Boz Scaggs, dieser Name dürfte nicht allzu vielen Lesern bekannt sein (unterstell ich jetzt mal). Dabei lohnt es sich, aus meiner Sicht, mindestens zwei Alben zu kennen. Eines, "Silk Degrees" ist auf dieser "Original Album Classics"-Ausgabe von Sony dabei. Leider nicht das in hervorragender Besetzung (unter anderem
Duane Allmann) eingespielte "Boz Scaggs" (1969). Gerade weil es stilistisch anders ist, wäre es hier eigentlich angebracht gewesen. Allerdings, wenn die Box eher die R'N'B-, Disco-, Soul- und (in kleinen Spuren) Motown-Vergangenheit dokumentieren möchte, passt es auch so. Auf jeden Fall eine gute Investition, diese knapp 20 Euro für fünf CDs.

Locker flockig startet "Moments". Relaxt, soulig, zum Teil mit einem angenehmen, vergangenen Sixties-Pop-Touch versehen, präsentiert sich das Album total anders als das erwähnte 69er Pendant. Würde man es nicht lesen, man käme wohl kaum auf den Gedanken, es mit dem gleichen Künstler zu tun zu haben. Bis "Alone, Alone" plötzlich mit Steel Guitar in die Idylle trabt. Auch das bluesige "I Will Forever Sing (The Blues)" und das etwas flottere "Hollywood Blues" lassen an das gleichnamige Album denken. Mein Highlight dieser Platte ist "We Been Away". Klasse Melodie im Singer/Songwriter-Stil mit jaulender Pedal Steel und nicht minder herrlich 'jaulender'
Rita Coolidge.

1974 erschien "Slow Dancer" und gleich "You Make It So Hard (To Say No)" ist ein Soul-Groove-Monster, mit mindestens einer Jahrzehnt-Melodie. Überhaupt ist dieses Album sehr melodisch. Fast jeder Song hat Single-Qualität. Ein leichter Motown-Touch (nun ja, produziert hat
Johnny Bristol, wohnt vielen Nummern inne, aber
Boz bringt durch eine latente Singer/Songwriter (der er aber nicht ist) Attitüde genug Abwechslung in die Stücke.
Isaak Hayes lässt bei "Hercules" grüßen und wenn "Pain Of Love" ertönt, sind wir ganz tief im Motown-Soul. Richtig 'black' in der Art von
Harold Melvin, den
O'Jays oder de
Tavares wird es bei "Sail On White Moon". Kaum zu glauben, dass dieser Mann ganz früher mal mit
Steve Miller musizierte. Treibend rockig wird es mit "I Got Your Number". Auch ne klasse Nummer, aber irgendwie wollte sich der kommerzielle Erfolg nicht einstellen.

Das passierte aber 1976 mit "Silk Degrees". Ich liebe diese Platte. Aber ihr müsst das nicht, denn diese Scheibe habe ich damals rauf und runter gedudelt und sie ist in meinen persönlichen Charts immer platziert. Platziert war das Album auch in den US-Album-Charts, und zwar auf Platz zwei. Das funkige "Lowdown" wurde gar mit einem Grammy für den besten besten R&B-Song geadelt. "Silk Degrees" kann man durchaus als Disco-Platte im positiven Sinn bezeichnen. Absolute Dance Floor-Nummern fernab peinlichem Disco-Durchschnitt wie z. B. "What Can I Say", das erwähnte "Lowdown", oder das rockige "Lido Shuffle" waren damals aus den Musik-Schuppen nicht wegzudenken. Entgegen der Original-LP hatten spätere CD-Versionen drei der Tracks auch als Live-Versionen mit an Bord; so natürlich auch die vorliegende Ausgabe. Ich bevorzuge allerdings die Studio-Versionen, die sind im Ohr festgebrannt.

"Down Two Then Left" atmet wieder mehr Soul. Dezentes Gebläse und mit "Hard Times" sowie "We're Waiting" gibt es auch einen leicht jazzigen Touch. "We're Waiting" ist eine starke Nummer, die unter dem easy-listening-Gewand etwas an
Steely Dan und auch
Joe Jackson erinnert. Ganz klasse, das Horn-Solo, wenn man so etwas liebt. "Hollywood" dagegen schielt wieder Richtung Disco und bringt eine gehörige Spur Phillysound mit, "Gimme The Goods" funkt, hat starkes Gebläse und eine schöne Wah Wah-Gitarre und "1993" ist Uptempo in bester, cooler
Steely Dan-Tradition.
Boz Scaggs ist im Übrigen mit Donald Fagen und
Michael McDonald als
The Dukes Of September unterwegs.

Rhythm'n'Blues mit einer Spur Rock ist Grundtenor auf "Middle Man". Der Opener "JoJo" hat einen leicht funkig-jazzigen Einschlag und lebt von den Bläsern, die sich hervorragend in Szene setzen. Jazzig auch "Simone" mit flottem Tempo. Es ist schwer, zu sagen, ob 'dieser'
Boz, oder der rockende, wie auf "Breakdown Dead Ahead", "Middle Man", "Angel You" und "You Got Some Imagination" der bessere
Scaggs ist. Irgendwie gehören diese verschiedenen Richtungsschritte bei ihm einfach dazu. Wie auch die tiefgehenden Balladen (z. B. "You Can Have Me Anytime" oder von der "Silk Degrees"-Platte "We're All Alone"). Zum Verständnis: Wenn ich das Wort rockig benutze, dann ist das anders zu werten, als bei einer Rockband. Es bezieht sich auf die 'Ausflüge eines R'n'B-lers'. Die sind aber nicht von schlechten Eltern.
Es ist schwer, den
Boz jemanden zu empfehlen, der ihn nicht schon kennt. Bei dem Preis der Box geht man aber kein Risiko ein. Unbedingt sollte aber auch das gleichnamige Album erworben werden. Wie gesagt, es ist aus dem Jahre 1969 und heißt
Boz Scaggs. Es wird als das Debüt bezeichnet, obwohl
Boz vier Jahre früher in Schweden eine Platte mit dem Namen
Boz aufnahm. Die kenne ich aber nicht.