change
07:Leaving
08:Over And Over
09:Running Back To Me
10:The Flame
11:Where You Slept
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