"Party 'Til The Morning Light", mit diesem Ausruf startet der rockige Opener und Single "Creeps" von Anna Sahlene's neuem Album "Photograph" (VÖ 04.10.2005). Bis der normalsterbliche Bürger in meinem Alter sich heutzutage einem solchen Vergnügen hingeben kann, hat oft eine schaffensreiche Woche im Vorfeld stattgefunden, so dass man meist schon nach einigen Stunden, gerade bei Einnahme diverser Getränke, an den Rande seiner Kondition gerät. Gut, Künstleruhren mögen da sicherlich etwas anders ticken, bei der bildhübschen, vielseitigen schwedischen Entertainerin, die eigentlich seit frühsten Jahren umtriebig im Unterhaltungsbusiness präsent ist (u. a. Kinderfernsehstar in "Die Kinder von Büllabü"), kann man eigentlich davon ausgehen, dass sie ebenfalls ihre Hausaufgaben zunächst sorgfältig erledigt hat, bevor sie sich zu solchen Ausschweifungen hinreißen lässt.

Und in der Tat, zum neuen Album fing Anna bereits 2004 mit den vorbereitenden Songwriting-Sessions an, u. a. mit Leuten wie Pontus Söderquist, Nik Nice und Aleena. Sie scheute sich nicht, Trips nach New York und Los Angeles in Kauf zu nehmen, um mit weiteren angesehenen Komponisten wie Lindy Robbins (Anastacia), Joe Solo (Macy Gray), Charlie Midnight (Hillary Duff, James Brown) und Josh Deutsch (Lenny Kravitz) neues Material zusammenzustellen. Die frei gewährte Hand seitens ihres Label und auch ihres Produzenten Darryl Swann (Macy Gray), ermöglichte Anna eine zielgenaue Umsetzung der erarbeiteten Ideen; die spürbar professionell zu Werke gehenden Musiker erlaubten eine recht schnelle Einspielzeit von nur ca. vier Wochen.

Was hat sich geändert gegenüber ihrem Debüt "It's Been A While" (sh. auch dazu den → Review in RockTimes!)? Ihr Erstling war doch im Großen und Ganzen recht stark von Pop-Einflüssen europäischen Couleurs geprägt. Auf "Photograph" finden sich diese Ansätze nur noch sporadisch wieder, wie zum Beispiel beim wunderschön melodischen Titelstück, einer pianounterlegten Ballade, mit netten Akustikgitarrenfills und zuckersüßen Streicherpassagen.

Der restliche Teil des 13 Stücke umfassenden Albums schwenkt deutlich in Richtung souliger Gefilde, was der stimmlich variabel ausgestatteten Anna aber überhaupt keine Probleme bereitet. Bester Beweis das glänzende Eurythmics-Cover "Missionary Man", bei der die Sängerin der Performance einer Annie Lennox durchaus Paroli bieten kann. Tolle funkige Soulnummer mit rockigem Flair und integrierter Horn-Section. Klasse! Stark auch das recht angriffslustige "Do Ya", ebenfalls mit fetten Horn-Arrangements, wobei man sogar am Anfang durch ein nettes Honkytonk-Piano überrascht wird.

Ebenfalls recht rockig geht es bei "Business As Usual" zu, dass von einem klasse E-Riff und knackigen Drums dominiert wird, und mit einem Percussion-/Organ-getränktem Break Richtung Santana aufwartet. Aus dem Rahmen fällt ein wenig "Mama Put Your Gun Down", so etwas wie die Sahlenesche Auslegung von Bob Marley's Reggae-Klassiker "I Shot The Sheriff".

Meine persönliche Favoriten neben der Titelballade "Photograph" die melodisch dahin groovenden Songs wie "Love Don't Kill" (sehr relaxter Sound)" oder "Chicks On The Side" (klasse emotionale Gesangsleistung von Anna), die mich von der Art an eine gewisse Judy Cheeks erinnern, die Anfang der Neunziger Jahre mal ein Werk namens "No Outsiders" mit ähnlich konstruierten Stücken herausbrachte. Erwähnenswert vielleicht noch, dass das abschließende "You Can't Shine" (Bonus Track) für die schwedische Version des Filmes "Robots" von Anna geschrieben wurde, und sie auch gleichzeitig die Synchronstimme von Schauspiel-Sternchen Halle Berry übernommen hat.

Anna Sahlene hat auf "Photograph" erneut ihre musikalische Variabilität bewiesen, sie wirkt einen Tick reifer, und man kann ihr guten Gewissens eine positive, fundierte berufliche Weiterentwicklung konstatieren. Ordentlich gearbeitet, Party genehmigt!